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Clubreport: Soju Bar Berlin

Wie viele Quadratmeter braucht es zum Glück? In der Berliner Mikro-Bar-Szene wird die Antwort auf diese Frage immer wieder neu verhandelt. Die Soju Bar beispielsweise bietet gerade einmal hundert Gästen Platz, öffnet dabei aber die Tür in eine fantastische Welt, in der koreanische Zitate auf köstliche Cocktails treffen – und in der man den Tanzflur nie verlassen kann.

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Los Angeles, 2019, ein Vergnügungsviertel in einer apokalypisch-utopischen Metropole. Blade Runner Rick Deckard ist auf der Suche nach Ablenkung. Von futuristischen Cocktails berauscht stolpert er durch eine von bis zur Unkenntlichkeit geschminkten Figuren bevölkerte Welt aus skurrilen Bars und Clubs, verwirrt von existenziellen Fragen und der Sehnsucht nach Nähe. Es ist eine ebenso mysteriöse wie attraktive Vision und ein wenig so, wie mancher sich wohl in der Fantasie eine Nacht in Seoul vorstellt – als unvergleichliche Mischung aus zuckerwattefarbener Fassade und hedonistischer Ausgelassenheit, den geschmacklichen Gegensätzen von unmenschlicher Schärfe und extremer Süße. Auch die Berliner Soju Bar, bei der Hyun Wanner seit einigen Monaten für Sound und Booking zuständig ist, passt mit seinem exotischen Flair und futuristischem Ambiente augenscheinlich optimal in dieses Raster. Doch sieht Wanner eher Unterschiede als Gemeinsamkeiten: „Die Koreaner saufen viel mehr, hören meistens ein bisschen schlechtere Musik, sind viel verrückter auf diese niedliche, unschuldig wirkende koreanische Art“, sagt er, „Und nachher tragen sich gegenseitig nachhause.“

Korea-Town in Kreuzberg

Hyun muss schmunzeln, aber er hat auch wirklich gut Lachen. Denn in nur zwei Jahren hat er an der Skalitzer Straße in Kreuzberg, unweit des Knotenpunktes Görlitzer Platz, eine Art Miniatur-Korea-Town aufgebaut. Zuerst gab es das Kimchi Princess, das möglicherweise erste Restaurant der Hauptstadt, in dem wirklich original koreanisches Essen serviert wird. Herrlich dampfende Anjus (kleine Vorspeisen), direkt am Tisch zubereitetes koreanisches Barbeque sowie eine Vielzahl traditioneller Gerichte wie Jeongol oder Bibimpap. Weil der Erfolg des Kimchi Princess zum eigenen Untergang zu werden drohte – lange Wartezeiten auf einen Tisch machen einen spontanen Besuch schwierig – gründeten Hyun und seine Partnerin Young-Mi Park kurz danach das Angry Chicken, bei dem es einige der feurigsten und besten Gerichte der Kimchi-Speisekarte direkt auf die Hand gab.

Neben diesen beiden sorgfältig geplanten Unternehmungen war die Soju Bar dann eher ein Zufallsprodukt. Als das neben den Restaurants gelegene Reisebüro verlauten ließ, man wolle umziehen, übernahm das Duo, zu dem sich seit einem halben Jahr auch noch Andrea Volpato gesellt hat, den Laden, ohne eine allzu genaue Vorstellung davon zu haben, welches Projekt damit zu verbinden sei. Die ursprüngliche Idee einer typisch koreanische Bar, bei der man auch noch delikate Häppchen serviert bekommt, wurde wegen allzu intensiver Gerüche aufgegeben und schließlich durch eine Lösung ersetzt, bei der zwei scheinbar unvereinbare Konzepte aufeinander prallen: eine entspannte Cocktailbar und ein bis in die frühen Morgenstunden geöffneter Dancefloor. Es ist diese Gleichzeitigkeit von entspannter Atmosphäre und der Ekstase der Club-Kultur, die die Soju Bar so einzigartig macht und ihr in der kurzen Zeit ihres Bestehens ein so unverwechselbares Profil bereitet hat.

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