Quelle: https://www.beat.de/news/vor-nachteile-freier-lizenzen-10054956.html

Autor: Beat

Datum: 11.03.12 - 08:47 Uhr

Vor- und Nachteile freier Lizenzen

Freie Lizenzmodelle, darunter das beliebte „Creative Commons“, gibt es mittlerweile wie den sprichwörtlichen Sand am Meer. Doch leider kollidiert dieses Konzept mit den Verwertungsgesellschaften und kann die Position des Künstlers auch deutlich schwächen.

In unserem Workshop zum Thema Sample-Clearing konnte Beat bereits aufzeigen, wie weit der Schutz des Urheberrechts reicht. Für einen Künstler ohne eine zahlungskräftige Musikindustrie im Rücken ist eine umfassende Rechteklärung mit vertretbarem Aufwand kaum noch möglich, sodass bei Nutzung von urheberrechtlich geschütztem Material grundsätzlich immer ein gewisses Restrisiko besteht, hohen Schadensersatzforderungen ausgesetzt zu werden oder sich sogar strafbar zu machen. Aber auch dem Urheber selbst, der möglicherweise im Sinne einer freien Kultur eine umfassende Verbreitung seiner Werke wünscht, kann das Urheberrecht im Wege stehen. Ohne juristischen Hintergrund hat er eigentlich nur die Wahl, seine Werke entweder überhaupt nicht oder aber unter dem gesetzlichen Standardschutz „alle Rechte vorbehalten“ zu veröffentlichen.

Creative Commons

Diese Problematik wurde im Jahr 2001 auch an der Stanford Law School erkannt und daher in Anlehnung an die im Softwarebereich bereits etablierte GNU General Public License (GPL) ein Konzept entwickelt, das den Austausch von Nutzungsrechten zwischen Kreativen erleichtern soll. Hieraus entstand „Creative Commons“ (frei übersetzt etwa „schöpferisches Gemeingut“), eine gemeinnützige Gesellschaft, die im Internet verschiedene Standard-Lizenzverträge veröffentlicht und diese mittlerweile auch an das deutsche Rechtssystem, das sich maßgeblich von dem anglo-amerikanischen unterscheidet, angepasst hat.

Creative Commons, kurz CC, bietet den Urhebern ein einfaches, Web-basiertes Formular, mittels dessen sie Lizenzbedingungen auf ihre individuellen Bedürfnisse anpassen können. Alle CC-Lizenzen gibt es in dreifacher Ausführung: zum einen als einfachen, umgangssprachlichen Text, der auch für den Laien verständlich beschreibt, welche Werknutzungen freigegeben sind. Zum anderen als rechtlich verbindlichen Lizenztext, der von Juristen erarbeitet und geprüft wurde. Die dritte Version ist eine computerlesbare Datei, die es ermöglicht, dass Suchmaschinen ihre Resultate im Hinblick auf den Rechtsstatus hin filtern können. Daher bieten sowohl Google als auch Yahoo an, ihre Suchergebnissen nach Lizenzmodell zu filtern und beispielsweise nur Fotos anzuzeigen, die in einem kommerziellen Zusammenhang weiterverwendet werden dürfen.

Zudem gibt es bereits umfangreiche Musikkataloge wie Jamendo, die ausschließlich CC-lizenzierte Musik anbieten. Die freie Kopier- und Verteilbarkeit und die Pflicht der Autorennennung sind bei allen CC-Lizenzen vorgeben. Der Urheber kann nun entscheiden, ob er kommerzielle Nutzungen seines Werkes generell erlauben möchte oder nicht. Er kann ebenfalls entscheiden, ob sein Werk frei weiterverarbeitet werden darf und ob die Bearbeitung nur unter vergleichbaren Bedingungen wie beim Original weitergegeben werden darf.

Gibt der Urheber sein Werk unter einer CC-Lizenz in die Öffentlichkeit, dann gibt er eine Willenserklärung „an einen unbekannten Personenkreis“ auf Abschluss eines Vertrages ab, und zwar auf die Erteilung eines Nutzungsrechts nach dem CC-Lizenzvertrag mit den entsprechenden Bedingungen. In dem Zeitpunkt, in dem der Nutzer das Werk herunterlädt, nimmt er dieses Angebot an und erwirbt so das Nutzungsrecht. Allerdings erhält ein Nutzer durch die CC-Lizenzierung nicht das Recht, selbst Dritten die Nutzungsrechte einzuräumen. Der CC-Lizenzvertrag schließt Unterlizenzierungen ausdrücklich aus.

Viele Musiker beziehen ihr Einkommen heutzutage eher aus Gagen für Live-Auftritte und nicht mehr oder nur zu einem geringen Teil aus dem Verkauf von Tonträgern oder vergleichbaren Medien. Daher dienen Veröffentlichungen in erster Linie dazu, sich einen Namen in der relevanten Szene aufzubauen und dadurch an Auftritte zu kommen. Durch den freien Vertrieb ist es sehr viel einfacher, ein Publikum zu erreichen, weil die Vertriebsmöglichkeiten des Internets denen der spezialisierten Musikläden weit überlegen sind. Die Veröffentlichung kann ohne größere zeitliche Verzögerung erfolgen, zudem sind die anfallenden Kosten gering. Netlabels schaffen neue Möglichkeiten zur Verbreitung der eigenen Werke und können sich so als effektiver Weg erweisen, Künstler bekanntzumachen.

Für Musiker, deren Werke sich nicht zur Live-Performance eignen, bergen die freien Lizenzen allerdings auch einige Risiken. Bisher haben ihnen die meist durch die Verwertungsgesellschaften eingetriebenen Nutzungsgebühren für ihre Werke eine finanzielle Unabhängigkeit gegenüber Verlagen und Plattenfirmen gesichert. Diese Autonomie würde bei einer CC-Lizenz wegfallen. Die freie Lizenz kann daher die Position des Künstlers, paradoxerweise besonders auch im Hinblick auf künstlerische Freiheiten, auch deutlich schwächen.

Alles flat?

Um diesen Widerspruch zu lösen und das Problem der Vergütung kultureller Produzenten bei freiem Austausch kultureller Güter grundsätzlich anzugehen, wird von vielen Seiten eine Kulturflatrate gefordert. Die wesentliche Idee dahinter ist: Urheber, deren Werke über das Internet verteilt werden, sollen indirekt entschädigt werden. Dies ist entfernt vergleichbar mit der Leermedien- und Geräteabgabe, die zugunsten der großen Verwertungsgesellschaften bereits existiert. Bis eine solche Kulturflatrate aber in die Tat umgesetzt ist, muss jeder Künstler unter Betrachtung aller Vor- und Nachteile selbst abwägen, ob eine Veröffentlichung seiner Werke unter einer freien Lizenz auch mit Blick in die Zukunft in seinem Interesse sein wird. Denn eine einmal erteilte CC-Lizenz für ein Werk kann grundsätzlich nicht widerrufen werden.

Gemäß Berechtigungsvertrag überträgt das Mitglied der GEMA „sämtliche ihm derzeit zustehenden und zukünftig zufallenden Verwertungsrechte“ an seinen Werken zur exklusiven Wahrnehmung. Dies gilt sowohl für neue Werke als auch für solche, die er vor dem Beitritt erstellt, aber noch nicht unter einer CC-Lizenz verbreitet hatte. Ab diesem Zeitpunkt ist es dem Urheber daher nicht mehr möglich, ein Werk unter einer CC-Lizenz zu veröffentlichen. Vor Vertragsschluss eingeräumte Rechte bleiben allerdings bestehen und werden durch eine spätere Rechteübertragung nicht beeinträchtigt (Sukzessionsschutz, geregelt in § 33 UrhG).

Für den Nutzer bedeutet dies: Wenn er sich Musikstücke unter CC-Lizenz heruntergeladen und daraus beispielsweise ein DJ-Set oder einen Podcast gebastelt hat, kann er dieses neue Werk auch dann weiter benutzen, wenn der Urheber der Musikstücke später der GEMA beitreten sollte. Er kann sich gegenüber der GEMA auf die einmal erteilten kostenlosen Nutzungsrechte gemäß der CC-Lizenz berufen. Aufgrund der sogenannten „GEMA-Vermutung“ muss allerdings der Nutzer beweisen, dass er die Musikstücke unter CC-Lizenz erworben hat, bevor der Urheber der GEMA beigetreten ist, was mitunter schwierig werden kann.

Problematisch wird es, wenn der Nutzer sich ein ursprünglich unter CC-Lizenz stehendes Stück herunterlädt, nachdem der Urheber in die GEMA eingetreten ist. Denn dann kommt es zu einer Rechtekollision, da der Urheber aufgrund des Vertrages mit der GEMA ja keine CC-Lizenz mehr einräumen kann. Der Nutzer muss dann nach derzeitiger Rechtslage GEMA-Gebühren nachzahlen. Er kann diese Kosten aber seinerseits im Rahmen eines Schadensersatzanspruches gegen den Urheber geltend machen, wenn dieser nicht ausreichend kenntlich gemacht hat, dass seine Werke nicht mehr unter CC-Lizenz stehen. Noch komplizierter wird die Angelegenheit, wenn der Urheber die Rechte an seinen Stücken in einem individuellen Vertrag auf ein Netlabel übertragen hat und das Netlabel diese Stücke unter CC-Lizenz veröffentlicht. Da das deutsche Recht keinen Vertrag zulasten Dritter kennt, kann dem Netlabel das Recht zur Veröffentlichung auch unter CC-Lizenz eigentlich nicht dadurch entzogen werden, dass der Urheber selbst einen entgegenstehenden Vertrag mit der GEMA schließt.

Da die Problematik aber noch relativ jung ist, fehlt es an gerichtlichen Entscheidungen und es herrscht daher eine gewisse Rechtsunsicherheit. Creative Commons will deshalb nach eigener Aussage auch in Verhandlungen mit den Verwertungsgesellschaften treten, um eine angemessene Lösung zu finden. Eine interessante Diskussion zu diesem Thema mit vielen weiteren Nachweisen, angelehnt an einen realen Fall, kann man aktuell in Mo Sauers Online-Magazin „Phlow“ nachlesen.

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In der Version 3.0 stehen dem Rechteinhaber für den deutschen Rechtsraum derzeit insgesamt sechs verschiedenen CC-Lizenzen zur Verfügung, die sich aus der Kombination der verschiedenen Bedingungen ergeben:

Namensnennung:

Das Werk bzw. der Inhalt darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Abwandlungen und Bearbeitungen des Werkes bzw. Inhaltes dürfen angefertigt werden.

Der Name des Autors/Rechteinhabers muss in der von ihm festgelegten Weise genannt werden.

Namensnennung-KeineBearbeitung

Das Werk bzw. der Inhalt darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Das Werk bzw. der Inhalt darf nicht bearbeitet, abgewandelt oder in anderer Weise verändert werden.

Der Name des Autors/Rechteinhabers muss in der von ihm festgelegten Weise genannt werden.

Namensnennung-NichtKommerziell

Das Werk bzw. der Inhalt darf vervielfältigt, verbreitet und öffentlich zugänglich gemacht werden.

Abwandlungen und Bearbeitungen des Werkes bzw. Inhaltes dürfen angefertigt werden.

Das Werk bzw. der Inhalt darf nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden.

Der Name des Autors/Rechteinhabers muss in der von ihm festgelegten Weise genannt werden.

Namensnennung-NichtKommerziell-KeineBearbeitung

Kombination aus den beiden vorgenannten Lizenzen

Namensnennung-NichtKommerziell-Weitergabe unter gleichen Bedingungen

Das Werk bzw. der Inhalt darf nicht für kommerzielle Zwecke verwendet werden.

Die bearbeitete Version darf nur unter Verwendung von Lizenzbedingungen weitergegeben werden, die mit denen dieses Lizenzvertrages identisch oder vergleichbar sind. Der Name des Autors/Rechteinhabers muss in der von ihm festgelegten Weise genannt werden.

Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen

wie oben, aber das Werk darf auch für kommerzielle Zwecke verwendet werden.

von RA Jan Wilking