Tech-House: Joris Voorn

Geschrieben von Beat
24.02.2013
12:54 Uhr

Architektur und Musik sind für Joris Voorn eng miteinander verbunden: Sein Studio befindet sich einem Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert, seine DJ-Sets sind wie Streifzüge durch urbane Landschaften. Schon lange hat sich Voorn für eine Karriere als Produzent und DJ und gegen die Architektur entschieden. Doch hat ihn das Thema bis heute nicht losgelassen.von Tobias Fischer

(Bild: www.jorisvoorn.com)

Man kann sich dem Thema Architektur und DJing bei Joris Voorn aus einer Vielzahl von Perspektiven annähern. Allein schon seine Mix-CDs vermitteln stets auch räumliche Eindrücke, sind mehrdimensional in sich verschachtelt wie algorithmische Rastergeflechte in AutoCAD. 2007 nahm Voorn „Balance 014“ auf, ein hochkomplexes Klang-Konstrukt, in dem sich in jedem Takt mehrere Tracks bis an die Decke des virtuellen Dancefloors türmten – ein möglicherweise in seiner Konsequenz noch radikalerer Ansatz als Richie Hawtins visionäres „DE9“. Doch muss man sich gar nicht in Abstraktionen verlieren. Denn ein Auge für visuelle Einflüsse hat sich Voorn bis heute erhalten.

Beat / Wie siehst du die Beziehung zwischen Architektur und Ausstattung eines Clubs und der Musik, die dort gespielt wird?

Joris Voorn / Tolle Frage. Denn tatsächlich sind die Club-Umgebung und der Sound essenziell dafür, wie man als DJ auflegt. Ein inspirierender Club schafft eine Stimmung für die Nacht und verleiht der Musik einen Kontext. Ich ziehe einen dunklen industriellen Raum einem schicken farbigen Club mit viel Licht und Spiegeln vor. Eine solche Umgebung lässt dir als Hörer mehr Platz für eine eigene Interpretation der Musik. Ich hatte die besten Partys an den hässlichsten Orten und umgekehrt. Das Wichtigste dabei sind aber üblicherweise die Gäste. Eine Verbesserung aus meiner Sicht wäre es deswegen, den DJ näher an sie heranzuführen – so nah idealerweise, dass die Besucher dir fast ins Mischpult greifen können. Stattdessen sieht man derzeit immer häufiger LED-Screens, die dem Ambiente nicht gerade immer etwas hinzufügen. Am schlimmsten ist es, wenn sie unmittelbar vor der DJ-Kanzel stehen, die Menge bestrahlen und sie blenden, wenn sie zum DJ blicken. Schlimmer sind nur noch die Kanzeln, bei denen man drei Meter über der Crowd steht.

Beat / Gibt es einen Club, in dem du dich wirklich zuhause fühlst?

Joris Voorn / Ich habe eine regelmäßige Nacht im Amsterdamer Trouw. Das Gebäude war früher einmal eine Druckerei, es ist lang und eng mit einer sehr hohen Decke. Du bist da sehr nahe am Publikum, das sowohl direkt vor dir und hinter dir auf einem Podest tanzt. Von den Gästen umgeben zu sein schafft ein Gefühl der Verbundenheit und lässt dich anders spielen, als wenn da eine Distanz ist. Die Location ist außerdem nur fünf Minuten von meinem Haus entfernt. Es fühlt sich also wirklich ein wenig an, als spiele ich in meinem Wohnzimmer!

Ein Ohr für Techno

/p>

Beat / Siehst du ganz generell eine enge Verbindung zwischen Architektur und Musik?

Joris Voorn / Es ist schon interessant, dass viele Architekten auch ein Ohr für elektronische Musik und Techno haben. Es geht bei Techno ja viel um Rhythmen und Strukturen, genau wie bei Architektur. Techno ist auch viel abstrakter als House und gibt dem Hörer damit mehr Freiraum – auch das sollte bei guter Architektur der Fall sein. Die Erfahrung einer Stadt und seiner Architektur kann dem Erlebnis einer musikalischen Reise gleichen, ganz wie bei der Mix-CD, die ich für Cocoon aufgenommen habe.

Ich führe ja auch zwei Label, Rejected und Green, und bei beiden spielt Design eine wichtige Rolle. Es ist gar nicht so einfach, eine unmittelbare Verbindung zwischen den Entwürfen und der Musik herzustellen, weil jeder Rezipient beim Hören seine ganz eigene Welt schafft. Aber das Cover-Design kann auf jeden Fall andeuten, wie wir als Künstler und Label die Musik sehen.

Beat / Warum siehst du dich dann doch eher als DJ denn als Architekt und hast dich für die Musik entschieden?

Joris Voorn / Ich habe an einer Kunstschule in den Niederlanden Architektur studiert und nach dem Einführungsjahr stand für mich fest, dass Raumgestaltung und Architektur mein Ding waren – mir stand die praktische Seite der Kunst näher als die Malerei oder Skulpturen. Ich fand es interessanter, eine architektonische Lösung für ein bestehendes Programm zu finden, als Kunst aus dem Nichts heraus zu schaffen. Nebenbei habe ich aber 1996 auch mit dem DJing angefangen; Dienstag abends in einer Location, die viele meiner Freunde und Kommilitonen besuchten. Ich habe dort alle zwei Wochen aufgelegt und gelernt, vor einem Publikum zu spielen. Ich habe auch in sehr rudimentäres Equipment investiert, um meine eigenen Tracks zu produzieren.

Zwar habe ich zwei Jahre lang als Architekt gearbeitet. Trotzdem habe ich mich 2003 für den vollständigen Umstieg auf die Musik entschieden. Nichts ist besser, als deinem Traum zu folgen und dir deinen eigenen Zeitplan aufzuerlegen.

Beat / In deinem Haus aus dem siebzehnten Jahrhundert spiegelt sich noch etwas von deiner alten Leidenschaft …

Joris Voorn / Die Arbeit an dem Haus war ungemein spannend. Skizzen davon anzufertigen, sich alle Möglichkeiten bildlich vorzustellen und an elektrischen Leitungen, Licht und der allgemeinen Atmosphäre zu arbeiten, war eine große kreative Herausforderung. Im Endeffekt habe ich die Planzeichnungen dann doch nicht selbst gemacht, weil ich mich einfach zu lange nicht mehr professionell mit Architektur beschäftigt habe: Bei meinen Ideen hat sich herausgestellt, dass nichts von dem, was ich wollte, möglich war. Du kannst dich der Schwerkraft einfach nicht entziehen – und mein Vorschlag, alle Wände herauszunehmen, hätte das Haus zerstört.

Das Studio als Mikro-Kosmos

Beat / In dem Haus befindet sich auch dein Studio. Was bedeutet dir der Raum?

Joris Voorn / Mein Studio ist ganz oben im Haus, es ist der Raum mit dem meisten Licht und Fenstern an drei Seiten. Es ist auch das Zimmer, das am besten von unseren Nachbarn isoliert ist. Es ist eher klein, aber dort zu arbeiten ist prima. Wenn ich dort bin, fühlt es sich wie mein eigener kleiner Kosmos an. Es ist bequem, was ich für sehr wichtig halte, wenn du an Musik arbeitest. Ein Arbeitsplatz für einen Künstler muss inspirierend sein!

Beat / Was waren wichtige Kriterien beim Einrichten des Studios?

Joris Voorn / Das Zimmer ist recht eng, folglich konnte mein Arbeitstisch nur in eine Richtung gestellt werden. Ich kann beim Produzieren nach draußen blicken, was nicht zu ablenkend ist, es mir aber erlaubt, gelegentlich mal die Gedanken schweifen zu lassen. Morgens scheint die Sonne in den Raum, was ich liebe, und danach ändert sich ihre Einstellung, sodass sich immer eine andere Stimmung ergibt. Die frühen Stunden sind aber die besten! Die Ergonomie hingegen ist ein ständiges Problem. Es ist sehr klein hier und das bedeutet, dass ich nicht mein gesamtes Equipment ständig aufgebaut haben kann, weil es sonst leicht ein Durcheinander wird. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich meistens am Rechner arbeite. Ich habe zwar einen Mixer, Mikrofone, Synths, Drum-Computer und Effekteinheiten. Aber es ist ungemein aufwendig, sie immer alle auch zu benutzen. Und die Ergebnisse am Computer sind oft sogar besser.

Beat / Beeinflusst die Studio-Architektur den Sound der Produktionen?

Joris Voorn / Auf jeden Fall. Als ich mir meinen ersten Synthesizer gekauft habe, hat mir ein Freund bei der Auswahl geholfen und mir erklärt, dass die Haptik eines Geräts genauso wichtig ist wie sein Klang. Das gilt genauso für das Studio als Ganzes. Vor zehn Jahren bestand mein Studio nur aus ein paar Synthies und Drum-Computern und ich habe viele One-Take-Stereo-Aufnahmen gemacht. Es war ein wenig so, als sei das Studio selbst ein Instrument und die Aufnahmen dort haben das reflektiert. Heutzutage sind meine Produktionen durchgeplanter und ich muss härter daran arbeiten, Überraschungsmomente zu erreichen und sie organisch und lebendig klingen zu lassen.

Beat / Bands wie Kraftwerk sind jeden Tag ins Studio gegangen, ganz egal, ob sie dort etwas produziert haben oder nicht. Was hältst du von solch einer Einstellung?

Joris Voorn / Ich halte sie für nützlich. Worum es dabei wohl geht, ist, sich nicht auf seinen Lorbeeren auszuruhen, stets auf Draht und bereit fürs Musikmachen zu sein. Wenn du administrative Tätigkeiten durchführst, wie beispielsweise nach Samples oder Sounds zu suchen, wird daraus häufig ein Track. Inspiration ist nie weit weg und manchmal musst du dich dazu zwingen, dich ins Studio zu setzen, um zu sehen, was passiert. Eine kleine Idee kann der Funke für etwas Größeres sein. Picasso hat das einmal treffend auf den Punkt gebracht: „Ich fange mit einer Idee an. Und dann wird es etwas anderes.“

Diskographie

2004 | Future History

2005 | Fuse Presents Joris Voorn

2007 | From A Deep Place

2009 | Balance 014

2012 | Cocoon Heroes

Cookies helfen uns, bei der Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Verstanden