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Zukunftsorientierte Gewohnheitstiere: Dash Berlin!

Das niederländische Trio Dash Berlin! gilt als einer der fortschrittlichsten Trance-Acts. Dabei steckt eine Menge Geschichte in ihren Produktionen: Projekte wie Alice Deejay und die Vengaboys sowie Remixe für Justin Timberlake und Madonna. Über die Jahre haben die Musiker so ein beachtliches Studio aufgebaut, doch geht es Frontmann Jeff Sutorius auf dem neuen Album „We Are“ vor allem um eines: den perfekten Song.

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Beat / Eine der faszinierenden Aspekte der niederländischen Szene ist die Verbindung zwischen extremen und kommerzielleren Musikformen.

Dash Berlin! / In der Hinsicht ist das Land tatsächlich einzigartig. Wir sind ebenfalls mit dieser Entwicklung von entspanntem House bis hin zu Gabber und Hardstyle aufgewachsen. Meine Vinyl-Sammlung zu Hause umfasst frühe Rave-Klassiker genauso wie meine liebsten Hardcore- LPs, House, Techno und UK Breakbeat – ich bin ein riesiger Prodigy-Fan. Was gerade im Hardstyle-Bereich passiert, finde ich ebenfalls großartig. Es ist toll zu beobachten, wie sich diese Szene ständig erneuert.

Beat / Wenn ich es richtig verstanden habe, habt ihr euch vor knapp zehn Jahren in einem Plattenladen getroffen.

Dash Berlin! / Stimmt, ich habe damals bei BPM Dance gearbeitet, einem Vinyl- Shop in Zoetermeer, einer kleinen Stadt in der Nähe von Den Haag. Viele bekannte niederländische DJs haben dort ihre Platten gekauft. Damals waren Eelke und Sebastiaan noch als Pronti & Kalmani unterwegs und regelmäßige Gäste. Ich habe ihnen dabei geholfen, die besten LPs zu finden und daraus ist eine langanhaltende Freundschaft entstanden. Bevor wir zum ersten Mal Musik gemacht haben, waren schon alle gemeinsam auf Ibiza und haben zusammen gefeiert.

Beat / Wie ging es mit dem Projekt los?

Dash Berlin! / Eelke und Sebastiaan haben damals noch mit DJ Sander Kleinenberg zusammengearbeitet, der ebenfalls aus Den Haag kommt. Sie haben einige sehr bekannte Künstler geremixt, darunter Justin Timberlake, Janet Jackson und Madonna. Aus meiner Sicht waren sie Pioniere, lange vor der EDMWelle in den USA. Für mich war es schon ein Traum, einfach nur in ihrem Studio abhängen zu dürfen. Als die Kollaboration mit Kleinenberg zu Ende ging, habe ich mich bemüht, die beiden wieder zu ihren Trance-Wurzeln zurückzuführen, einfach weil ich diesen Sound liebte. Wir haben zusammen den Track „Till The Sky Falls Down“ produziert, ohne uns viel dabei zu denken. Einer unserer Freunde, DJ Isaac, hatte die Idee, ihn Armin van Buuren zu schicken. Und der Rest ist Geschichte, wie man so schön sagt …

Beat / Wie funktioniert der Prozess heute, wo du ständig unterwegs bist, während die anderen beiden im Studio bleiben? Dash

Berlin! / Dank des Internets ist es eigentlich egal, wo ich bin, solange wir Skype und Wetransfer nutzen können, um uns gegenseitig Dateien zu schicken. Manchmal mieten wir auch ein Haus auf Ibiza oder in Miami und arbeiten dort zusammen. Wir haben uns an diese verrückten Abläufe gewöhnt. Dank meines Jobs als DJ kann ich die Musik in der Praxis testen und erfahre alles über die neuen Entwicklungen auf dem Dancefloor. Ich treffe unterwegs auch viele andere DJS und daraus entstehen Kollaborationen. André von ATB beispielsweise habe ich auf dem Flughafen getroffen.

Studio: Vergangenheit und Zukunft

Beat / Euer Studio hat sich radikal verändert im Laufe der Jahre.

Dash Berlin! / Als Pronti & Kalmani die Alice-Deejay-Platten produzierten, haben sie in einem Studio in Hilversum gearbeitet. Hilversum ist eine kleine Stadt, aber sie ist auch der Standort aller großen Radio- und Fernsehsender. So kam die Zusammenarbeit mit Wessel van Diepen zustande, einem legendären Radio-DJ und Produzenten und der wichtigste Mann hinter dem Vengaboys-Projekt. Schon damals war das Setup hauptsächlich digital, aber noch recht stark Hardware-orientiert. Eelke und Sebstiaan haben auf einem Yamaha O2R abgemischt, einem der ersten verhältnismäßig erschwinglichen digitalen Mischpulte mit vollen Fader- und EQ-Recall-Optionen. Daneben nutzten sie Synths wie den Roland JP-8000 und JV-1080 sowie den Korg Prophecy. Das Sampling lief über einen Akai S6000 und die Roland TR-909 war die Basis für viele Drum-Sounds. Wir haben viele von den Geräten immer noch, nutzen sie aber kaum noch.

Beat / Was nutzt ihr stattdessen?

Dash Berlin! / Unser Setup ist recht unkompliziert. In unserem Hauptstudio in Den Haag haben wir einen Mac, auf dem Apple Logic X als DAW läuft. Außerdem Ableton, das über Logic weitergeleitet wird. Ich verwende Ableton auch dafür, Edits zu erstellen, wenn ich auf Tour bin. Einige unserer liebsten Plug-ins sind von Native Instruments – Massive, Kontakt, der FM8 sowie die Arturia Synths – wirklich alles von Rob Papen, beispielsweise der Albino und The Predator. Nexus ist ebenfalls toll und natürlich der Sylenth. Beim Abmischen verwenden wir SSL Eq, aber auch einige der internen Logic Plug-ins – sie sind wirklich gar nicht so schlecht, vorausgesetzt du hast ein ordentliches Sound-System zum Abhören. Und der esx24 ist derzeit unserer bevorzugter Sampler. Obwohl wir immer mehr direkt im Audio machen.

Beat / Warum?

Dash Berlin! / Früher waren die Editier-Optionen Sampler-spezifisch. Heute aber kannst du eine Menge davon direkt in dem Audio-Kanal vornehmen. Das hat unseren Workflow deutlich verbessert. Wir mastern unsere Tracks auch selbst. Es gibt da einige gute Plug-ins, wie beispielsweise Izotope Ozone, Waves Ultramaximizer und die wirklich hervorragenden Produkte von Brainworx. Wir finden es wichtig, so schnell wie möglich zum Punkt zu kommen.

Beat / Wie bewertet ihr einige der Alternativen zum traditionellen Keyboard?

Dash Berlin! / Ich bin da oldschool. Geräte wie Ableton Push sind sehr cool und es ist uns schon klar, warum andere sie verwenden, um Clips oder Samples zu triggern. Wir haben auch einige Drumpad-Geräte im Studio, einfach nur um sie auszuprobieren. Aber wir kehren immer wieder zu den Klaviertasten zurück. Wir sind Gewohnheitstiere (lacht). Uns ist es aber auch wichtig, dass es um den Song geht. Die meisten unserer Tracks würden auch auf einer Gitarre oder dem Klavier funktionieren. Die Beats sind nur ein Mittel zum Zweck, damit die Musik auch im Club funktioniert. Es macht Spaß, sich diesen stets ändernden Gegebenheiten der Musiklandschaft anzupassen.

Beat / Würdet ihr euch als Studio-Geeks bezeichnen?

Dash Berlin! / Natürlich ist die Technologie unglaublich vorangeschritten und wir nutzen sie zu unserem Vorteil. Trotzdem konzentrieren wir uns komplett auf die Musik. In der Vergangenheit haben wir uns mehr mit Details aufgehalten. Seitdem aber haben wir uns weiter entwickelt. Heute trauen wir uns, früher loszulassen. Wir haben eine Sache gelernt: Alles, was zählt, ist die Grundidee eines Songs. Du musst eine Art kreative Grenze ziehen, dich selbst einschränken. Sonst verbringst du die ganze Nacht mit Korrekturen und Feinarbeit – und verpasst womöglich deine Deadline.

Schlaues Schichten

Beat / Wie entstehen die druckvollen Leads eurer Produktionen?

Dash Berlin! / Durch schlaues Schichten. Du füllst das gesamte Klangspektrum mit Sounds, die sich gegenseitig ergänzen. Unser kleines Geheimnis: Es geht nicht darum, einzelne Spuren im Solo- Modus zu bearbeiten und abzumischen. Es ist viel besser, dir den Mix als Ganzes anzuhören und genau darauf zu achten, wo die Lücken sind. Dafür verwendest du am besten deine Ohren und nicht nur den Bildschirm.

Beat / Im Gegensatz zu vielen Kollegen legt ihr Wert auf eine gewisse Dynamik in euren Produktionen …

Dash Berlin! / Wir haben uns dazu entschieden, nicht an dem Loudness-War teilzunehmen. Einige jüngere Produzenten und Hörer mögen uns dafür als rückwärtsgewandt halten. Du kannst beim Abmischen dafür sorgen, dass die Musik laut genug klingt, ohne dass sie flach oder überkomprimiert wirkt, indem du beispielsweise unerwünschte tiefe Frequenzen aus deinen Samples und Synths herausschneidest. Darüber hinaus ist es wichtig, einen guten Abhörraum zu haben und vernünftige Lautsprecher, damit du weißt, was du da überhaupt tust.

Beat / Wie entsteht bei euch ein guter Radio-Edit?

Dash Berlin! / Es ist ein Trial-and-Error-Prozess. Wir machen zunächst einmal eine Menge grober Edits in Ableton, einfach um zu sehen, was funktioniert und was nicht. Sobald wir zufrieden sind – und mit „wir“ meine ich sowohl die Band als auch das Label – editieren wir diese Version in Logic und mischen es fürs Radio ab.

Beat / Das klingt nach einem sehr inklusiven Prozess, an dem viele beteiligt sind. Auch der Albumtitel „We Are“ deutet darauf hin.

Dash Berlin! / Es sind in der Tat sehr viele daran involviert. Zunächst einmal die Fans, dann aber auch Journalisten wie du, Blogger, Promoter, andere Produzenten, Künstler und Sänger. Und mit dem Titel möchte ich alle beteiligen, statt die Musik einfach nur einseitig zu präsentieren. Kommunikation ist unglaublich wichtig.

Beat / Wie siehst du die Zukunft von Trance als Genre?

Dash Berlin! / Ich versuche stets in meinen Sets und Produktionen, Trance nach vorne zu bringen. Viele behaupten ja immer noch, die beste Zeit von Trance liege in der Vergangenheit. Aber für mich steht fest, dass aus reinen Wiederholungen nichts Interessantes entstehen kann. Es ist mir wichtig, dass die Dinge sich weiterentwickeln, dass auch wir einen erkennbaren Sound haben, den man nicht einfach kopieren kann. Die Zukunft sieht doch großartig aus, es gibt eine Menge toller Talente, die stets aufs Neue die Grenzen von Trance erkunden und verschieben. Das ist eine gute Sache für eine Szene, die immer noch zu den größten der Dance-Kultur gehört.  

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