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Len Faki – Im Interview zum neuen Album der Techno-Ikone

Seit einem Vierteljahrhundert ist Len Faki ein zentraler Teil der Techno-Kultur – als DJ, Produzent und, mit Figure, Gründer eines der langlebigsten Labels der Szene. Auf seinem Debüt-Album „Fusion“ spiegelt sich seine bis heute andauernde Leidenschaft für elektronische Musik. Das epische Werk umfasst 24 Tracks und geht weit über den puristischen Techno hinaus, den Viele mit Faki assoziieren. „Fusion“ ist ein Wagnis und ein Experiment – und eine der Veröffentlichungen dieses Jahres, die das Potential zum Klassiker haben.

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Beat / Was macht für dich nach so vielen Jahren als DJ, Produzent und Label-Gründer einen Club-Track gut? Immer wieder scheint es, als seien zwei Stücke nahezu identisch – und trotzdem ist das eine packend, während einen das andere nahezu kalt lässt.

Len Faki / Das ist in der Tat eine sehr interessante Frage! Klar gibt es Stücke wo man schon weiß, dass die Reaktionen magisch sein werden. Aber es gibt auch immer wieder welche, die beim ersten Mal spielen viel mehr bewegen als ich erwartet hätte. Es gab Zeiten da hätte ich gesagt, es liegt am Klang und dass es schon einen Unterschied macht, ob die immer on Point sind auf jeder PA. Aber dann kommt diese simple und nicht viel mehr als solide produzierte Nummer und räumt trotzdem auch alles ab... ist klar die Ausnahme, aber es gibt sie. Um so mehr es nur um Nuancen und Details geht, wird es ein Rätsel bleiben.

Beat / Um das Album herum sind Begriffe gefallen wie „experimentieren“ und „DNA“. Begriffe aus der Wissenschaft. Was waren für „DNA“ Experimente, die du durchgeführt hast?

Len Faki / Im Bereich Hardware dominieren Sequenzer schon sehr lange und ich mag deren Ansatz für die Programmierung von Patterns. Die vielen Max4Live-Sequenzer waren etwas, womit ich mich schon seit so langem intensiv beschäftigen wollte und wozu ich nun endlich die Gelegenheit hatte. Das war richtig erfrischend. Vor allem vom MDD Snake bin ich ein totaler Fan geworden. Er basiert auf dem Eurorack-Modul René von Make Noise und bietet einen schönen analogen Workflow für das Sequenzieren von Patterns in Live. Daraus entstanden einiges was auf „Fusion“ zu finden ist.

„Probability“ hat mich als Thema ebenfalls tiefgehend beschäftigt. Ich finde es total spannend was daraus entsteht, wenn man es kontrolliert und bewusst einsetzt. Sei es im Sequencing oder eben auch durch kontrollierte Modulationen von Parametern. Im Verbund mit anderen MIDI-Effekten können auch hier ganz wilde und unerwartete Rhythmen entstehen.

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Beat / Mir fallen auf dem Album immer wieder Sounds und Ideen auf, die Bezug nehmen auf die Vergangenheit, sie aber aus einem modernen Blickwinkel interpretieren. Wie bist du das angegangen?

Len Faki / Ich habe vor einigen Jahren meine ganze Hardware verkauft und mich entschlossen, fortan nur noch „in the box“ zu arbeiten. Das fand ich zu der Zeit sehr befreiend. Erst mit „Fusion“ kam wieder der Wunsch auf, einige Hardware-Einflüsse mit einzubeziehen. Arthur Robert, der schon einige tolle EPs auf meinem Label Figure released hat, stand mir dabei zur Hilfe. So kamen vor allen Dingen der Moog One und der Prophet 6 zum Einsatz und einiges von Digitone. Einer meiner ersten Synths war der Jupiter-8, dem ich doch ab und an nachtrauere – ich hoffe, meiner von damals ist weiterhin in guten Händen. Den wollte ich unbedingt, wohl aus nostalgischen Gründen mit einbeziehen und hab mir einen bei einem lieben Freund ausgeliehen.

Beat / Wie sah es in Sachen Software aus?

Len Faki / Ich bin ein großer Fan der Arturia Collection. Besonders der Oberheim SEM ist ein geiles Teil und wir sind richtig dicke geworden über dem Albumprozess. Die Roland Cloud war auch ein großer und wichtiger Bestandteil sowie Abletons eigene Klangerzeuger Operator und der Wavetable, mit denen ich auch sehr gerne und viel gearbeitet habe. Von Native Instruments kam vor allem der FM8 einige Male zum Einsatz.

Bei den Audio-Effekt-Rack-Ketten in Ableton finde ich es super spannend, wie weit man es da beim Sounddesign und bei Modulationen treiben und ausreizen kann. Das kann ich gar nicht in ein paar Sätzen zusammenfassen. Gefühlt ist das ein ganzes Universum an Möglichkeiten und es hat so viel Spaß gemacht, mich phasenweise immer wieder für Tage und Nächte darin zu verlieren, dabei an den Racks zu basteln und unglaublich viel dazu zu lernen. Das sind super schöne Erinnerungen. (lach).

>> Noch nie wurden die Ausdrucksformen des Menschen so stark durch Maschinen erzeugt wie heute. <<

Beat / Gab es in Sachen Produktion ein Aha-Erlebnis?

Len Faki / Ja, und zwar mit einer einfachen Methode, die bis heute durchaus Spaß machen kann. Man nehme eine zwei oder viertaktige Drumloops und setze 10 mal den gleichen Clip auf eine Spur. Dann ändert man in jedem Clip die Loop Startpunkte etwas und gibt nach Wunsch unterschiedliche Follow-Actions ein. Noch schnell einen einfachen Beat-Repeater auf den Kanal und schon gewinntr man aus einer statischen Drumloop Vielfalt und gegebenfalls neue Ideen. Und dazu benötigt man kein einziges externes Gerät oder Plug-in. Durch die zusätzliche Einbindung der Max4Live-Devices entsteht ein großer, vielfältiger Raum. Wenn ich das so sagen darf: Da gibt’s richtig abgefahrenen, hochwertigen Scheiß, dem man mehr Beachtung schenken kann.

Beat / Kannst du etwas zu der Produktion von “Liyah” sagen? Das ist für mich ein absolutes Highlight des Albums.

Len Faki / Vielen Dank! Das freut mich ungemein, da dieses Stück auch mir sehr ans Herz gewachsen ist. Die Grundidee entstand daraus, dass ich unbedingt eine Downbeat-Nummer haben wollte, mit klassischen TR-808 Drums. Davon bin ich ein wirklich großer Fan. Ich finde die 808 einfach sexy. Den Trend mit verzerrten 808-Sounds die als Kick oder als Bassline dienen, wollte ich ganz klar vermeiden. Die Beats sollten clean aber dennoch fett klin- gen, ohne zu dominant zu werden.

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Beat / Du kombinierst in dem Track analoge und digitale Instrumente?

Len Faki / Ja, und das macht diese gewisse Magie die diesem Stück innewohnt aus. So ist zum Beispiel der Pad-Sound vom Jupiter-8 in meinen Augen ein Meisterstück, was einen klassischen subtraktiven Synth angeht. Ich mag die durchsetzungsstarke, harsche Stärke der Pad Sounds, die aber trotzdem immer einen gewissen Charme und Wärme in sich tragen, ohne auszuufern. Im Gegensatz dazu steht die mittige Bassline-Sequenz von NI‘s FM8, die in einem 3er-Rack gelayert wurde und nach und nach über zwei Oktaven die Sequence spielt. Ich würde diese beiden Instrumente nicht unbedingt als klassisches Paar ansehen. Eher im Gegenteil aus unterschiedlichen Welten kommend, aber hier in dieser speziellen Kombination haben sie einfach toll harmoniert.

Dann noch die 303 mit allen möglichen Effekten wie einem Pitch Reverb. Also alles in allem für mich eine eher exotische Kombo die, aber gefühlt wie ein Symphonieorchester super miteinander harmoniert. Ach so, die Synth Sequence am Schluss kommt von der TAL Bassline 101 eine wirklich gelungene SH- 101 Emulation.

Beat / Wie stellst du dir das Hörerlebnis für „Fusion“ vor – in vielen kleinen Häppchen oder als ein tiefes Eintauchen?

Len Faki / Über ein tiefes Eintauchen würde ich mich sehr freuen! Halte ich aber für etwas unrealistisch oder nur Wenigen vorbehalten in einer Zeit, in der die Aufmerksamkeitsspanne so kurz geworden ist und Musik auch ganz anders konsumiert wird. Ich würde mir wünschen, dass wieder mehr Menschen wirklich Zeit mit Musik verbringen, sich auf sie einlassen, von ihr treiben und inspirieren lassen. Ein deutliches Beispiel dafür finde ich, ist von den clubigen Stücken „Gamma“.

Beat / Das ist so ein Track, der geht extrem nach vorne, hat aber auch viele Elemente, die einen beim konzentrierten Hören gefangen nehmen.

Len Faki / Der Synth-Stab wurde zuerst abgesampelt und dann habe ich ihm mit Effekten, wie einem Chorus, mehr Breite gegeben. Das war mir aber viel zu statisch und auf die Dauer ein gewöhnliches Delay wäre mir hier auch zu eintönig gewesen. Ich wollte, dass dieser Sound in Bewegung bleibt. In Ableton Live habe ich mir einen Rack gebaut mit zehn verschiedenen Delays wie dem hauseigenen, Max4Live-basierten Gated Delay oder NI‘s Replika XT und habe in jedem Effekt verschiedene Parameter mit verschiedenen Modulationsquellen wie LFO oder Dillon Bastans Strange MOD moduliert. Die Effekte im Rack wurden wiederum per Chain Selector mit einem LFO moduliert. Das habe ich vielleicht 15 Minuten aufgenommen und die besten Passagen ausgesucht. Da entstanden tolle, wirre Delay-Verläufe, die kein Mensch jemals so programmiert oder automatisiert bekommen hätte.

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Beat / Elektronische Club-Musik ist durch viele Phasen gegangen und hat seine Bedeutung stets gewandelt. Wo siehst du die Rolle von Techno heute?

Len Faki / Alles ist im permanenten Wandel, Zeitereignisse und Erfahrungen werden reflektiv in Kunst und Kultur eingebunden. Als ich in die Techno-Community eintrat, fühlte ich mich aufgehoben und zugehörig, was für mich damals lebenswichtig war. Techno entwickelt für mich im Kern den gesellschaftlichen und sozialen Kontext der Zeit weiter. Erschafft oder bietet im gleichen Moment einen Ort der Freiheit und der Gleichberechtigung. Ein Ort mit Visionen und Werten, die es zu verteidigen gibt. Das gibt auch der Musikrichtung „Techno“ immer wieder neue Strömungen und Ausdrucksformen.

Die Musik ist im ständigen Kreislauf und Wandel der Modernisierung und des Zeitgeists. Auch wenn von Außen betrachtet das Rad scheinbar nicht neu erfunden wird, bewirken die subtilen Änderungen am Ende doch einen großen Unterschied. Noch nie wurden die Ausdrucksformen des Menschen so stark durch Maschinen erzeugt wie heute.

Das Debüt-Album "Fusion" von Len Faki findest du hier auf Bandcamp.

Len Faki ist auch 2023 wieder viel unterwegs. Hier sind seine nächsten Stationen...

  • SAT, 5 AUG – D8 In The Garden - Charlotte de Witte (Dublin)
  • WED, 9 AUG – Kręgi Taneczne x FEST Festival 2023 (Poland)
  • FRI, 11 AUG – SonneMondSterne (Jena)
  • SAT, 12 AUG – Loveland Festival 2023 | Weekend (Amsterdam Sloterpark)
  • SAT, 12 AUG – HIDE & Free Your Mind (Utrecht)
  • SUN, 13 AUG – Glitch Festival 2023 (Malta)
  • FRI, 18 AUG - Pukkelpop Festival (Belgium)
  • SAT, 19 AUG – Sommertag Festival (Rhineland)
  • SAT, 26 AUG – fabric: Karenn (Live) (London)
  • FRI, 29 SEP – Utopia Festival 2023 (Marseille)
  • FRI, 13 OCT – BÓNUSZ Electronic Music Festival 2023 (Budapest)
  • SAT, 21 OCT – 909 x Loveland (Amsterdam)

www.instagram.com/len_faki/ | www.figure-music.com

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