Ratgeber

Test: Studio Electronics SE-3X

Der SE-3X ist eine Weiterentwicklung des fast 30 Jahre alten monophonen Klassikers SE-1(X). Die an den ­Minimoog angelehnte Klangerzeugung wurde um zusätzliche Filter im ARP- und Roland-Stil sowie Paraphonie und ­umschaltbares Overdrive ergänzt. Kann sich der Rack-Bolide heutzutage noch gegen die teilweise deutlich günstigere Konkurrenz behaupten.

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Ende der 80er-Jahre trat Studio ­Electronics erstmals mit dem Midimoog in Erscheinung, einem modifizierten Minimoog im Rackformat. 1993 folgte dann mit dem SE-1 die erste Eigenentwicklung, aber mit deutlicher Anlehnung an den Klassiker von Moog. Ein paar Jahre später folgte der erweiterte SE-1X. Dann war es viele Jahre eher still um die amerikanische Firma, bis sich aus der Kooperation mit Roland der SE-2 im kompakten Boutique-Format ergab.

Erweiterter SE-3X

So wirklich gerechnet haben wir nach der langen Zeit ehrlich gesagt nicht mehr mit einer Weiterentwicklung des SE-1X, auch wenn es zwischenzeitlich ein Lebenszeichen in Form des SE-02 im kompakten Boutique-Format gab und auch ein paar Eurorack-Module den Weg in die Shops gefunden haben. Doch nun hat es der mächtige analoge Racksynthesizer in Neuauflage tatsächlich in unser Studiorack geschafft. Gravierende Änderungen dürfen Sie nicht erwarten, denn weiterhin bildet der klassische Minimoog-Aufbau die Basis der Klangerzeugung. Drei identisch aufgebaute Oszillatoren bieten jeweils die Wellenformen Sägezahn, Dreieck und Rechteck.

Kein reiner Minimoog-Klon

Bereits bei den Oszillatoren wird deutlich, dass der SE-3X nicht sklavisch am Vorbild hängt: Im Gegensatz zum Minimoog lässt sich die Pulsweite der Rechteckwelle per Regler stufenlos einstellen und modulieren (PWM), zudem lassen sich alle drei Wellenformen gleichzeitig aktivieren (wie z. B. bei der Roland SH-101 oder dem Sequential Pro-1). Bereits ein einzelner der analogen Oszillator kann dadurch einen massiven Sound erzeugen, alle drei Oszillatoren gemeinsam lassen auf Wunsch das Haus beben. Aber auch komplexere Klangverläufe sind aufgrund der verschiedenen Kombinationen möglich, bis hin zu atmosphärischen Drones. Die Oszillatoren haben einen relativ deut­lichen Eigenklang, den man schon von den anderen Modellen der SE-Reihe. Sie sind nicht so warm und rund wie bei einem alten Moog, sondern haben einen eher modernen Analog-Sound: trocken, stimmstabil und mit viel Obertönen.

Sync- und Ringmodulation

Oszillator-Sychronisation ist ebenfalls eine willkommene Erweiterung gegenüber dem Minimoog und sorgt für zusätzliche Obertöne und die metallisch-schneidenden Sync-Sounds in Verbindung mit Pitchmodulation durch LFO oder Hüllkurve. Hinzu kommen auf Oszillator-Ebene noch Weißes Rauschen und ein Ringmodulator, die sich beide aber leider nicht direkt, sondern nur über ein Menü aktivieren lassen.

3-stimmig paraphon

Bei unterschiedlichem Tuning der drei Oszillatoren sind auch Akkorde mit nur einer Taste spielbar. Aber es wird noch besser, denn der SE-3X ist im Gegensatz zu den Vorgängermodellen paraphon spielbar. Das erlaubt nicht nur mehr Flexibilität beim Spielen von Akkorden, sondern auch das Spielen eines zweistimmigen Lead-Sounds über eine gehaltene Bassnote. Im Gegensatz zu einem vollpolyphonen Synthesizer müssen sich die drei Stimmen aber ein Filter, einen VCA und die Hüllkurven teilen, weshalb paraphones Spiel ein wenig Übung benötigt. Dafür sind aber auch außergewöhnliche Sachen umsetzbar wie z. B. unterschiedliche Wellenformen und Tuning für jede Note eines Akkords. Oszillator-Synchronisation für Oszillator 2 und 3 lässt sich jeweils individuell aktivieren, was dann auch entsprechende klangliche Auswirkungen bei paraphonem Spiel hat: Verschiedene Noten wirken sich dann nicht mehr direkt auf die Tonhöhe aus, sondern auf den Klang und die Obertöne, was zu spannenden Ergebnissen führen kann.

Vier Filter zur Auswahl

Die Integration unterschiedlicher Filtermodelle ist schon länger ein Markenzeichen von Studio Electronics. Der bunte Paradiesvogel ATC-1 bot auswechselbare Filter-Cartridges, angelehnt an die Synthesizerklassiker TB-303, Oberheim SEM und ARP-2600. Dieses Konzept wurde beim SE-3X übernommen, allerdings lassen sich die Filter direkt und ohne Cartridge-Wechsel umschalten. Natürlich ist ein dem Minimoog nachempfundenes 24dB-Ladderfilter integriert, und das an den Oberheim SEM angelehnte 12dB-Multimodefilter mit Tief- und Bandpass für den cremigeren Sound war auch schon im SE-1X vorhanden. Neu hinzugekommen in der SE-Serie ist das ARP Filter mit 24dB und als abschließendes Highlight Roland Jupiter- und Juno-Filter, umschaltbar zwischen 24dB und 6dB und beides im Mix-Modus sogar kombinierbar!

Moog, SEM, ARP oder Roland?

Über das Moog-Filter muss man angesichts der Entwicklungsgeschichte des SE-3X nicht viel Worte verlieren, es hat den typischen fetten Minimoog-Sound mit jeder Menge Bass. Das Oberheimfilter klingt dagegen fast unspektakulär, der cremige und eher nüchterne Klang ist aber gut getroffen und die Bandpass-Variante eine willkommene Ergänzung. Das ARP-Filter, angelehnt an das 4072/4075-Filter aus ARP Odyssey und 2600 erweitert das Klangspektrum mit einem sehr vollen und knackigen Sound und hat sich im Test zu unserem Favoriten gemausert. In Verbindung mit der Ringmodulation und Hardsync kann der SE-3X damit einige charakteristische Odyssey und 2600er-Klänge realistisch nachbilden.

Das soll aber nicht die ebenfalls sehr gelungenen Roland-Filter abwerten, die für den klassischen Sound von Juno, Jupiter und SH-Serie sorgen können. Die charakteristische Klangveränderung bei hoher Resonanz, inklusive Ausdünnung des Bassbereichs ist sehr gut getroffen, ebenso wie das knackige Verhalten für punchige Bässe und Arpeggios.

Verzerrer

Die Filtersektion ist ohne Frage das Highlight des Synthesizers, solche Klangvielfalt hat kaum ein anderer Analogsynthesizer in diesem Bereich zu bieten. Allerdings machen die Filter nur einen Teil des Klanges aus, und die sehr prägnanten Oszillatoren hört man immer durch. Je nach Einstellung können die Änderungen des Sounds beim Umschalten der Filter auch nur minimal ausfallen, der SE-3X klingt dadurch nicht wie ein kompletter ARP-2600 oder Roland Jupiter, sondern bewahrt seinen speziellen Eigenklang.

Die unterschiedlichen Charakteristiken der Filter, vor allem bei höheren Resonanzwerten, hört man gut im Zusammenspiel mit dem nachgeschalteten Overdrive-Effekt. Hier gibt es zwei Optionen, einen eher runden und warmen Vintage-Verzerrer im Stile der 70er Jahre und einen moderner und härter klingenden Fuzz-Verzerrer.

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4 Hüllkurven, 3 LFO

Im Modulationsbereich zeigt sich der SE-3X auch sehr gut ausgestattet. Neben jeweils einer ADSR-Hüllkurve für Filter und Verstärker gibt es zwei weitere Hüllkurven, die sich auf verschiedene Parameter routen lassen. Die Hüllkurven können zwischen exponentiellem (schön zuschnappend für Bässe und Kicks) und linearem Verlauf umgeschaltet sowie invertiert werden, hier bleibt also kaum ein Wunsch offen. Gleiches gilt für die drei LFO, die bei Bedarf zum Songtempo synchronisiert werden können. Portamento ist ebenfalls umschaltbar zwischen exponentiell und und linear, auch Auto-Glide ist aktivierbar. Das macht vor allem in Verbindung mit den verschiedenen Filtertypen Sinn, um die Sounds der verschiedenen Synthesizer-Vorbilder möglichst originalgetreu nachzubilden.

Die Filtersektion ist das Highlight des Synthesizers, solche Klangvielfalt hat kaum ein anderer Analogsynthesizer in diesem Bereich zu bieten.

Robuster Rack-Bolide

Die Hardware ist über jeden Zweifel erhaben, das Rackgehäuse ist sehr robust und die Bedienelemente fühlen sich wertig und langlebig an. Wer sich für einen SE-3X entscheidet, wird wohl ein Leben lang seine Freude daran haben können – sowohl was die Langlebigkeit der Hardware als auch den Umfang der erzeugbaren Klangpalette angeht. Das rechtfertigt dann auch den recht hoch angesetzten Preis, zumindest in Vergleich zu den sehr günstigen Nachbauten analoger Klassiker von Behringer & Co.

Menü und Doppelbelegungen

Trotz der vielen Bedienelemente muss aber dennoch auch einiges über Shift-Funktionen und das Menü geregelt werden. Das betrifft nicht nur die tiefer gehende Programmierung wie die Zuordnung von Quelle und Ziel in der Modulationsmatrix. Auch üblicherweise direkt zugängliche Parameter wie die Lautstärke und die Feinstimmung der einzelnen Oszillatoren sind nur mit gedrückter Shift-Taste und Drehen der doppelbelegten Regler für die Grobstimmung und PWM erreichbar. Da es sich um einfache Potis und keine Encoder handelt, stimmen die Werte anschließend natürlich nicht mehr überein. Gefühlt hätten wir es andersrum sinnvoller gefunden: Feintuning und Lautstärke im Direktzugriff, PWM und Grobstimmung als Shift-Funktion. Auch die Hüllkurven 3 und 4 sind nur per Shift-Funktion erreichbar. Eine Einstellung der Pitch-Hüllkurve bei gleichzeitiger Anpassung der Filter-Hüllkurve ist dadurch beispielsweise nicht möglich. Und die Bedienung des Menüs fanden wir auch etwas fummelig und wenig intuitiv.

Speicherbar, MIDI-Steuerung

Einen Vorteil des SE-3X gegenüber den vorgenannten günstigen Klonen und allgemein den meisten analogen Mono-Synthesizern haben wir bisher verschwiegen: Der Synthesizer ist komplett speicherbar. Acht Bänke mit jeweils 99 Speicherplätzen stehen zur Verfügung, vier davon sind fest mit vorgefertigten Presets belegt und die anderen vier Bänke können Sie mit eigenen Sounds belegen. Zudem ist der SE-3X umfangreich per MIDI steuerbar, eine Automation in der DAW wie beispielsweise ein Filter-Sweep vor dem Refrain ist also kein Problem.

Audioeingang, kein CV/Gate

Entsprechend findet man auf der Rückseite das MIDI-Trio IN/OUT/THRU als DIN-Buchsen, allerdings kein USB-MIDI. Hinzugesellt sich ein Audioausgang in Mono sowie erfreulicherweise auch ein Audioeingang, um externe Klangerzeuger durch die sehr guten Filter und Verzerrer zu schicken. Die Stromversorgung erfolgt über ein internes Netzgerät und Standard-Kaltgerätekabel. Auf CV/Gate zur direkten Kommunikation mit anderem analogen Equipment wurde leider komplett verzichtet.

Passende Sounds des SE-3X erhältst du hier:

Zampler

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Bewertung
Name
Studio Electronics Studio Electronics SE-3X
Pro
  • flexible Oszillatoren
  • verschiedene Filter
  • satter, trockener Sound
  • Modulations­möglichkeiten
  • Audioeingang
Contra
  • Menü-Bedienung fummelig
  • hoher Preis
Preis
2.669 EUR
Bewertung
(83%)
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