News

DJ-Interview: Cinthie

Das Mixmag bezeichnete Cinthie als ein “Eine-Frau-Dance-Music-Imperium”. Für andere ist sie schlicht eine der aktuell besten House-DJs. Tobias Fischer sprach mit ihr über ihre frühen Produktionen, die Freude am Schnacken beim Mixen und die Vorzüge von Toastbrot unter den Turntables.

Anzeige

Beat / Du hast sehr früh mit dem Auflegen angefangen. War das DJing so etwas wie ein Traum für dich?

Cinthie / Für mich war es immer ein Hobby. Ich wollte nie davon leben oder es als Beruf ausüben. DJing war für mich die beste Zeit, in der ich mal abschalten konnte, einfach mal über nix nachdenken musste. Ab circa 1999 hatte ich das Glück, im Humpty, einem Plattenladen in Saarbrücken, arbeiten zu dürfen. Ich denke, das hat mich sehr geprägt, was Musik angeht. Ich hatte dann sehr früh eine Club-Residency im Flash bei Frankfurt. Das war super, wobei ich sagen musste, dass mich zu der Zeit fast keiner ernst genommen hat. Ich war ja erst 17/18 und eher schüchtern. Nach dem Flash und dem Abi bin ich dann schnell nach Berlin und hab dort hauptsächlich für die Crew um Westbam herum aufgelegt. Durch ihn hatte ich auch meine ersten Auslandsgigs auf der Electric Kingdom Tour.

Beat / In dieser Zeit hast du mit dem Produzieren angefangen. Das Projekt hieß Vinyl Princess und du hast dafür mit Adrian Misiewicz und Uwe Dockhorn gearbeitet.

Cinthie / Oh ja, Das war spannend. Ich hab mit knapp 18 Jahren angefangen - auf meinem alten Atari und Cubase 2.0 in Schwarz-Weiss. Leider waren die Tracks alles andere als gut produziert. Adrian und Uwe hatten ein super Studio und haben mir geholfen, die Tracks “tight” zu machen. Seitdem habe ich viel über Rhythmus und Groove gelernt. Mit meinem neuen Projekt 803 Crystal Grooves bin ich endlich frei und kann machen, was ich will: Disco, House, Chicago House, Rave. Heute habe ich sogar einen Footwork-Track gemacht, einfach, weil ich Bock drauf hatte. Allerdings ware es ein Remix, mal sehen, ob sie den nehmen

Beat / Wie fällt für dich der Vergleich zwischen Frankfurt in den 90ern und Berlin in den 00ern aus?

Cinthie / Ich fand beides gleich exzessiv. Berlin fast noch ein bisschen mehr, weil es keine Sperrstunde gab. Für mich ist und bleibt Berlin immer noch ein großer Spielplatz für Erwachsene. Wobei die Musik in den 00-Jahren dort teilweise echt furchtbar war. Da mochte ich das Dreckige aus Frankfurt mehr.

Beat / Du gilst als großer Vinyl-Fan. Wie stehst du zu dem ganzen Kult, der darum betrieben wird, von Reinigungslösungen über Isolations-Füße bis hin zu Vinyl-Gewichten?

Cinthie / Ehrlich gesagt denke ich, dass es das Zeug auch nicht besser macht. Entweder kann man mixen oder nicht. Alles andere ist Schnickschnack. Ein Beispiel: In den 90ern war es teilweise richtig schlimm mit Rückkopplungen. Aber man war erfinderisch. Schnell zur Tanke, ein bisschen Toast geholt und unter die Turntables gesteckt - schon war die Rückkopplung weg. Ich mag allerdings Vinyl-Gewichte. Dadurch, dass ich auch viele ältere Scheiben spiele, die gerade mal 90 Gramm wiegen, sausen die beim Pitchen immer davon. Mit den Gewichten sind sie stabiler.

Beat / Als du mit dem Auflegen angefangen hast, ging es mit Serato und Final Scratch gerade los. Warum hat dich das nicht gereizt?

Cinthie / Ich war während des Studiums in einem kleine Team, in dem Final Scratch getestet wurde und es ist meistens abgestürzt. Da dachte ich, ich lass es lieber. Es war eh zu stressig mit dem Computer und dem ganzen Anstöpseln. Ich mochte es lieber, in den Plattenladen zu gehen und Freunde zu treffen, als zuhause Webseiten nach Tracks zu durchforsten. Mit Vinyl auflegen hat einen ganz anderen Vibe für mich. Es ist viel offener und ich hab immer noch Zeit für einen kurzen Schnack mit Leuten zwischen dem Mixen.

Beat / Ist es nicht interessant, live in die Arrangements hineingehen zu können?

Cinthie / Manche DJs denken, man muss einem Track, der eh schon voll mit Effekten ist, noch mehr Effekte hinzufügen. Für mich aber ist weniger mehr. Lasst die Leute doch mal tanzen.

Beat / Deine Sets haben auch nicht so diese extremen Gipfel und Täler.

Cinthie / Ich fange eher mit groovigen, reduzierten Tracks an und schaukel mich dann langsam hoch. Bis zu dreckigem Chicago-House oder sogar Techno-Tracks. Mir geht es eher um Groove und Rhythmus, etwa so wie Urvölker ihre Stammestänze vollziehen. Die tanzen sich durch den wiederkehrenden Groove in Trance. Ich bin absolut kein Fan von High-Hat- oder Snare-Gewitter.

Beat / Was macht für dich einen guten Übergang zwischen zwei Stücken aus?

Cinthie / Oh, das ist spannend. Am besten ist es, wenn zwei Elemente sich ergänzen. Das kann ein Vocal-Fetzen von Platte 1 und ein Chord von Platte 2 sein. Da sind schon öfter schöne Übergänge entstanden, bei denen mich die Leute fragten: Hey, was war das für ein Remix von Track XY? Und ich meinte nur: Gar keiner, das waren einfach Platte X und Platte Y zusammen. Außerdem sollte das Mixen einen gewissen Drive haben. Man sollte nicht bis zum allerletzten Moment warten, bis nur noch Kick und Clap laufen. Dann ist der Schwung weg. Daher sollte man seine Platten immer sehr gut kennen.

Beat / Wenn man sie gut kennt, kann man fast alles spielen. So wie Emmanuel Tops „Spherique“, mit dem du dein Boiler-Room-Set beendet hast. So einen Acid-Track hätte man da nicht erwartet. Aber er passt ganz hervorragend.

Cinthie / Als ich den beim Durchgucken in meiner Sammlung wieder entdeckt habe, dachte ich mir direkt: Okay, den spielste das nächste mal beim Boiler Room. Ich mag die Stimmung im Track, vor allem an der Stelle, an der man denkt: Jetzt ist die Platte zu Ende. Und dann geht die Nummer nochmal richtig los mit der Acid-Line. Besser konnte man’s nicht machen.

Beat / Unter dem Elevate-Namen verbindest du mehrere Labels und Künstler. Es gibt sogar einen kleinen Store in Berlin. Was bedeutet es dir, dass man deine Musik vor Ort anfassen, anhören und kaufen kann?

Cinthie / Es bedeutet mir sehr viel. Ich liebe es, mit Leuten zu kommunizieren und ich denke, es hat sich mittlerweile auch herumgesprochen, dass ich immer ein offenes Ohr habe. Für die Fans oder Kunden ist es immer schön, wenn sie mich persönlich im Laden antreffen. Dann wird noch schnell ein Foto gemacht oder eine Platte unterschrieben. Das ist irgendwie süß, weil ich ja kein Popstar bin. Letzten Endes geht es darum, dass die Leute eine schöne Erinnerung mit nach Hause nehmen. Sei es bei nem Gig oder halt bei mir im Laden.

elevate.berlin

www.facebook.com/CinthieBM/

Mehr zum Thema
Anzeige