Ratgeber

Luca Musto - Meine Musik muss leben

Das Erscheinungsbild eines Studios und der eigentliche Sound eines Artists liegen manchmal sehr nah beieinander, oder aber auch weit voneinander entfernt. So auch beim Berliner DJ und Produzenten Luca Musto, der es auch durch Veröffentlichungen und Remixproduktionen auf Szene-Labels wie Laut & Luise, Feines Tier, The Magic Movement oder auch Bar 25, zu internationalen Gigs und Fangemeinde gebracht hat. Während sein Studio sehr aufgeräumt und mit wenig haptischem Gear auskommt, strahlen seine Tracks voller Detailverliebtheit, organischer Wärme und Jazz-angehauchtem Groove.

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Während Luca Musto in Corona-freien Zeiten in Ländern wie Frankreich, Belgien, Spanien, England, Mexico oder auch den USA mit seinen DJ-Sets begeistert, hat er in diesem Jahr sein eigenes Label „Rare Affair“ gegründet und jüngst seine „Restless EP“ veröffentlicht, welche nicht nur nach kurzer Zeit weltweit für breites Medienecho sorgte, sondern auch in den großen Playlists der Streaming-Anbieter landete.

Mit genügend Abstand haben wir uns mit Luca Musto getroffen und über seine Leidenschaften im Studio, die Musik und Kreativprozesse gesprochen.

Beat / Welche DAW kommt bei dir zum Einsatz und welche Vorzüge schätzt du an ihr?

Luca / Ich habe ja schon so einige DAW’s durch. Angefangen von Fruity Loops als Jugendlicher bis hin zu Reason, Cubase und Logic. Irgendwann bin ich dann auf Ableton gestoßen, in erster Linie wegen der Time-Stretching-Funktion – und bin dann dabei geblieben. Vor allem überzeugt mich die Anbindung über die Push 2, das Sample Chopping im Simpler macht unglaublich Laune und ist eigentlich immer ein perfekter Startpunkt für eine angenehme Beatbasis bei mir.

Beat / Welche Plug-ins nutzt du regelmäßig?

Luca / Die Komplete Instrumente von Native Instruments sind hoch im Kurs bei mir. Aber auch die Arturia Synthesizer gefallen mir gut. Allerdings schlägt natürlich kein VST den Klang einer echten Gitarre oder eines analogen Synthesizer. Organische Elemente sind mir besonders wichtig, weswegen ich hier versuche, so viel wie möglich eingespielt zu bekommen; entweder von meinen Studiomusikern einspielen zu lassen oder selbst zu machen.

Bei Effekten bin ich seit Jahren ein großer Fan der WAVES Plug-ins, besonders vom Kramer Tape Emulator, dem H-Delay und dem CLA Compressor. Seit einiger Zeit habe ich mir zusätzlich die Soundtoys-Effektgeräte zugelegt, die für den nötigen Feinschliff in Sachen Distortion und Raffinesse sorgen.

Beat / Und was verschafft dir in deinem Studio den optimalen Workflow?

Luca / Das richtige Licht und ein guter Espresso. Aber abgesehen davon liebe ich das Zusammenspiel von Inspiration und Motivation. Wenn beide Elemente sich treffen, kann man zu wahren Höchstleistungen im Studio fähig sein. Natürlich muss die Technik im Workflow eingebunden sein, zu wissen, wo man einen gewissen Sound herbekommt, ist das A und O, um eine Idee nicht im Nirvana verfliegen zu lassen.

Beat / Womit holst du dir frische Inspiration, wenn es mal nicht weiter geht?

Luca / Das ist so eine Sache mit der Inspiration. Es können die banalsten Dinge sein: eine Runde um den Block laufen, ein paar Körbe auf dem Basketballplatz werfen oder alte Funk-Platten hören. Witzigerweise kommt bei mir die Inspiration oft dann, wenn ich am wenigsten mit ihr rechne. Oder, streng genommen, keine Zeit für sie habe. Manchmal in der Bahn, früher oftmals im Flieger oder während einer Live-Performance. Also in Momenten, wo man sie schlecht direkt umsetzen kann. Daher arbeite ich viel mit Sprachaufnahmen und der Text-App auf meinem Handy, um Melodiefolgen festzuhalten. 

Beat / Wie viel Wert legst du bei der Produktion schon auf den finalen Sound und wie viel passiert im Mastering?

Luca / Ich mische meine Produktionen alle selbst ab - das habe ich schon immer. Das kostet zwar Zeit (und manchmal auch Nerven) aber dafür bekomme ich immer ein ehrliches und direktes Mastering vom Engineer und lerne dadurch immer dazu. Ich stehe nicht so auf massive Eingriffe beim Mastern, da gebe ich liebe ein rundes PreMaster ab, dass dann schön ausbalanciert und nach oben geholt werden kann. Wenn beim Mastering massiv eingegriffen werden muss, mit Korrekturen, Schönheitsreparaturen etc. hat man meiner Meinung nach im Mix etwas falsch gemacht.

Beat / Du hast einen Großteil des Studios im Digitalen untergebracht, doch auch einige analoge Geräte. Was an Gear nutzt du wofür?

Luca / Also wenn ich was bereue, dann, dass ich mit 22 Jahren meine MPC 2000 verkauft habe. Ich kam einfach nicht so mit dem Workflow klar, damals noch mit ZIP-Discs und begrenzter Sampling-Länge. Aber analoger Klang bleibt natürlich absolut ungeschlagen. Ich nutze eine Korg Minilogue für Pad- und Lead-Sounds, jamme aber auch gerne auf ihr herum zur Ideenfindung und begleitet mich auch bei Live-Auftritten.

Letzteres gilt auch für die TR8s von Roland, die man selbst mit Sounds speisen kann, gerade für mein Live-Setup als Drumenthusiast absolut essentiell. Ich habe ein paar Volcas von Korg und die MOOG Werkstatt-01 - aber eigentlich eher für kleine Spielereien nebenbei. Ansonsten nutze ich neben meiner eigenen Stimme vermehrt meine Gitarre zur Klangerzeugung. So hat mich die Corona-Situation wieder tiefer ins Gitarrenspiel gebracht. 

Beat / Kannst du dich an bestimmten Parts der Produktion verbeißen und besonders viel Zeit investieren?

Luca / Absolut: im Feintuning. Das ist schon fast notorisch bei mir und manchmal muss ich mich da auch selbst wegreißen. Oftmals steht ein Track schon seit Wochen, aber die Feinarbeit, kleinste Details wie das Verschieben von Becken-Sounds oder perkussiven Elementen und Effekt-Automationen, da werde ich dann richtig kleinlich. Ich muss mir dann manchmal auch sagen: „Ey, das bemerkt doch ohnehin niemand beim Hören“. Aber irgendwas sagt mir dann immer: „Oh, doch, irgendjemand bemerkt das, und wird es zu schätzen wissen.“ So verweile ich oft im Zwiespalt bis zum letzten Drücker.

Beat / Wie sieht in der Regel ein Produktionsablauf für einen Track wie Restless aus, der u. a. gerade bei Spotify in eine der Main-Editorial-Playlists aufgenommen wurde?

Luca / Bei „Restless“ war der Entstehungsprozess ziemlich interessant. Weil wir vorhin über Inspiration gesprochen haben und ich eben auf meinen Feinheitsfanatismus eingegangen bin - im Sommer habe ich mir mal eine Studio-Auszeit gegönnt, nachdem ich monatelang in meinem Studioraum quasi gewohnt habe.

Als ich nach zwei Wochen Pause wieder kam, ging alles superschnell. Das richtige Pianoriff eingespielt, ein paar Drumrolls gefunden und die Beatprogrammierung in der TR8s: voilà! Ich glaube, ich habe selten einen Track so schnell skizziert und arrangiert - an einem Wochenende, wenn mich nicht alles täuscht. Ich hing dann natürlich noch eine Weile an der Detailarbeit, aber bei „Restless“ war die Abstinenz zur Musik ein klarer Inspirations- und Motivationsfaktor bei der Produktion.

In der Regel ist das aber bei jedem Song unterschiedlich. Manchmal starte ich mit einer Melodie, manchmal mit einem Grundgroove oder einem kleinen Sampleschnipsel, um das ich dann ein Gerüst baue, um es später einfach stumm zu schalten. Jedenfalls starte ich nie mit der Bassline - die kommt erst zum Abrunden des Beats zutage. 

Beat / Zwischen den Zeilen deiner Tracks schwingen auch immer deine Leidenschaft für Hip-Hop mit. Wie viel Raum nehmen klassisches Sampling und Artverwandtes bei dir ein?

Luca / Ich liebe Sampling als Kunstform. Leider ist es in der elektronischen Musik oft missbraucht worden. Seelenlose Edits und Reworks von Klassikern auf simplen 4/4-Beats kennen wir ja alle zu Genüge. Aber ich mag es, von kleinsten Sample-Schnipseln inspiriert zu werden und dabei zuzusehen, wie aus ihnen was komplett Neues entstehen kann.

Ich baue gerne Beats um kleinste Samples herum, um sie später wieder zu entfernen oder neu und anders einzuspielen. Ich habe ja einen Hip-Hop-Background: Ich habe früher viele Beats für Rapper gemacht und höre auch heute noch das Genre, daher ist das auch absolut bewusst, dass das mitschwingt.

Die leicht versetzten Takte und Akzente im Groove sind mir besonders wichtig. Meine Musik muss leben, Starrheit kann ich irgendwie nicht ausstehen und daher kommen auch oft verschiedene Swing-Methoden zum Einsatz oder eben Detailverliebtheit bis zur allerletzten Kick. Wort wörtlich. 

Beat / Was steht bei dir als Nächstes an?

Luca / Ich habe gerade unzählige Remixe fertiggestellt - für Ritual Recordings aus Paris, Beat & Path aus Australien und Drecords aus Mexiko. In nächster Zeit werde ich mich dann komplett auf die Fertigstellung meines ersten Studio-Albums konzentrieren. Bevor das erscheint, kommt allerdings noch eine neue EP auf Moodfamily aus Belgien im Februar.

Zusätzlich arbeite ich noch an einem Soundtrack für Ian Urbina’s „The Outlaw Ocean“, einem sehr bewegenden Buch und Projekt, auf dem ich Lo-Fi Hip-Hop-Beats und auch Ambient-Stücke platzieren möchte, um mich selbst aber auch die Hörerschaft zu überraschen. Es darf nie langweilig werden. 

https://lucamusto.com

Spotify: https://open.spotify.com/artist/2TPJeKBObMEOKpR33TYgvh

Soundcloud: https://soundcloud.com/lucamusto

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