Mixing ist weit mehr als nur ein technischer Prozess, um Songs in ein veröffentlichungsreifes Format zu bekommen. Es ist vielmehr die Kunst, Eindrücke und Emotionen wahrzunehmen und herauszuarbeiten. Wir haben zehn erprobte Tipps gesammelt, die dich bei dem Prozess unterstützen.
Musikproduktion ist heute mehr denn je ein Balanceakt zwischen Technik, Kreativität und einer Flut an Meinungen. Wer sich regelmäßig auf YouTube, in Foren oder sozialen Netzwerken bewegt, weiß: An scheinbar „unverzichtbaren“ Mixing-Techniken und Produktions-Mythen mangelt es nicht. Jeder hat seine Methode – und jeder hält sie für die beste. Dabei ist Musikproduktion zu vielseitig, als dass es den einen perfekten Weg geben könnte.
Aus diesem Grund geben wir dir mit diesem Artikel kein Dogma, sondern ein praxisnahes Cheat Sheet an die Hand. Die zehn Tipps sollen dir helfen, deinen Workflow zu optimieren, den Überblick zu behalten und deinen Sound gezielt weiterzuentwickeln.

Tipp 1: Organisation
Damit du den Überblick über deine Projekte behältst, lohnt es sich, eine feste Struktur und Namensgebung einzuführen. Die Struktur spiegelt letzten Endes deinen Workflow wieder. Wenn du zum Beispiel einen Beat baust und dann deine Spuren für das Mixing und Mastering exportierst, kannst du genau so deine Ordnerstruktur aufbauen. Den Projektname einschließlich Key und BPM als Überordner – das empfiehlt sich übrigens auch für die Benennung der Session – und als Unterordner jeweils einen für Komposition und Mix-Master. Dann legst du noch einen an für die Exporte, worin du deine Master ablegst. Die Audiodateien selbst sollten auch einer festen Namensgebung folgen, beispielsweise „Instrument_Projektname_BPM_Key“. Wenn du dein System einmal verinnerlicht hast, wirst du zukünftig immer den Überblick behalten und auch spezifische Dateien schnell finden.
Tipp 2: Templates
Eine strukturierte Arbeitsweise hilft nicht nur der Dateiverwaltung, sondern auch der Übersicht innerhalb einer Session. Baue rohe Sessions und speichere dir diese als Templates ab. Spezifische Templates für die einzelnen Arbeitsschritte empfehlen sich auch hier. Es sollte alles enthalten sein, was du standardmäßig nutzt. Das schließt die Farbkodierung deiner Tracks und Plugins ein. Als Template für Kompositionen kannst du zum Beispiel gleich deine Lieblings-Synthies reinladen, dann hast du sie sofort griffbereit. Fürs Mixing kannst du beispielsweise gleich Busse anlegen, routen und mit deinen bevorzugten Tools ausstatten; eine Anwendung dafür wäre Parallel-Kompression für Drums. Auch hier gilt: einmal verinnerlicht wirst du immer die Übersicht haben und Zeit sparen.
Tipp: Mit den Heft-Downloads bekommst du vier Templates für verschiedene Anwendungen, die du gegebenenfalls auch noch modifizieren und auf deine Arbeitsweise abstimmen kannst.

Tipp 3: Sustain mit Reverb verlängern
Reverbs können weit mehr als nur einen Raumklang erzeugen – zum Beispiel den Sustain eines Instruments auf natürliche Art und Weise verlängern. Das kann unter anderem bei Live-Aufnahmen oder Samples hilfreich sein. Durch den gezielten Einsatz eines Halls kannst du es wirken lassen, als würde der Sound länger gehalten werden. Experimentiere dafür mit dem Pre-Delay und Decay. Als Ausgangspunkt empfehlen sich kurze bis mittellange Werte. Dafür kannst du übrigens auch mit Sidechaining experimentieren. Außerdem solltest du den Hall via EQ eingrenzen. Suche anhand von Low- und High-Cut-Filtern einen Frequenzbereich, der dem Originalsignal ähnelt und passe das Mischverhältnis so an, dass es nach einer natürlich gehaltenen Note klingt.
Tipp 4: Dynamik einhalten
Je nach Genre gibt es verschiedene Richtwerte, was die Dynamik eines Tracks angeht. Am besten analysierst du mit Hilfe von Tools wie dem Loudness Meter von Youlean, Decibel von Process Audio, dem Bute Loudness Analyzer von Signum Audio oder anderen Kandidaten ein paar aktuelle Tracks. Diese Werte zu kennen ist deshalb empfehlenswert, weil sie einerseits zu der Konkurrenzfähigkeit deines Songs beitragen und andererseits auch Teil des Klangcharakters dieses Genres sind.
Tipp 5: Manuelle Kompression
Statt Dynamiken via Kompressoren zu kontrollieren, kannst du auch manuell von Hand komprimieren. Was befremdlich klingt beschreibt ganz einfach eine Laustärkenautomation. Der Vorteil dieser Methode ist, dass du flexibler reagieren kannst, weil du nicht abhängig von festen Attack- und Release-Zeiten bist. Dadurch kannst du gezielt Eingriffe vornehmen und wirst feststellen, dass danach ein Kompressor mit einer sanften Ratio (zum Beispiel 2:1) ausreicht, um den Klang abzurunden.

Tipp 6: Emotionen priorisieren
Es passiert schnell, dass man sich beim Mixing und Mastering zu sehr in die technischen Aspekte verkopft. Hier noch etwas EQ, dort noch etwas Kompression und ehe man sich versieht hat man einen technisch einwandfreien Song, der aber platt und emotionslos klingt. Daher ist es wichtig, immer wieder die Sicht zu wechseln und die Emotionen und Energien aufzusaugen. Achte darauf, welche Elemente wann im Fokus stehen und welche Gefühle diese auslösen. Versuche, diese Eindrücke herauszuarbeiten und zu erhalten, vielleicht sogar zu verstärken. Mache immer wieder Hörpausen und hole dir gegebenenfalls eine zweite Meinung ein, wenn du den Eindruck hast, an einem Element festzustecken.
Tipp 7: Die Kernelemente als Fundament
Bei der Herangehensweise und dem Aufbau eines Mixes hat jeder seinen eigenen Workflow. Viele fangen mit den Drums an und bauen darauf auf. Auch wenn sie in den meisten Genres das rhythmische Rückgrat bilden, sind sie nicht zwingend immer das Kernelement. Letzteres können auch Keys oder Vocals sein. Probiere mal, zuerst ein Fundament aus Keys und Vocals zu legen und anschließend Drums, Bass und andere Instrumente drum herum zu bauen. Durch diese Vorgehensweise gibst du nämlich den Hauptelementen mehr Platz im Mix und kannst untergeordnete Sounds so einpassen, dass sie nicht kollidieren.
Tipp 8: Fokus trotz Breite
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, Sounds breiter zu gestalten: Dopplung und Panning, Modulation, Imager und so weiter. Oftmals haben diese Methoden aber den Nachteil, dass der Fokus auf die Klangquelle verloren geht, die Sounds vielleicht sogar diffus und phasig klingen. Um dem entgegenzuwirken, kannst du bei gelayerten Sounds nur einen der Layer mit einem Imager bearbeiten. Die anderen bleiben, wie sie sind. Dadurch wirkt der Klang breit und einhüllend, ohne dabei Energie zu verlieren und aus dem Fokus der Hörer zu fallen.

Tipp 9: Neues ausprobieren
Auch wenn du schon eine Mix-Routine entwickelt und ein entsprechendes Template gebaut hast, ist es wichtig, ab und an die gewohnten Wege zu verlassen und neues auszuprobieren. Hierbei geht es schlicht darum, Erfahrungen zu sammeln und im Optimalfall den bestehenden Workflow zu ergänzen. Als Anregungen kannst du mal Top-Down-Mixing, Noise Mixing und Blind Mixing ausprobieren. Beim Top-Down-Mixing gehst du umgekehrt vor und arbeitest dich vom Mix-Bus zu den Einzelsignalen vor. Beim Noise Mixing erstellst du ein Pink Noise mit einem Pegel von -10 dBFS. Anschließend hebst du jedes Signal an, bis du es durch den Rauschteppich hörst und senkst es dann wieder soweit ab, bis du es gerade so nicht mehr hörst. Das Resultat sollte ein ausbalancierter Mix sein. Beim Blind Mixing versuchst du, alle visuellen Anzeigen auszuschalten und allein auf dein Gehör zu vertrauen – klingt logisch, ist aber insbesondere in der digitalen Domäne gar nicht so einfach.
Tipp 10: Konstante Abhörlautstärke
Eine konstante Abhörposition und -lautstärke sind Schlüsselelemente für eine neutrale Mix-Beurteilung.
Um einen Mix objektiv beurteilen zu können, ist es wichtig, eine Abhörlautstärke festzulegen – das trifft sowohl auf Monitore als auch Kopfhörer zu. Nur bei gleichbleibender Lautstärke kannst du Vergleiche zu Referenzen ziehen. Außerdem wirst du beim Mischen automatisch die Pegel deiner Spuren passend einstellen und bestenfalls mit einem Mix ins Mastering gehen, der 5-7 dB Headroom lässt. Die Abhörlautstärke sollte so gewählt sein, dass du auch über lange Zeiträume problemlos damit arbeiten kannst; also weder zu laut, noch zu leise. Setze dir an deinem Interface und/oder Monitor-Controller entsprechende Markierungen oder mache ein Foto der Einstellungen als Back-up.