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Porträt: Butch

Bülent Gürler, aka Butch, gelingt seit seinem Über-Track „No Worries“ auf dem renommierten Cécille Records Hit um Hit. Seine Diskografie wächst, der Booking-Kalender ist seit einigen Jahren europaweit prall gefüllt und die Liste seiner Kollaborationen schmücken nicht zuletzt Tracks mit dem vermeintlichen Halbgott Ricardo Villalobos. Butch kocht zwar auch „nur mit Wasser“, weiß aber eben, wie man die Soundsuppe perfekt brodeln lässt.

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Butch hat für den Sommer 2014 sein kommendes Album mehr als im Kasten. Aus annähernd zwei Dutzend neuer Tracks kann er in aller Ruhe die Trackliste zusammenstellen. Musik zum Zuhören steht auf dem Menü, aber garantiert kein reines Club-Album. Das Label, auf dem sein drittes Artist-Album erscheinen wird, ist dabei noch in der Diskussion. Und vermutlich kann er es sich ebenso beruhigt aussuchen. Die Liste der heißen, vornehmlich noch immer mit Vinyl operierenden Imprints, auf denen Butch erschien, ist lang genug, um entspannt vorzugehen: Desolat, Cécille, Visionquest, Hot Creations oder Rekids gelten ausnahmslos als coole Labels, nach denen sich jeder Producer die Finger leckt. Nach solider Aufwärmphase als Producer und Resident-DJ in der Mainzer Heimat steht Butchs Karriere längst auf Beschleunigung. Spätestens seit 2010: Da wurde das erwähnte „No Worries“ bei den alljährlichen Ibiza DJ Awards 2010 zum „Best Track Of The Season“ gewählt. Der positiv tanzbare „Sound of Mainz“ von Gürler, wie der des von ihm mitbetriebenen „bouq.“-Labels, setzte sich 2010 Tanzflächendeckend durch. Dabei kam Butch seinerzeit mit der Vorgeschichte aus minimalen Techno- Tracks ebenso ums Eck wie mit House, Disco, Jazz und weiteren Sound-Signaturen. Was war noch das Geheimnis des gut geölten Loop-Werks „No Worries“? Selbst Butch kann mir die Frage nicht valide beantworten: „Damals habe ich bei Cécille Records meine Tracks abgegeben. Die waren mit Nick Curly, Robert Dietz und weiteren Stars auf der Release-Liste sehr gut im Rennen, und ich dachte eher, eventuell nicht so gut abzuschneiden mit der EP. Der Riesen-Erfolg des Tracks ist mir bis heute ein Rätsel.“ Sein schelmisches Lachen verrät nicht etwa, dass er hier einen Schwank auftischt. „No Worries“ war einfach mal der unerwartete Hit einfacher Bauweise. Ein fetter Groove und ein hypnotisches Sample zogen dabei die Wurst komplett vom Brot und über den Tellerrand hinaus – in Plattentaschen weltweit. Zu funktional plus ansteckend und somit zu unumgänglich war der Track.

Aus mit Sample-Packs!

Dass auf der Nummer ein Vocal-Sample aus dem im House vielleicht meistgesampelten Disco-Original „First Choice – Let No Man Put Asunder“ genutzt wird, weiß fast jeder. Ein Original, das schon Frankie Knuckles (R.I.P.) remixte, das mehrfach House-Geschichte schrieb und daneben auch auf unzähligen Hip-Hop- und Drum-n-Bass-Scheiben zerfleddert wurde. Tatsächlich gewann Butch dem aus der einfachsten Sample-Library zugängigen Acapella erneut etwas Frisches ab. Oft ist es seitdem nicht mehr die Frage, was gesampelt wird, sondern wie. Wobei: Sein 2008er-Debüt-Album „Papillon“ hielt er nach eigener Aussage „sampelfrei“! Die Jahre nach 2010 gehörten im House schlagartig in etwa dem Blueprint der Tool-Tracks à la „No Worries“. Heute ist damit für Butch deutlich Zeit, sich von der Erfolgsformel abzuwenden. „Für mich hat es sich schon eine Weile „ausgesamplepackt“. Mittlerweile samplen Leute mich nach, und nachdem beim zweiten Album alles irgendwo wieder bei anderen Producern auftauchte, hab ich gewusst, dass es Zeit für etwas ganz Neues ist. Mit Sebstian Hohberg starte ich das Label Otherside, das Musik bieten will für Leute, die den „Mindtrip“ suchen!“ Seine große Bandbreite an musikalischen Einflüssen will er jetzt völlig konsequent ausleben, schließlich gab es bei ihm schon immer mehr als eine Rezeptur. Mit Studio- und Techno-Legende Thomas P. Heckmann haut er dunklen Techno raus, im Studio höre ich neue, verraucht jazzige Tracks von ihm und C. Vogt und mit Ricardo Villalobos lieferte Butch 2013 eine EP ab, die jeden Club mit „Up“ aufs Herrlichste malträtierte; ein Track, vermeintlich ohne Kick-Drum, dafür mit heftigst auf- und abschwellenden Acid-Gewittern. „Ja, das denkst du aber auch nur, dass da keine Kick ist“, freut er sich, „tatsächlich haben wir da schon ein paar Tricks angewandt“. Seine weitläufige Inspiration steht ihm „manchmal aber auch ein Stück weit im Wege. Wenn du heute verkaufen willst, müssen deine Tracks funkti onal sein oder klingen wie die aktuellen Top 10 bei Beatport. Heute ist es ja fast eher ärgerlich, etwas ohne bekanntes Sample rauszubringen, weil eben nur noch das funktioniert“. Wir dürfen Butch beruhigen, den engen Kopisten-Kosmos hat er lange verlassen.

Kleinarbeit mit großem Effekt!

Butch kommt mit vergleichsweise einfachen Mitteln ans Ziel, was die Produktionsweise in seinem Studio angeht. Zog die Komplexität und Detailverliebtheit seiner letzten Releases an, bin ich erstaunt über die überschaubaren Tools, die er sich zunutzemacht, und komme so erst mal weiter nicht hinter das Geheimnis der ein ums andere Mal fesselnden Butch-Tracks. „Das hier ist mein Ghetto-Setup“, lacht er unter dem spitzbübischen Schnurrbart hervor. „Einmal MPC, einmal Turntable, einmal Mixer – und Gesichtscreme“. Letztere liegt eben noch auf dem Mischpult und ist in dem Moment, wo ich das Traum-Setup per Foto verewigen will, auch schon wieder weg. Egal, wir reden über die MPC, die Butch absolut heilig ist. Aus der klassischen Akai MPC 3000 kommen maßgeblich seine Drums. „Ich nehme alles in längeren Sessions auf, schneide später Sachen zusammen, die ich dann wieder einlade. Das Ganze wird dann geswingt oder eben mal nicht, und geht dann erst zurück in den Computer. Wegen der eher geringen Soundqualität klingt es aber dann schon fetter, durch den niedrigen Höhenanteil kann ich mehr Mittendruck geben, und so weiter und so fort …“ Im Rechner nutz Butch unter anderem gerne XLN Audios „Addictive Drums“, um den Beats weiter seinen Trademark Flavour beim Effektieren zu geben. So weit, so unspektakulär, wenngleich sich mancher nicht mal die Arbeitsschritte an der MPC machen möchte. Für Butch geht im Anschluss an die Beat-Session die spannende Arbeit los. In der Elektronik ist „ein gutes Arrangement das Wichtigste!“ Arrangement heißt bei ihm vor allem: Automation! Das wird im Studio schnell klar, entfaltet im Club sein Wesen aber eher tiefenpsychologisch und subtil. Wir hören, sehen aber vornehmlich durch ein paar seiner Produktionen, die linear wie gleichsam hypnotisch zu fließen scheinen. Beim genaueren Betrachten wird klar, welche Arbeit in jedem Track steckt, und wie sehr diese die Hörer und Tänzer fesselt. Bei Butch rasseln gerne mal 30 bis 40 Spuren auf Tracks, die nach 8 bis 10 Spuren wirken. „Bei mir ist immer alles automatisiert, sogar die Kick. Manche Leute können so gut mischen, dass sie nichts mehr automatisieren müssen. Ich bin eher der Typ, der alles kontrollieren muss, dann kann sich auch alles bewegen, alles fließt“. Womit er recht hat, und der Fluss seiner clubbigen Tracks, die ihn berühmt gemacht haben, ist wirklich fehlerlos. Dass er für das nächste Album die Devise vom „endlosen Ibiza-Urlaub“ ausgibt, klingt auch nach positiven Vibes und Musik im Fluss. „Club- Tracks habe ich jetzt genug rausgebracht.“

Gedoppelt zum Gefühl

Club-Tracks sind einerseits schnell gemacht, andererseits wird an ihre Funktionalität heute zwischen unfassbaren Sub- Bässen und mitreißenden Sweep-Effekten eine hohe Messlatte angelegt. Butch meistert sie. Fragt sich, wie schafft er das nur, ein ums andere Mal so viel Euphorie zu erzeugen? Der Teufel steckt mal wieder im Detail, und um das kümmert sich Butch – gleich bei welcher Art Track – mit Akribie. Zwar gibt es keine Freakshow in puncto Gerätepark und Equipment in seinem Studio zu bestaunen, dafür sind seine Tipps in Sachen Producing, Arrangements und Effektierung umso essenzieller. Jetzt, wo er demnächst sein Chamäleon- haftes Künstlerwesen mit dem „Otherside“-Label befriedigen will, geht sein Sound deutlich in Richtung Vintage. „Die Kicks werden härter“, und die erwähnte MPC-Nutzung ist dabei nur ein Baustein im Werkkasten. „Ich habe heute fast immer eine Spur mit Rauschen an Bord. Über den ganzen Track automatisiert. Heutzutage wird alles viel zu clean produziert!“ Das vermeintlich Unsaubere gibt den Tracks Tiefe, Leben, Seele – wie auch immer man das nennen will. „Mit Kassettenaufnahmen kann man Tracks auch gut eine extra Portion Leben einhauchen. Neben den ganzen Automationen doppele ich auch gerne die Spuren, nutze beispielsweise die Originalspur und ihre effektierte Spur auf separaten Kanälen, wodurch ich viel spannender arrangieren kann. Der Sound wird dadurch auch viel dichter.“ Lange Aufnahmesessions, etwa am Moog Voyager-Synthie, ermöglichen ihm darüber hinaus, den Loop-Kosmos zu verlassen. Auf der Software-Ebene sucht er nach Plug-ins, die „nach mir klingen. Später benutzen das neue heiße Plug-in eh alle.“ Dem anhaltenden Retro-Trend, bei dem gerne versucht wird, digital erzeugte Tracks, wie mit ungenau arbeitenden Vintage- Geräten alt klingen zu lassen, erliegt Butch nicht: „Wir brauchen Musik, die neu ist und nicht Musik, die es schon vor 20 Jahren gab. Es ist eh besser, eigen zu klingen.“ Und so schwer das auch für jeden Produzenten sein mag, Butch ist ein gutes Beispiel dafür, dass der eigene Style eben nur dann entsteht, wenn man gar nicht erst versucht, etwas toll zu kopieren. In seinem Sinne: ein wenig mehr Mut und Umsetzungs- Wut da draußen, bitte. Und „No Worries!“

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