Höhere Performance, verbesserter Export und Dolby-Atmos-Unterstützung – Samplitude 2025 und Sequoia 17 bieten vielversprechende Features. Doch reicht das, um die Underdog-DAWs in den Mainstream zu katapultieren?
Samplitude und Sequoia sind DAWs, die viele vermutlich nur vom Hörensagen kennen. Die beiden Windows-spezifischen Programme gibt es bereits seit über 20 Jahren. Vor allem durch die Dual-Engine hatten die beiden in frühen Jahren ihren Konkurrenten einiges voraus, denn diese erlaubte eine unabhängige Bearbeitung von Spuren und Audioclips – letztere werden als Objekte bezeichnet, was aber nichts mit den Objekten immersiver Formate wie Dolby Atmos zu tun hat.
Somit kann man einzelne Clips unabhängig von allen anderen beispielsweise mit einem Plugin bearbeiten, wie Pro-Tools-Nutzer:innen das von der Audio Suite kennen. Das ist natürlich nur einer der Gründe, warum man die beiden DAWs auf dem Schirm haben sollte ...

Samplitude und Sequoia, die seit August übrigens zu Boris FX gehören, sind vergleichbar mit Cubase und Nuendo von Steinberg: Samplitude ist eine DAW, die alle Funktionen zum Produzieren, Aufnehmen, Mischen und Mastern bietet. Die Software gibt es auch als Suite-Version, die schon sehr nah an Sequoia ran kommt und nun beispielsweise auch Dolby Atmos unterstützt und den hauseigenen 3D Reverb von Boris FX besitzt.
Sequoia kann selbstverständlich alles, was Samplitude kann. Allerdings wurden hier zusätzliche Features implementiert, die insbesondere auf den Post-Production- und Broadcast-Bereich ausgelegt sind. Dazu zählen unter anderem Restaurations-Tools, Auto Ducking und innovative Schnitt-Techniken wie der Multi-Synchron-Schnitt. Sequoia findet aufgrund dessen vor allem in der Bearbeitung klassischer beziehungsweise akustischer Musik sowie im Rundfunk Anwendung.
Soweit mal zur groben Einordnung der beiden DAWs. Aufgrund der großen Funktionsvielfalt konzentrieren wir uns im Rahmen dieses Tests hauptsächlich auf die neuen Features. Da sich die Neuerungen der beiden DAWs zum Großteil gleichen, gibt es keine getrennten Tests – Abweichungen haben wir natürlich kenntlich gemacht.
Installation
Boris FX bieten für eine einfache Installation der DAWs einen Download-Manager an, den Boris FX Hub. Dieser hat zum Zeitpunkt dieses Tests allerdings ein großes Manko, das ihn für mich unbrauchbar macht: der Installationspfad kann nicht manuell eingestellt werden. Das gilt sowohl für die Installation des Hubs, als auch für die der DAWs. Zum Glück können die DAW-Installer separat von der Website heruntergeladen werden, die dann auch die Auswahl eines nutzerspezifischen Pfads erlauben.
Praxis
Sowohl Samplitude als auch Sequoia starten und arbeiten auffällig schnell. Beim Ausführen von Befehlen beziehungsweise Aktionen gibt es kaum Verzögerungen. Selbsterklärend, dass das auch den Workflow beschleunigt. Positiv hervorzuheben ist die Flexibilität der Programme, sodass wirklich alle erdenklichen Funktionen mit nutzerspezifischen Tastaturkürzeln belegt werden können. Wer mit verschiedenen DAWs arbeitet, wird das schnell zu schätzen wissen. Darüber hinaus ist die Oberfläche modular aufgebaut. Verschiedene Fensterkonfigurationen können auch als Preset gespeichert werden, sodass man diese je nach Anwendung mit wenigen Klicks wechseln kann.
Intuitives Arbeiten
Die Implementierung von ARA2 und Range Markern erleichtern die Arbeit. Die Range Marker sind weniger aufregend. Wie der Name bereits verrät, lassen sich Bereiche damit markieren und benennen. Das fördert im Zusammenspiel mit der neuen Marker-Spur die Projektübersicht, was vor allem bei großen Post-Produktionen hilfreich ist. Zudem lassen sich Marker-Bereiche, Stems und einzelne Objekte nun auch in Serie exportieren, was ebenfalls lobenswert ist.
Sehr cool ist die Verbesserung der ARA2-Schnittstelle. Damit ist es nun möglich, ein ARA-Plugin unabhängig auf Tracks und Objekte anzuwenden. So ist man wesentlich flexibler und spart sich das Rendern einzelner Clips oder Spuren. Im Test hat das problemlos und latenzfrei funktioniert.
Ich möchte an dieser Stelle noch die Schnitt-Techniken von Sequoia hervorheben, die wirklich krass sind. Das sind keine neuen Funktionen, weshalb ich euch Details erspare. Anhand des Multi-Synchron- und Source-Destination-Schnitts kann man aus mehreren Aufnahmen schnell eine finale Spur basteln. Die Herangehensweise stammt aus den Tagen der Bandmaschinen, als es noch einen Zuspieler (Source) und einen Rekorder (Destination) gab.
In Sequoia kann man mehrere Quellen simultan nutzen, und die besten Takes durch das Setzen von In- und Out-Punkten auf der Destination-Spur kombinieren. Der Prozess ist non-destruktiv und funktioniert sogar projektübergreifend. Der Hammer!
Wer viel mit sehr umfangreichen Projekten zu tun hat, sollte unbedingt mal einen Blick auf diese Features werfen.
Stem-Splitting und Denoise
Sequoia (und Samplitude Suite) kommt neuerdings mit den Stem-Splitting- und Denoise-Tools CrumplePop und Acoustica 7 von Acon Digital – der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch Magix Sound Forge Pro 17, Wave Arts Convology XT und Clemony Melodyne Essential inklusive sind. Leider wird nicht wirklich darauf hingewiesen, wie man an diese Tools kommt, denn sie werden weder als separate Downloads aufgeführt, noch sind sie Teil des Additonal Content Pack. Auf Nachfrage stellte sich heraus, dass CrumplePop über den Boris FX Hub installiert wird.
Für Acoustica 7 muss der Boris FX Support angeschrieben werden, der dann Lizenzen für die alle verbleibenden genannten Produkte schickt – das geschah auch innerhalb von 24 Stunden. Aus Nutzerperspektive ist das dennoch umständlich und nervig. Boris FX begründet das mit der noch relativ frischen Übernahme von Sequoia und Samplitude und will den Prozess zukünftig über den Hub vereinfachen.
Über Acon Digital Acoustica 7 werde ich an dieser Stelle nicht allzu viele Worte verlieren, das wäre ein Test für sich. Kurzgesagt funktionieren die Restaurations- und Remix-Tools sowohl als Plugins als auch via ARA einwandfrei, es gibt aber bessere Stem-Splitter.
Die KI-gestützten Tools der CrumplePop-Suite eignen sich meiner Meinung nach eher für Einsteiger:innen. Mit etwas Feingefühl lässt sich ein Sweet Spot ausfindig machen, dessen Einstellungen gut funktionieren. Das ist teilweise aber nicht so einfach, da die KI-gestützten Tools sehr leistungshungrig sind, deswegen manchmal hängen und eine spürbare Latenz mit sich bringen. Erfahrene Nutzer:innen werden durch manuelles Editing via Acoustica 7 schneller und sauberer arbeiten.
Immersive audio
Wie die meisten anderen DAWs kommt auch Sequoia nun mit einem integrierten Dolby Atmos Renderer und sogar noch einem ADM Editor – heißt, auch andere immersive Formate wie MPEG-H werden unterstützt. Bei Samplitude bekommen nur Nutzer:innen der Suite diese Features. Zwar funktioniert der Renderer etwas anders als man das von Dolbys eigenem kennt, das ist aber nicht weiter problematisch. Das Platzieren von Sounds im (3D-)Raum über den integrierten Panner ist aber eine ziemliche Zumutung. Der standardmäßige 3D-Panner verwirrt durch die Anzeige der Lautsprecherpositionen mehr, als dass er hilft. Dieser Eindruck wird vor allem unterstützt, weil man Sounds, zumindest visuell, außerhalb der Lautsprecher platzieren kann. Zum Glück gibt‘s verschiedene Modi, von denen die Matrix mit stumpfen Eingaben von Werten noch der Beste ist. Und das trifft übrigens sowohl auf Sequoia als auch auf Samplitude zu. Ein neuer 3D-Panner sei aber bereits in Entwicklung, wie mir Boris FX mitteilte.
Erfreut hingegen hat mich die Zugabe eines hauseigenen 3D-Reverbs. Damit können auch Einsteiger:innen ohne Drittanbieter-Tools direkt loslegen und experimentieren. Das Plugin bietet mit EQ und internem Panner alles, was man erwarten würde. Der Klang geht auch völlig in Ordnung. Allerdings ist die Nutzeroberfläche sehr verbuggt, sodass visuelle Darstellungen von unter anderem Menü, EQ-Kurven und Metering nicht funktionieren. Sehr schade, soll aber laut Entwickler im nächsten Update behoben werden.
Fazit
Dieser Test kratzt, wie eingangs erwähnt, nur an den Oberflächen von Samplitude 2025 und Sequoia 17. Nichtsdestotrotz sind die beiden DAWs ernstzunehmende Produktions-Tools, die durch einzigartige Features, sehr hohe Flexibilität und äußerst schnellem und Ressourcen-schonendem Processing punkten. Die zusätzliche Software wie Acon Digital Acoustica 7 und CrumplePop sind nützliche Beigaben, wobei der Installationsprozess aktuell noch umständlich und CrumplePop aufgrund der hohen CPU-Last weniger empfehlenswert ist. Trotz ein paar Kritikpunkten brauchen sich die beiden Produkte jedoch nicht vor der Konkurrenz verstecken. Wer auf der Suche nach einer neuen DAW oder spezifischen Funktionen ist, sollte unbedingt mal einen Blick auf Samplitude und Sequoia werfen.
Preis und Verfügbarkeit
Samplitude 2025 und Sequoia 17 sind für Windows 10 und 11 über die Webseite von Boris FX (www.borisfx.com) erhältlich.
Samplitude 2025 gibt es ab 10,83 Euro/Monat oder ab 350 Euro als Einmalzahlung.
Sequoia ist für 43,75 Euro/Monat erhältlich oder für 1.500 Euro als Einmalzahlung.
Features Samplitude
- Hybrid Audio Engine
- Marker-Spur
- Bereichs-Marker
- Objektbasierte Bearbeitung
- Unterstützt Sample-Raten bis 384 kHz
- Multi-Export von Bereichen, Objekten und mehr
- ARA2-Unterstützung
- Umfangreicher Crossfade-Editor
Features Sequoia
- Hybrid Audio Engine
- ADM-Editor
- Nativer 3D-Panner
- Integrierter Dolby Atmos Renderer
- Kanal-Unterstützung bis 7.1.4
- Objektbasierte Bearbeitung
- 3D-Reverb
- Range Marker
- Multitrack/Stem Export
- Dedizierte Broadcast-Features: Auto Ducking, Cue-Modus, Live-Editing, Metering
- Source-Destination-Schnitt
- Multi-synchroner Schnitt
- Integrierte virtuelle Effekte, Restaurations-Tools & Instrumente
- Simultane Aufnahme von Bild und Ton
Positiv & negative Punkte
+ Schnelles und Ressourcen-schonendes Processing
+ Innovative Features wie Crossfade-Editor, Source-Destination-Schnitt und objektbasierte Bearbeitung
+ ARA2-Unterstützung
+ Immersive-audio-/Dolby-Atmos-Unterstützung
+ Multi-Export
+ Sehr flexibel, zum Beispiel beim Vergeben von Shortcuts und im Routing und Monitoring
+ Profi-Features wie ITU-Metering, Auto Ducking und Cue Modus
+ Integrierte Restaurations-Tools
+/- Modulare Nutzeroberfläche
- Visuelle Darstellung des 3D Reverb verbuggt (wird mit dem nächsten Update behoben)
- Darstellung des integrierten Panners verwirrt
- Externe Software aktuell noch umständlich zu bekommen
- Hohe CPU-Last der CrumplePop-Plugins

