Quelle: https://www.beat.de/test/pioneer-dj-toraiz-squid-test-mega-sequenzer-studio-buehne-10075727.html

Autor: Kai Chonishvili

Datum: 27.06.19 - 11:41 Uhr

Pioneer DJ Toraiz SQUID im Test: der Mega-Sequenzer für Studio und Bühne?

Mit dem Toraiz SQUID überraschte Pioneer DJ Produzenten und DJs gleichermaßen, da diese Neuerscheinung weder Klänge produziert noch Songs fürs DJing laden kann. Stattdessen feuert der Toraiz SQUID unscheinbare MIDI-Noten ab und präsentiert sich als waschechter Hardware-Sequenzer für Synthesizer, Drum Machines, Modularsysteme, VST-Instrumente und mehr – also alles, was im Studio rumsteht und Töne von sich gibt! Doch braucht man das? Und ist das auch für Liveacts interessant?

Features

  • mehrspur-Sequenzer
  • 16 Spuren
  • 64 Pattern pro Spur
  • 64 Steps (4 Takte) pro Track
  • 128 Projekte
  • achtstimmig polyphon pro Step
  • Arpeggiator
  • Chord-Mode
  • Groove-Bender
  • zwei CV/Gate-Ausgänge
  • zwei DIN-Sync-Ausgänge
  • Clock In/Out
  • MIDI In/Out/Thru

Vor dem leeren Blatt

Wer seine musikalischen Ideen an Klangerzeugern umsetzen will, braucht ein Eingabegerät wie beispielsweise das Keyboards am Synthesizer oder den Step-Sequenzer an der Drum Machine. Und im Laufe der Studiojahre wird man mit Sicherheit mehrere unterschiedliche Klangerzeuger anhäufen und sich irgendwann die Frage stellen, ob man all diese Instrumente (Analog, Digital, VST, Extern etc.) auch zentral anspielen kann. Klar, jede DAW ist dazu in der Lage, sofern man Audio- und MIDI-Interface angeklemmt hat. Doch nicht immer will man einen Rechner dafür einsetzen, beispielsweise in einem Hardware-basierten Liveset. Und genau da kommt Toraiz SQUID ins Spiel: Dieser Multitrack-Sequenzer kann 16 Instrumente gleichzeitig anspielen, durch seine Clock synchronisieren und aufgrund seiner Anschlussvielfalt Hard- und Software-Instrumente via MIDI, CV und USB vereinen.

Einspielen …

Das Einspielen der Noten funktioniert beim SQUID über die Pad-Matrix, die auch als Klaviatur herhalten kann oder sich in den Step-Sequenzer-Modus umschalten lässt. Die anschlagdynamischen Pads sind eine gute Mischung aus denen der NI Maschine und dem Elektron Analog Rytm MKII: Sie sind weder zu groß noch zu klein und lassen sich nuanciert spielen. Eine Pad-Matrix ist für das Spielen von Drumkits natürlich ideal, doch als Klaviatur weniger komfortabel, da man schwarze und weiße „Tasten“ nicht unterscheiden kann. In diesem Kontext ist die Scale-Funktion hilfreich, die den Klaviaturumfang auf eine wählbare Tonart eingrenzt und das Spielen von „falschen Tönen“ ausschließt. Dank des MIDI-Eingangs ist es aber auch kein Problem, ein externes MIDI-Keyboard anzuklemmen und eben dieses für das Einspielen zu nutzen.

 

… und aufzeichnen

Für die Echtzeit-Aufnahme ist Toraiz SQUID gut gerüstet, denn die Time-Warp-Funktion ist vergleichbar mit der Capture-Funktion aus Ableton Live und zeichnet im Hintergrund jede Pad-Bewegung auf. Soll heißen: hat man beim entspannten Jammen eine Melodie gefunden und will diese jetzt „richtig“ aufnehmen, muss man nur in den Time Warp-Modus gehen und sich die Session aus der Historie herauspicken. Das funktioniert in der Praxis nach etwas Eingewöhnung ziemlich treffsicher. Die gewöhnliche Echtzeit-Aufnahme ist ebenfalls machbar und ab dann wird alles in den Sequenzer geschrieben, was man auf den Pads trommelt. Aufgepasst: Dabei können pro Schritt auch Akkorde (bis zu acht Noten) festgehalten und jede Note einzeln verschoben werden. Das ist sehr hilfreich, gerade dann, wenn man über ein externes Keyboard Akkorde einspielt. Mithilfe der Quantisierungs-Funktion lassen sich nach der Aufnahme die „versenkten“ Noten wieder an das Raster schieben – leider nur komplett und nicht zusätzlich zu 50 Prozent.

Step-Sequenzer(-Tricks)

Im Step-Sequenzer-Modus werden die Pads für die Schritt-Programmierung von Noten genutzt und erlauben das Kreieren von Pattern mit maximal 64 Schritten, also vier Takten. Natürlich ist die Begrenzung auf 64 Schritte immer einen Kritikpunkt wert, da sich nicht alle Anwender in dieses Raster zwängen möchten. Doch zu mindestens gibt es mit der Trig Probability die Möglichkeit, Wahrscheinlichkeiten für die Noten einer Spur zu definieren. So werden mit jeder Pattern-Wiederholung (nach 64 Schritten) eben unterschiedliche Noten getriggert und die Sequenz bleibt auch auf lange Sicht interessant.

Melodie-Programmierung

Die Programmierung von Melodien im Step-Sequenzer-Modus ist im Allgemeinen selten eine Freude, da man für einzelne Schritte unterschiedliche Noten oftmals mit einem Drehregler definiert. Beim SQUID geht das erfreulich einfach dank Interpolation: In diesem Modus definiert man einfach eine Anfangs- und eine End-Note für eine Sequenz von beispielsweise(!) 16 Noten. Nun werden alle 16 Noten in ihrer Tonhöhe aufsteigend abgespielt. In Verbindung mit der Definition einer Skala und dem Austesten unterschiedliche Interpolationen entstehen somit schon die ersten Melodie-ähnlichen Gebilde. Nun kommt der Clou: Mit dem Austesten unterschiedliche Wiedergaberichtungen des Sequenzers (z.B. in Form einer Spirale) findet man spielend leicht interessante Melodien. Sollte die Sequenz nicht gefallen, kann man über den Zufallsgenerator neue Trigger erstellen und hoffen, dass die immer noch geltende Interpolation eine spannende Melodie ausspuckt.

 

Akkord-Generator & Arpeggios

Der Umgang mit Akkorden ist beim Toraiz SQUID ebenfalls eine angenehme Sache, da mehrere Möglichkeiten bereitstehen: Da maximal acht Noten pro Trigger unterstützt werden, kann man Akkorde direkt einspielen, aufzeichnen und vom Sequenzer wiedergeben lassen. Eine andere Option ist der Akkord-Generator, der durch den Druck eines(!) Pads einen kompletten Akkord abfeuert. Neben dem Ändern des Akkord-Typs können auch ganze Sets erzeugt werden, die man im Laufe einer Sequenz generieren und aufzeichnen kann. Der Aufbau von komplexen Akkordfolgen ist also kein Thema. Und spätestens an dieser Stelle wird man dann auf den Arpeggiator aufmerksam, der auf Grundlage eines Akkords eine Notenabfolge abfeuert und alle typischen Funktionen mitbringt.

Rhythmus-Künstler

Wenn man Sequenzen rhythmisch etwas auflockern möchte, findet man den Swing-Regler: dieser verschiebt bestimmte Noten je nach gewählter Intensität nach hinten und aus einem statischen Beat wird eine groovende Sequenz. Sehr gut: Swing funktioniert pro Track und nicht global! Ein echtes Highlight ist in diesem Zusammenhang der Groove-Bender, der wie ein Pitchbend-Rad immer wieder in seine Mittenstellung zurückspringt und tatsächlich die Geschwindigkeit der Noten-Sequenz (nicht BPM) beeinflusst. So kann man manuell und live den Rhythmus verbiegen - das ist bislang einzigartig! Ebenso abgefahren ist die (Speed-)Modulation der Geschwindigkeit der Noten-Sequenzen über einen LFO. Dank der unterschiedlichen Wellenformen, variabler Länge und Intensität gibt es viele Stellschrauben, um die Rhythmus-Struktur aufzubrechen. Schon mit diesen drei Features – Swing, Groove Bender und Speed Modulation – entfernt man sich von klassischen Pattern und findet sich in experimentellen Gefilden wieder. Doch die Zügel für die Intensität des Experimentellen hält man stets selber in den Händen.

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Polyrhythmen und mehr

Der Toraiz SQUID kann 16 Instrumente gleichzeitig anspielen und zum Glück werden die Schrittlängen und Pattern individuell pro Track organisiert. Das bedeutet in der Praxis, dass beispielsweise das Kickdrum-Pattern einen Takt (16 Steps) spielt, während Hi-Hat- und Bass-Pattern mit weniger Schritten auskommen und somit polyrhythmisch zur Kickdrum erklingen. In diesem Kontext ist es sehr interessant, dass auch die Pattern pro Track definiert sind. So kann man während der Performance unterschiedliche Hi-Hat-Pattern abfeuern, während der Rest des Schlagzeugs bei einem Pattern bleibt. Aufgrund dieser individuellen Step- und Pattern-Struktur bleibt man immer erfreulich flexibel. Eine Ebene über den Patterns stehen übrigens die Pattern-Sets, die man für den Aufbau von Songstrukturen nutzen kann.

Wunsch-Liste

Neben all der Begeisterung gibt es natürlich auch Dinge, die gerne optimiert werden dürfen: das globale Menü ermöglicht zwar viele detaillierte Einstellungen, doch sind diese sehr schlecht zu erreichen, da man an einem(!) Drehregler ewig lange scrollen muss, bis man zum gewünschten Menüpunkt gelangt. Das geht definitiv besser! Auch die Begrenzung auf 64 Schritte pro Pattern und das Fehlen von unterschiedlichen Taktarten wird viele Musiker verärgern, da man auf diese Weise im „Dance-Käfig“ gefangen bleibt und nur über Umwege in andere Genres ausbrechen kann. Ebenso ärgerlich ist die Tatsache, dass es keinen klassischen Song-Modus für die Programmierung eines Arrangements gibt oder jedenfalls die Möglichkeit, Pattern zu verketten. Hoffentlich werden diese Dinge über Firmware-Updates nachgeliefert.

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Fazit

Mit dem Toraiz SQUID haben Pioneer DJ einen sehr interessanten Hardware-Sequenzer auf den Markt gebracht, dessen innovative Funktionen und Zugänglichkeit die Konkurrenz aufschrecken wird. Studionerds und Live-Performer können von dieser Inspirations- und Kommandozentrale definitiv profitieren, wenn sie mehrere Instrumente gleichzeitig steuern, spielen und manipulieren möchten. Doch man sollte bedenken: damit die Fülle an Funktionen und Performing-Möglichkeiten in Fleisch und Blute übergeht, muss man viel üben und auch musikalische Experimente in Kauf nehmen.


Dieser Artikel ist in unserer Heft-Ausgabe 162 erschienen.


Produktdaten
ProduktnameToraiz SQUID
HerstellerPioneer DJ
Preis599 €
Webseitewww.pioneerdj.com
Bewertung4.6/5 Sterne
Pro
  • Anschlussvielfalt
  • Kreativ-Tools für Tonales & Rhythmus
  • gute Zugänglichkeit
  • Wiedergaberichtung änderbar
  • stabile Clock
Contra
  • nur 64 Steps
  • keine wählbaren Taktarten
  • Menüstruktur
Bewertung
1.4
sehr gut