Test

Test: Madrona Labs Kaivo

Bereits mit dem Aalto wusste Randy Jones eine mächtige Klangerzeugung mit durchdachter Modulation zu verbinden. Im Kaivo weitet er das Konzept auf Sample Granulator und Physical Modeling aus. Die Soundmaschine der Zukunft?

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Physical Modeling und ein Sample Granulator sind die Zutaten des neuen Kaivo, und alleine das klingt schon recht spannend. Auf die Spitze getrieben wird das Konzept durch die unzähligen Verschaltungs- und Modulations-Möglichkeiten, die Sounddesign pur versprechen. Doch der Reihe nach. Die sehr übersichtliche Oberfläche des Plug-ins besteht aus drei klar getrennten Bereichen: Im unteren Drittel entsteht der Sound, dort sind neben einem Gate der so genannten Granulator- und die Physical- Modeling-Abteilungen auch Resonator und Body zu Hause. Im oberen Teil finden sich die Modulatoren: Hüllkurven, ein LFO und ein Step-Sequenzer. Ein Noise-Modul kann wahlweise als Modulator oder Klangquelle agieren. In der Mitte befindet sich das Steckfeld, über welches die Module verbunden werden. Diese besitzen entweder Ein- oder Ausgänge oder beides. Jeder Eingang besitzt einen Regler zum Justieren der Intensität der einkommenden Signale; eine Verknüpfung wird mittels Drag-&-Drop hergestellt. Die Module erlauben dabei unendlich viele Verbindungen, was das Herz eines jeden Sounddesigners höher schlagen lässt. Um dem Plug-in einen Sound zu entlocken, sollte man etwas Erfahrung mit dem Konzept modularer Synthesizer mitbringen oder auf bestehende Presets als Basis zurückgreifen, sonst landen die eingehenden MIDI-Signale schnell im Nirwana.

Klangerzeugung

Die Basis eines jeden Klangs ist der Granulator. Dieser besteht aus einem Wave Sample, das im X/Y-Spektrum durchfahren wird. Die X-Achse ist die Zeit, während die Y-Achse für die verschiedenen Kanäle des Samples steht. Dabei werden sowohl einkanalige Mono- sowie zweikanalige Stereo-Samples geladen, doch wirklich interessant wird es erst mit drei oder mehr Kanälen. Entsprechende Samples lassen sich mit vielen Audioeditoren problemlos erstellen. Hier beginnt also der Spaß, denn die Ausschnitte der Wiedergabe pro Achse können durch Step-Sequenzer oder Hüllkurven frei moduliert werden, bevor der Sound zur Physical- Modeling-Abteilung gelangt. In dieser Sektion findet sich neben dem Resonator, ein Objekt, das zum Schwingen gebracht wird, auch der sogenannte Body, also der Raum, in dem sich der Resonator befindet. Bei einer Gitarre werden beispielsweise Saiten (der Resonator) zum Schwingen gebracht und deren Klang Gehäuse verstärkt. Kaivo bietet mehrere Arten und Formen von Saiten, Glocken und Räumen als Basis an. Wer also schon immer wissen wollte, wie die eigene Stimme klingt, wenn sie als Xylofon in einer Holzbox verwendet wird, hat hier alle Optionen offen. Resonator und Body können frei zugemischt werden und lassen sich dabei mit bekannten Reglern wie Sustain oder Pitch beeinflussen, offerieren jedoch auch exotischere Parameter.

Modulatoren und Praxis

Dazu kommt die offene Struktur des Synths mit den zahlreichen Modulatoren. Alleine der Sequenzer protzt mit enormer Flexibilität, denn neben dynamischer Länge, die zur Laufzeit beeinflussbar ist, bietet er Wertquantisierung zum Vermeiden von Parametersprüngen, Glide, einen variablen Offset und getrennte Ausgänge für On-/Off-Werte sowie der jeweiligen Intensität der Steps. Wer auf extremere Modulationen aus ist, greift zum Noise-Modul, das weit mehr als nur Rauschen liefert. Wie unschwer zu erkennen, ist Kaivo ein spezieller Synth mit speziellem Sound. Das Plug-in betritt mit seiner Synthese- Kombination Neuland, bietet aber einfachen Zugriff auf die Parameter. Dank freier Struktur und seiner Klangerzeugung lassen sich vor allem experimentelle Sounds, abgedrehte Sequenzen und natürlich Drones und Texturen erzeugen. Bässe, Leads und Flächen sind auch möglich, aber in diesen Bereichen ist der Synth nicht zu Hause. Dazu sind die Ergebnisse beim Tüfteln zu unvorhersehbar. Vielmehr herrscht hier das kreative Chaos, das gezähmt werden will. 

Fazit

Wer sich auf den Kaivo einlässt, sollte Zeit und Geduld mitbringen. Und einen leistungsstarken Rechner, denn mitunter kann schon ein nur zweistimmiger Sound einen aktuellen Rechner lahmlegen. Hier hat der Hersteller bereits Besserung für kommende Versionen angekündigt. Wer sich jedoch auf den steinigen Weg wagt, kann dem Synth durchaus interessante Sounds entlocken, für die ansonsten eine Werkstatt oder mehrere Räume nötig wären. Sucht man einen Synth zum schnellen Abrufen von zeitgemäßen Presets, ist der Kaivo die falsche Wahl. Aber auch Tüftler sollten aufgrund der hohen Anforderungen an Rechner und Nutzer unbedingt die Demoversion antesten. Hierbei sei auf die äußerst umfangreiche und liebevoll gestaltete Anleitung verwiesen, die einen fantastischen Überblick über das Plugin und dessen Synthese bietet. Ist die Einstiegshürde genommen, bietet der Synth eine bislang nicht dagewesene Form der Klangerzeugung und äußerst individuelle Modulationen.

Bewertung
Name
Madrona Labs Kaivo
Pro
  • hohe Flexibilität
  • intuitive Bedienung
  • klasse Anleitung
  • Step-Sequenzer
  • modularer Aufbau
  • skalierbare Größe
Contra
  • steile Lernkurve
  • exotische Presets
  • hoher Leistungshunger
  • enorme Komplexität
Preis
99 EUR
Bewertung
(67%)
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