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Test: NI Reaktor 5.5

Mit dem Generator hat vor knapp 15 Jahre die Geschichte von Native Instruments begonnen. Seitdem ist es dem Hersteller mit jedem Update gelungen, das Klangpotenzial des Kreativkraftwerks zu erweitern. Gespannt lauschen wir also der Version 5.5.

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Seit dem Ur-Generator hat sich Reaktor enorm weiterentwickelt. Dabei standen bei der Entwicklung von Reaktor 5.5 vor allem „die Überarbeitung des User-Interface für einen verbesserten Workflow und die Erweiterung des Klangspektrums durch die beiden neuen hoch optimierten Module Sine Bank und Modal Bank“ im Vordergrund, wie uns NI-Gründer Stephan Schmitt im Beat-Interview verrät.

Kreatives Kraftwerk

Mit seinem großen Angebot spannender Ensembles spricht Reaktor sowohl Musiker, die auf hochwertige spielfertige Klangerzeuger, Effekte und Kreativwerkzeuge zurückgreifen möchten, als auch Hardcore-Klangbastler an. Dank der vollständig modularen Architektur der Applikation können Sie selbst bestimmen, wie tief Sie in ihren Klangkosmos einsteigen möchten. Dabei können Sie sich beispielsweise genau anschauen, wie Instrumente oder Effekte konstruiert wurden und deren Innenleben und ihre Bedienoberfläche auf komfortable Weise individuell modifizieren. Auch eine Kombination verschiedener Instrumente ist ein Kinderspiel. Erfreulicherweise ist im Lieferumfang des Produkts eine umfangreiche Bibliothek verschiedenster Module und Modulgruppen wie Oszillatoren, Sampler, Filter, Sequenzer und Modulationswerkzeuge – Makros genannt – enthalten, aus denen sich komplexe Effekte, Synthesizer, andere Klangerzeuger oder Kreativwerkzeuge konstruieren lassen.

Seit Version 5 ist es zudem möglich, eigene Module wie Oszillatoren, Filter, Delays oder Equalizer sozusagen auf atomarer Ebene, dem sogenannten „Core-Level“, zu bearbeiten oder selbst zu entwerfen. Eine stetig wachsende Sammlung von „Core Cells“ erleichtert dabei die Konstruktion eigener Module. Ob Sie einen Mammutsynthesizer, einen Sequenzer-getriebenen Hightech-Effekt oder eine MIDI-Fernsteuerung für einen Hardwaresynthesizer konstruieren oder gar eine neue Syntheseform auf Core-Ebene erfinden möchten – Ihren Ambitionen als DSP-Entwickler sind keine Grenzen gesetzt.

Die Programmierung erfolgt dabei in einer grafischen Entwicklungsumgebung, in der sich durch Verknüpfen verschiedener Module die Struktur eines Ensembles erstellen lässt. Auch die Bedienoberfläche können Sie durch Anordnen verschiedener Elemente wie Dreh- und Schiebregler, Schalter, Anzeigen, Textfenster und Bilder frei gestalten. Dank des intuitiven Aufbaus des Struktureditors ist die Erstellung eigener Instrumente keine Raketenwissenschaft, sondern leicht zu erlernen. Damit sich sowohl Einsteiger als auch Benutzer früherer Versionen schnell zurechtfinden, wurden sowohl das umfassende Benutzerhandbuch als auch das „Getting Started“-Dokument überarbeitet. Des Weiteren gibt es ausführliche Dokumentationen zu allen Instrumenten, Modulen, Makros und Core-Bausteinen, allerdings nur in englischer Sprache.

Ensembles

Keine Frage, der Name Reaktor stand schon immer für Innovation: Bereits in der Vorgängerversion vereinte das Klanglabor fast jede erdenkliche Synthese-, Sample- und Effekt-Technologie. Mit der additiven und modalen Synthese wurde das Klangpotenzial des Modularsystems in der Version 5.5 nun noch weiter ausgebaut. Der Klangerzeuger Lazerbass (Audiodemos auf DVD) macht auf eindrucksvolle Weise von der in der aktuellen Version eingeführten additiven Syntheseform Gebrauch. Stephan Schmitt erläutert die technischen Hintergründe: „Lazerbass nutzt die additive Synthese der Sine Bank zur Erzeugung von Wellenformen, wie man sie von analogen Synths kennt. Die bis zu 324 Teiltöne summieren sich zu einem kristallklaren, Aliasing-freien Sound, der aber auch sehr fett und schwebend oder disharmonisch werden kann.“ Mit seinem kraftvollen und direkten Klang bietet sich der monophone Synthesizer insbesondere für volle und knackige Dubstep-Bässe und spacige Sci-Fi-Sounds an, wobei seinem Filter eine zentrale Rolle zukommt, wie der NI-Gründer erklärt: „Ein sehr spezieller Charakter entsteht durch die Emulation eines Multi-Peak-Filters, das einen sehr drastischen Eingriff in das erzeugte Spektrum erlaubt, ohne dass der Sound dabei seine Präsenz verliert. Außerdem haben wir hier ein sehr minimalistisches aber effizientes Modulationskonzept umgesetzt.“

Nicht minder interessant ist die modale Syntheseform. Stephan Schmitt gewährt einen Einblick in die Funktionsweise dieser Synthesetechnologie: „Mit Moden bezeichnet man die Teilschwingungen, zu denen ein Objekt angeregt werden kann. In natürlichen Körpern können das eine Vielzahl von Schwingungen sein, deren Frequenzen zu einer harmonischen Reihe gehören können, oft aber auch disharmonisch sind. Die Frequenzen, Amplituden und Abklingzeiten der verschiedenen Moden prägen den charakteristischen Klang, zum Beispiel eines Xylophons.“ Das verwendete Synthesemodul „Modal Bank“ stellt dabei auch das Herzstück des neuen, vom Reaktor-Guru kreierten Synthesizers Prism dar, der gemeinsam mit Reaktor, dem expressiven subtraktiven Synthesizer Spark und dem Performance-orientierten Multieffekt The Finger in Komplete 7 enthalten ist. Als Spezialist für Physical-Modelling-Klänge liefert Prism nicht nur überzeugende Simulationen akustischer Instrumente wie Gitarren und Bässen, sondern auch spannende artifizielle Sounds, die nur noch entfernt mit Klängen realer Instrumente vergleichbar sind.

Geheimwaffe

Anwendern von Reaktor 5.5 eröffnet sich mit über 70 hochwertigen und innovativen Synthesizern, Sound-Generatoren, Spezialwerkzeugen und Effekten der Zugang zu einem nahezu unerschöpflichen und inspirierenden Klanguniversum. Die Bandbreite reicht von klassisch aufgebauten virtuell-analogen Synthesizern und Grooveboxen bis hin zu Geheimwaffen für Frickel-Elektronik. Highlights der Bibliothek sind die innovative Sequenzer-/Synthesizerkombination Newscool, die hybride Effektmaschine Lurker, die Sound-Design-Workstation Skrewell sowie Spacedrone, ein ergiebiger Lieferant atmosphärischer Pads. Natürlich sind auch lieb gewonnene und bewährte Klassiker an Bord, die zum Teil für Version 5 komplett neu konstruiert oder angepasst wurden, darunter der subtraktive Synthesizer Carbon 2, der kreative Rhythmusgenerator Vierring, die virtuelle Groovebox Aerobic sowie der granulare Sample-Transformator Grainstates SP.

Ein dickes Lob gebührt Native Instruments zudem dafür, dass der Lieferumfang von Reaktor 5.5 nun alle 17 Synthesizer, Drumcommputer und Effekte aus den ehemals kostenpflichtigen Sammlungen Electronic Instruments 1 & 2 einschließt. Enthalten sind unter anderem der Granular-Sequenzer Krypt, das Ambient-Werkzeug Metaphysical Function, der Synthesizer Photone, die kreative Loop-Maschine Fast FX und der polyphone Resonatoreffekt Resochord. Dank eines großen Aufgebots fertiger Klangprogramme sowie der Möglichkeit, stufenlos zwischen zwei Presets zu morphen, kommen auch „schraubfaule“ Musiker voll auf ihre Kosten.

Erweiterbarkeit

Wem das enorme Angebot von insgesamt mehr als 70 Ensembles nicht ausreicht, kann das Klangarsenal der Applikation durch über 3000 von Reaktor-Benutzern erstellten Ensembles aus der Online-User-Bibliothek erweitern. Ferner bietet der Hersteller exzellente kostenpflichtige Instrumente und Effekte wie Reaktor Prism, Spark und The Finger an, die sich auch mit dem frei erhältlichen Reaktor 5 Player nutzen lassen. Potenziellen Neukäufern von Reaktor sei die umfassende Software-Sammlung Komplete 7 empfohlen, die zu einem unwesentlichen Aufpreis neben dem modularen Soundstudio 23 weitere Produkte inklusive der drei genannten Reaktor-Ensembles bietet.

Erhöhter Bedienkomfort

Die komplett überarbeitete Oberfläche zeigt sich nun moderner, geradliniger und bedienfreundlicher und erleichtert damit sowohl das Nutzen als auch das Kreieren von Instrumenten. Insbesondere Laptop-Anwender werden sich darüber freuen, dass das Programm in der neuen Version mit nur einem Fenster auskommt, das vom Benutzer flexibel angepasst werden kann. Die Verbesserungen der Audio-Engine und des Structure-Editors sorgen zudem für eine größere Flexibilität sowie bessere Kontrollmöglichkeiten über Reaktor.

Fazit

Reaktor 5.5 hat es wirklich in sich: Mit spannenden neuen Synthesemodulen, einer erweiterten Ensemble-Bibliothek, einem erstklassigen neuen Instrument und zahlreichen Detailverbesserungen zeigt sich die neue Version des flexiblen Soundstudios leistungsfähiger und variabler denn je. Dank seiner optimierten Benutzeroberfläche ist nun auch die Kritik am mangelnden Bedienkomfort früherer Versionen vom Tisch. Einziger Wermutstropfen bleibt die noch immer fehlende 64-Bit-Unterstützung. Aber auch ohne diese kann man Reaktor mit einem aktuellen Rechner ausreizen. Im Vergleich zu seinem Vorgänger bietet das für registrierte Reaktor-5-Anwender erfreulicherweise freie Update einen immensen Mehrwert. Mehr denn je vermag die Software den Benutzer eine lange Zeit zu fesseln, denn Reaktor ist weit mehr als nur facettenreich. Vielmehr verdient das modulare Soundstudio den Titel „König des Facettenreichs“.

Bewertung
Name
Native Instruments Reaktor 5.5
Pro
  • hohes Kreativpotenzial
  • unzählige Klangerzeuger & Effekte
  • neue Synthesetechniken
  • ausgezeichnete Klangqualität
  • intuitive Bedienoberfläche
Contra
  • keine 64-Bit-Unterstützung
  • kein Ensemble mit modaler Synthese enthalten
Preis
Preis: 379 Euro
Update ab 119 Euro
Bewertung
(91%)
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