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Interview mit Tim Exile, dem Reaktor-Guru

Mit Flesh von Tim Exile lassen sich selbst aus unspektakulären Drum- und Percussion-Loops im Handumdrehen frische Basslines, hypnotische Melodien und Riffs, pulsierende Flächen oder Akkordfolgen zaubern. Wie man das beste aus Flesh herausholen kann und wie es zu dieser Idee überhaupt kam, erfährst Du in diesem Interview mit Tim Exile.

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Beat / Wie entstand die Idee zu Flesh? War es ursprünglich als Tool für deine Live-Performances gedacht?

Tim / Das Konzept für Flesh begann damit, dass ich für meine Live-Sets, die ich mit meinem selbst in Reaktor gebauten Instrument „The Flow Machine“ improvisiere, mehr melodische und harmonische Strukturen benötigte. Ich wollte ein Werkzeug erschaffen, das es mir gestattet, rhythmisches Material schnell in harmonisches Material zu verwandeln, welches sich mit dem Feeling der Beats bewegt und verändert. Unter der Haube von Flesh gibt es eine Menge neuer Technologie und es dauerte fast drei Jahre, bis diese in einer Vielzahl von Situationen stabil funktionierte.

Beat / Erläutere bitte das Konzept von Flesh.

Tim / Flesh analysiert deine Samples, um daraus rhythmische Informationen und spektrale „Kurven“ zu generieren, die sich im Laufe der Zeit bewegen, während sich der Sound verändert. Diese Informationen werden verwendet, um vier verschiedene Audio-Engines zu steuern, die wiederum das Sample als Synthesegrundlage nutzen. Alles entsteht aus dem Klang, mit dem du Flesh fütterst. Insofern hängt auch das Endergebnis stark von den verwendeten Samples ab. Die Sounds werden dann intuitiv auf dein Keyboard gemappt, um eine spielerische Performance zu ermöglichen.

Beat / Kannst du uns mehr über die Engines in Flesh erzählen?

Tim / Die Sample-Engine ist das Herz von Flesh. Sie spielt die Samples sowie alle Analysedaten, welche die vier anderen Engines steuern. Mit dieser Engine allein kannst du schon ziemlich extreme Manipulationen des Originalsounds erzielen, da ich einen speziellen Granularalgorithmus programmiert habe, der Slices einen unendlichen Ausklang verleiht. Die Analysekurven des Samples können auch dazu genutzt werden, es selbst zu modulieren, was recht einzigartige Effekte ermöglicht. Die Harmony-Engine verarbeitet die Analysedaten und nutzt sie, um Riffs zu generieren, welche die Synthese-Engines „spielen“. Hinter dem Monosynth verbirgt sich hingegen ein Ein-Oszillator-Synthesizer. Er basiert auf einem Wavetable-Oszillator, der das Eingangssignal von der Sample-Engine in Echtzeit als Quelle für seine Wavetables nutzt. Dies bedeutet, dass der spektrale Inhalt des Oszillators sich gemeinsam mit dem Audiomaterial ändert, was den Monosynth-Riffs ein tonales Eigenleben verleiht. Der Polysynth ist hingegen ein vierstimmiger Akkord-Synthesizer, der wie auch der Monosynth das Eingangssignal der Sample-Engine nutzt. In diesem Fall kommt ein Granular-Resonator-Algorithmus zum Einsatz, den ich entwickelt habe. Er hat einen ganz eigenen Charakter. Die Aufgäbe des Subsynth ist es, Basstöne zu generieren, die unterhalb des übrigen Klangmaterials sitzen, das Flesh generiert. Die FX-Sektion ist im Grunde ein Dub-Delay auf Steroiden, das von den Sample-Analysekurven moduliert wird. Es eignet sich sehr gut, um eigenständige rhythmische Effekte zu erzeugen.

Beat / Was sind für dich die spannendsten Features von Flesh?

Tim / Ich bin vor allem davon begeistert, welche expressive Sounds es aus dem Eingangsmaterial machen kann. Ich finde Flesh großartig für Überraschungen und um Dingen mehr Leben einzuhauchen. Wenn ich die Zeit dafür finde, würde ich gerne ein ganzes Album mit Flesh produzieren.

Beat / Kannst du unseren Lesern ein paar Tipps geben, wie Sie das Beste aus Flesh herausholen?

Tim / Ich finde es am effektivsten, einfach ein paar Sounds in Flesh zu werfen und damit herumzuspielen. Dabei kommt man schnell zu Ergebnissen, die einen begeistern. Wenn du erst einmal damit vertraut bist, kannst du es zielgerichteter einsetzen.

Beat / Was reizt dich daran, in Reaktor deine eigenen Musikproduktionswerkzeuge zu erschaffen?

Tim / Ich möchte wirklich Musik in Echtzeit erstellen können und es gibt im Moment nichts, was es mir auf die Weise gestattet, wie ich es mir wünsche. Und genau hier kommt Reaktor ins Spiel: Du kannst in Reaktor wirklich alles machen, wenn du nur die nötige Zeit investierst. Meine „Flow Machine“ ist im Grunde eine komplette Anwendung, die innerhalb von Reaktor ausgeführt wird.

Beat / Hast du Tipps für diejenigen, die elektronische Musik live performen möchten?

Tim / Verbringt viel Zeit und Energie, euer Setup aufzubauen und zu verfeinern, bis es genau das ist, was ihr braucht. Und ändert es dann in den nächsten Jahren nicht – das ist der beste Weg, um ein Instrument wirklich zu beherrschen.

Kurztest: Native Instruments Flesh

www.nativeinstruments.com

http://land.timexile.com

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