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Test: ASM Hydrasynth – Der Überraschungs-Synthesizer

Eine der interessantesten Synthesizer-Neuvorstellungen war 2019 wohl der Hydrasynth. Der komplexe Digitalsynthesizer ist ein beachtenswertes Debüt für die bisher unbekannte Firma Ashun Sound Machines (oder kurz: ASM). Hinter ASM steckt mit Glen Darcey allerdings ein erfahrener Entwickler, der bereits maßgeblich an Synthesizern von Arturia und Akai beteiligt war.

Hydrasynth erzeugt bis zu acht Stimmen mit einer Wavemorphing-Synthese, quasi einer Mischung aus Wavetable- und Vector-Klangerzeugung. Die ersten beiden Oszillatoren können zwischen bis zu acht Wellenformen überblenden, wählbar aus einem Arsenal von 219 Waves. Das Ergebnis kann mit Optionen wie Sync, PWM und Wavestack weiter mutieren, per subtraktiver Synthese mit zwei Filtern bearbeitet und anschließend mit Effekten veredelt werden.

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Polyphoner Aftertouch für expressives Spiel

Edel ist auch ein gutes Stichwort zum Einstieg in den Test. Denn der Hydrasynth kommt im schicken und robusten, sauber verarbeiteten Gehäuse mit Metallseiten im Stile des Roland Jupiter 6/8 und bringt auch einiges an Gewicht auf die Waage. Die Regler sind schön groß gehalten und bieten eine gute Haptik. Hydrasynth ist als Keyboard oder Desktop erhältlich. Die Klangerzeugung ist bei beiden Synthesizern identisch, weshalb auf den ersten Blick der relativ große Preisunterschied verwundert. Allerdings wurde bei der Keyboard-Version nicht einfach nur eine Standardtastatur angehängt, sondern das anschlagdynamische 49 Tasten Keyboard verfügt über das hauseigene, komplett neu entwickelte Polytouch-Keybed mit polyphonem (!) Aftertouch für jede einzelne der 8 Stimmen. Bei einem gehaltenen Akkord lässt sich damit z. B. nur bei einer oder zwei Note ein Vibrato einblenden oder das Filter öffnen.

Keyboard mit Ribbon-Controller oder Desktop mit Pads

Zudem ist die Keyboard-Version mit einem langen Ribbon-Controller ausgestattet, der sowohl zur Modulation als auch zum Spielen im Theremin-Stil über vier Oktaven genutzt werden kann. Und sechs zusätzliche Regler in den Bereichen Filter und Arpeggiator bieten erweiterten Direktzugriff.

Aber auch die kompaktere und deutlich günstigere Desktop-Version kann ohne externes Keyboard gespielt werden. Denn sie besitzt 24 mehrfarbig beleuchtete RGB-Pads, die ebenfalls Anschlagdynamik und polyphonen Aftertouch unterstützen. Im Stile von Pad-Controllern wie Ableton Push lassen sich die Pads nicht nur chromatisch den Noten zuordnen, sondern es können verschiedene Tonleitern ausgewählt werden, um „schiefe“ Töne zu verhindern. Der Grundton wird dabei farbig markiert.

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USB, MIDI und CV/Gate-Anschlüsse

Auf der platzsparend versenkten Anschlussleiste auf der Rückseite gibt es MIDI als klassisches Trio (In/Out/Thru) und via USB. Vielleicht gibt es ja später einmal auch die Möglichkeit, über USB eigene Wellenformen in den Speicher einzuspeisen. Technisch dürfte dies per Firmware-Update machbar sein. Zwei Pedaleingänge sowie der Stereoausgang sind hier ebenfalls platziert.

Auf der Oberseite gibt es noch zwei CV-Eingänge sowie vier CV-Ausgänge (CV/Gate, Mod 1/2 sowie Clock), über die Sie analoges Equipment ansteuern und Steuerspannungen mit in die Modulationsmatrix einbinden können. Hydrasynth arbeitet dabei sowohl mit 1 Volt pro Oktave als auch mit dem Hz/Volt Standard, den z. B. der Korg MS20 und dessen Nachbauten verwenden.

Flüssige Bedienung trotz komplexer Möglichkeiten

Aufgrund der komplexen Möglichkeiten bietet Hydrasynth jede Menge Klangparameter, die eingestellt werden wollen. Dennoch erlaubt das durchdachte Bedienkonzept eine direkte Soundprogrammierung ohne großes Menü-Diving. 26 beleuchtete Taster dienen zur Auswahl einzelner Module wie Oszillator 1, Filter 2 oder LFO 3. Diese Taster sind entsprechend des Signalflusses angeordnet, dadurch ist das passende Modul schnell gefunden. Wenn Sie auf einen Taster drücken, werden bis zu 8 Parameter des Moduls (z. B. Filtertyp, Frequenz, Resonanz, Keytracking etc. beim Filtermodul) auf dem großen, gestochen scharfen und aus jedem Blickwinkel ablesbaren OLED-Display angezeigt. Diese Parameter können Sie dann mit den acht das Display flankierenden Tastern oder Reglern anpassen. Es handelt sich um Endlosregler mit LED-Kränzen, die beim Umschalten von Modulen automatisch auf den passenden Wert springen. Die Bedienung erinnert an den Ensoniq ESQ1, der nicht ohne Grund als einer der am Besten zu programmierenden Digitalsynthesizer der damaligen Ära gilt. Und auch beim Oberheim Xpander wurde ein ähnlicher Ansatz gewählt.

Visuelles Feedback, grafikfähiges Display

Praktischerweise zeigen die LEDs in den Modul-Tasten auch die Aktivität an, beispielsweise den Hüllkurvenverlauf oder die LFO-Frequenz durch entsprechendes Blinken. So erfassen Sie auf einen Blick, welcher Modulator gerade in welcher Phase aktiv ist.

Als Ergänzung zu den acht Reglern und Tastern ober- und unterhalb des Displays gibt es noch einen großen „Superknob“ mit Farbkranz sowie ein weiteres Display, das Wellenformen, Hüllkurven und Frequenzverläufe in Echtzeit visualisieren kann und besonders bei komplexeren Waveshapes sehr hilfreich ist. Weitere 13 Regler (7 beim Desktop) bieten bei der Live-Performance direkten Zugriff auf Filter und Arpeggiator.

Über 200 morphbare Wellenformen

Drei Oszillatoren stehen pro Stimme zur Verfügung. Wavemorphing und Mutatoren gibt es allerdings nur für die ersten beiden Oszillatoren. 219 Wellenformen stehen jeweils zur Auswahl, von klassisch-analogen Wellenformen wie Sinus, Sägezahn und Rechteck mit angenehm kräftigem Klang bis hin zu komplexen obertonreichen Digitalsounds. Für jeden der beiden ersten Oszillatoren lassen sich sogar bis zu acht dieser Wellenformen auswählen, zwischen denn Sie stufenlos überblenden können. Das ermöglicht sehr abwechslungsreiche Klangverläufe.

Vier Mutatoren für PWM, Sync & Co.

Mit vier Mutators lassen sich die Oszillatoren weiter bearbeiten. Lineare Frequenzmodulation ist vorhanden, bei Auswahl einer Sinuswelle als Quelle sind damit einfache FM-Sounds möglich. Richtig spannend wird es aber, wenn Sie eine andere Quelle wählen. Denn hierbei stehen neben den internen Oszillatoren und Mutatoren sogar über die CV-Eingänge eingespeiste externe Signale zur Verfügung, sodass der Kreativität kaum Grenzen gesetzt sind. Auch Sync und Wavestack (mehrere Wellenformen geschichtet, ähnlich einer SuperSaw) stehen zur Auswahl. Wavestack verbraucht dabei keine zusätzlichen Stimmen, Hydrasynth bleibt im Gegensatz zur ebenfalls vorhandenen globalen Unisono-Funktion also 8-stimmig spielbar. Interessant sind die verschiedenen Pulsweitenmodulationen, die nicht nur auf die Pulswelle, sondern jede gewählte Wellenform angewendet werden können. Sogar eine Aufteilung der Wellenform in acht Segmente, die individuell moduliert werden können, ist dabei möglich. Als weitere Mutation können Sie detailliert harmonische Schwingungen hinzufügen.

Zwei flexible Filter

Zu den drei Oszillatoren gesellen sich noch ein Rauschgenerator und ein Ringmodulator. Im Mixer können Sie jede dieser Signalquellen links/rechts im Stereopanorama verteilen und bestimmen, in welchem Anteil der Sound in welches Filternodul geschickt werden soll. Die beiden Filter können hintereinander in Serie geschaltet werden oder unabhängig voneinander parallel arbeiten. Filter 1 verfügt über 11 verschiedene Filtermodelle (12, 24 db, HP, LP, Vocal, MS20 u. a.). Das Display bietet passende Animationen dazu, um die Wirkung des Filters leichter nachzuvollziehen. Der zweite Multimode-Filter arbeitet mit 12 dB pro Oktave inklusive einem kontinuierlichen Sweep von Tiefpass über Bandpass bis Hochpass, vergleichbar mit klassischen SEM Filtern. Die Filter können schön kräftig zupacken, erlauben aber auch cremige Filtersweeps ohne hörbares Stepping.

Umfangreiche Modulationsmöglichkeiten

Auch an Modulationsquellen hat Hydrasynth jede Menge zu bieten. Nicht weniger als fünf Hüllkurven (ADSR mit Delay und Hold) stehen zur Auswahl, deren Zeiten sogar mit wählbarem Teiler an das Tempo angepasst werden können. Auch von den LFOs gibt es fünf voll programmierbare Exemplare, neben den üblichen Wellenformen bietet jeder LFO auch einen kleinen Stepsequenzer mit bis zu 8 individuell einstellbaren Steps. Ein sechster LFO wird per Modulationsrad aktiviert und ist für das Vibrato zuständig. Eine Modulationsmatrix mit 32 Slots verbindet die internen Modulationsquellen sowie MIDI-CCs mit ihren Zielen. Für eine schnelle Verknüpfung können Sie auch die Modul-Taster nutzen. Wenn Sie beispielsweise den Modul-Taster LFO 3 gedrückt halten, erstellen Sie direkt eine Modulationsverknüpfung zum Filter, indem Sie zusätzlich den Taster des Filter 1-Moduls drücken. Die LFOs lassen sich für interessante Wobble-Sounds auch gegenseitig modulieren.

Arpeggiator mit Direktzugriff

Als Spielhilfe besitzt Hydrasynth einen Arpeggiator, der wie nicht anders zu erwarten ebenfalls überdurchschnittlich umfangreich ausgestattet ist. Und welcher Synthesizer bietet schon satte acht Regler (vier beim Desktop) für den Direktzugriff auf einen Arpeggiator? Es stehen jede Menge verschiedene Phrasen zur Auswahl und eine Ratchet-Funktion sorgt für schnelle Wiederholungen einzelner Noten, mit einstellbarer Wahrscheinlichkeit für lebendigere Arpeggios.

Bis zu vier Effekte gleichzeitig

Vier Effekte veredeln die Klangerzeugung: Delay und Reverb sind festgelegt, bei den Pre- und Post-Effekten kann aus verschiedenen Algorithmen wie z. B. Chorus, Flanger, Rotary, Lo-Fi, Tremolo, Kompressor und auch Equalizer gewählt werden. Die Effekte klingen richtig gut, vor allem das dichte Reverb mit bis zur Unendlichkeit langer Aushallzeit sorgt in Verbindung mit den komplexen Wellenformen für sehr atmosphärische Pads und Drones. Weitere Details wie ein Sidechain-Input für den Kompressor und ein semi-parametrischer Equalizer sorgen dafür, dass aus dem Hydrasynth bereits produktionsfertige Sounds herauskommen.

Überzeugender abwechslungsreicher Klang

Hydrasynth klingt wie zu erwarten sehr transparent, frisch und klar. Die umfangreichen Modulationsmöglichkeiten sorgen für lebendige und atmosphärische Sounds und machen Hydrasynth zu einer Empfehlung für Ambient oder Werbung und Videovertonung. Aber auch trockene Bässe und überraschend warm und rund klingende Pads und Leads lassen sich dem schicken Synthesizer entlocken. Das durchdachte Bedienkonzept lädt zum Experimentieren ein, die Ergebnisse sind in den meisten Fällen gut musikalisch verwertbar. Sie können sich aber auch einfach von den vielen gut programmierten Presets inspirieren lassen, die sich dank polyphonem Aftertouch sehr organisch spielen lassen. Der Speicher umfasst 5 Bänke mit je 128 Patches, davon sind 256 bei Auslieferung mit Werkspatches belegt.

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Fazit

Hydrasynth ist ohne Frage die große Überraschung der letzten Monate. Quasi aus dem Nichts bringt die junge Firma ASM einen Debütsynthesizer auf den Markt, dessen Klangerzeugung hervorragend klingt und sehr eigenständig und flexibel ist. Den Entwicklern ist dabei das Kunststück gelungen, die komplexen Möglichkeiten der digitalen Synthese mit einer Bedienung zu kombinieren, die dem Direktzugriff bei analogen Synthesizern kaum nachsteht. Das Sahnehäubchen ist der polyphone Aftertouch, der ein sehr ausdrucksstarkes Spielen erlaubt und Klangergebnisse produziert, die aktuell mit kaum einem anderen Synthesizer möglich sind. Antesten wird wärmstens empfohlen!

Zweite Meinung gefällig? Bei unseren Kollegen von Amazona können Sie einen weiteren Testbericht zu diesem Produkt lesen.

Bewertung
Name
ASM Hydrasynth
Pro
  • flexible Klangerzeugung
  • eigenständiger Sound
  • Modulationsmöglichkeiten
  • polyphoner Aftertouch
  • Bedienkonzept
  • CV/Gate-Einbindung
  • Ribbon-Controller (Keyboard)
Preis
899 (Desktop); 1.399 (Keyboard) EUR
Bewertung
(92%)
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