Sample-Clearing konkret

Geschrieben von Beat
24.02.2012
19:06 Uhr

Um die Verwendung von Samples in eigenen Produktionen ranken sich zahlreiche Legenden. Was aber ist denn nun wirklich erlaubt? In dieser Serie durchleuchten wir die Möglichkeiten und Grenzen im Musikrecht unter Berücksichtigung der aktuellen BGH-Rechtsprechung.

(Bild: www.jan-wilking.de)

Jeder, der sich ein wenig mit den rechtlichen Voraussetzungen des Samplings beschäftigt hat, kennt bestimmt Aussagen wie: „Drei Sekunden sind zulässig“, „maximal vier Takte darf man übernehmen“ oder „Drumloop immer, Melodie nie“. Angesichts der Bedeutung von Sampling in der aktuellen Musik ist es schon erstaunlich, wie viele juristische Legenden sich um dieses Thema ranken. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass sich bisher kaum deutsche Gerichte mit dem Thema beschäftigen mussten. Was eigentlich erstaunlich ist, da selbst die „Großen“ der Branche, die es eigentlich besser wissen sollten, bisher doch sehr lax mit dem Thema „Sample-Clearing“ umgegangen sind. Prominentestes Beispiel ist wohl Bushido gegen Dark Sanctuary.

Erst in den letzten Jahren nahm die Anzahl der Klagen wegen unerlaubten Samplings zu. Ende 2008 gab es endlich eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) hierzu, und zwar ging es um eine Rhythmus-Sequenz aus dem Stück „Metall auf Metall“ von Kraftwerk, die ohne vorherige Rechteeinholung dem Song „Nur mir“ von Sabrina Setlur unterlegt wurde. Dieses Urteil scheint allerdings mehr Verwirrung gestiftet als Licht ins Dunkel gebracht zu haben. So variieren die Überschriften der Kommentare auch von „Selbst kleinste Tonfetzen sind geschützt“ bis zu „BGH erlaubt Sampling“. Rechtlich falsch sind beide Aussagen nicht, was alleine schon die Komplexität der Thematik verdeutlicht.

Welche Rechte bestehen?

Um die Problematik begreifen zu können, müssen wir uns zunächst kurz die Rechte der Beteiligten ansehen, in die durch das Sampling möglicherweise eingegriffen wird.

Dies sind zum einen die Urheberrechte des Komponisten: Voraussetzung für das Entstehen der Urheberrechte ist, dass es sich um ein Werk der Musik im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.2 Urheberrechtsgesetz (UrhG) handelt. Dies ist nur der Fall, wenn die Musik eine hinreichende Schöpfungshöhe aufweist, also salopp gesagt eine eigene Handschrift des Komponisten erkennbar ist. Hierbei darf aber nicht das Original betrachtet werden, sondern nur das Sample an sich, sodass bei sehr kurzen oder wenig prägnanten Samples mangels Wiedererkennungswert die entsprechende Schöpfungshöhe in der Regel nicht erreicht wird. Der McDonalds-Werbejingle („Ich liebe es“) beispielsweise wurde vom Gericht als zu simpel eingestuft und genießt daher keinen Urheberrechtsschutz.

Urheberrechte des Texters: Wenn das Sample auch (Sprech-)Gesang enthält, können hieran Urheberrechte des Texters bestehen, wenn es sich um ein Sprachwerk im Sinne des § 2 Abs.1 Nr.1 UrhG handelt. Auch hier ist aber nur der gesampelte Ausschnitt zu betrachten, es gelten dieselben Einschränkungen wie beim Komponisten.

Leistungsschutzrechte des ausübenden Künstlers: Anderen Mitwirkenden an der Originalaufnahme, wie dem Sänger, Keyboarder oder Gitarristen, stehen die sogenannten Leistungsschutzrechte zu, §§73 ff. UrhG. Auch diese bestehen aber nur, wenn das Sample an sich urheberrechtlich geschützt ist, es müssen also die oben genannten Voraussetzungen erfüllt sein.

Leistungsschutzrechte des Tonträgerherstellers: Jetzt wird es interessant, kommen wir doch damit zum neuen Universalwerkzeug der Musikindustrie gegen das Sampling. Denn auch der Tonträgerhersteller, meist die Plattenfirma, hat gemäß § 85 UrhG Leistungsschutzrechte, und zwar am Originaltonträger. Das Tolle hieran ist – zumindest aus Sicht der klagenden Musikindustrie –, dass tatsächlich auch kürzeste Tonfetzen vom Schutz umfasst sind. Eine irgendwie geartete Schöpfungshöhe muss nicht vorhanden sein, denn geschützt werden soll in diesem Fall nicht die künstlerische, sondern die wirtschaftliche Leistung, die der Tonträgerhersteller erbringt.

Konsequent angewandt würde dies in der Praxis aber bedeuten, dass die Möglichkeit des legalen Samplings alleine in die Hände der Tonträgerhersteller gelegt wird. Selbst die Nutzung eines kurzen Bassdrum-Samples wäre demnach ohne Genehmigung unzulässig! Dieses Problem hat auch der BGH gesehen, daher nach einem Ausweg aus dem Dilemma gesucht und diesen in der sogenannten Freien Benutzung, geregelt in § 24 Abs.1 UrhG gefunden. Da es im Sinne einer „kulturellen Fortentwicklung“ möglich sein muss, aufbauend auf bestehenden Werken neue Werke zu erstellen, ist die freie Benutzung ohne Zustimmung des Rechteinhabers zulässig, wenn das neugeschaffene Stück von dem Sample „einen so großen Abstand hält, dass es als selbständig anzusehen ist“.

Damit es aber nicht zu einfach wird und wir Juristen nicht völlig überflüssig werden, schränkt der BGH diese freie Benutzung wiederum ein für den Fall, dass es sich bei dem Sample um eine Melodie handelt (juristisch definiert als „eine in sich geschlossene und geordnete Tonfolge, in der sich der individuell ästhetische Gehalt ausdrückt“) oder der Nutzer „befähigt und befugt“ ist, die gesampelte Passage selbst einzuspielen.

Wann brauche ich eine Genehmigung?

Die Ausführungen des BGH führen in konsequenter Anwendung zu folgender Checkliste:

• Handelt es sich bei dem Sample um eine Melodie?

• Bin ich in der Lage, das Sample selbst nachzuspielen?

• Hat das Sample für das von mir neu erstellte Musikstück noch prägenden Charakter, verblasst es also nicht hinter meinem neuen eigenständigen Werk?

Wenn nur eine dieser Fragen mit Ja beantwortet werden kann, ist eine Genehmigung der Rechteinhaber notwendig, und zwar nicht erst bei einer Veröffentlichung, sondern streng genommen schon bei der Herstellung des neuen Musikstückes, da es sich beim Erstellen des Samples selbst bereits um eine (ohne die entsprechenden Rechte unzulässige) Vervielfältigung handelt.

Woher bekomme ich eine Genehmigung?

Eine legale Nutzung setzt den Erwerb der notwendigen Nutzungsrechte von allen Rechteinhabern voraus. Vor dem Sampling müssen also im Regelfall sowohl die Nutzungsrechte von den Urhebern des Samples (Komponist und Texter) als auch von den Leistungsschutzberechtigten (ausübende Künstler und Tonträgerhersteller) eingeholt werden. Soweit Komponist und Texter ihre Nutzungsrechte auf die GEMA übertragen haben, ist diese für die Genehmigung zuständig, sonst der Urheber selbst. Die ausübenden Künstler haben ihre Nutzungsrechte zumeist auf den Tonträgerhersteller übertragen, sodass dieser hierfür der Ansprechpartner ist. Steht hinter der eigenen Produktion eine große Plattenfirma oder Musikverlag, übernehmen diese meist die Rechteklärung. Bei Eigenproduktion kommt man aber nicht darum herum, selbst bei den Beteiligten anzufragen, was ein langwieriges und aufwändiges Verfahren sein kann, das zudem oftmals nicht zum Erfolg führt. Eine übergeordnete Instanz, die die Rechte bündelt, gibt es leider nicht. Die Mitte der Neunziger gegründete Clearingstelle CMMV, der neben der GEMA noch andere Verwertungsgesellschaften angeschlossen waren und die die Rechtebeschaffung erleichtern sollte, wurde 2007 wieder aufgelöst, angeblich wegen mangelnder Nachfrage.

Sampling ohne Genehmigung?

Natürlich kann man sich jetzt denken: „Ich presse eh nur eine Auflage von 500 Stück und verkaufe diese im Eigenvertrieb, dafür lohnt sich weder der Aufwand des Sample-Clearings noch die zu zahlenden Lizenzgebühren, denn merken tut es sowieso keiner. Und wenn es überraschenderweise ein riesen Hit wird, kann ich mich immer noch darum kümmern.“ Oftmals kommt man mit dieser Einstellung tatsächlich durch, denn „wo kein Kläger, da kein Richter“, aber risikolos ist das Ganze nicht.

Wenn nach dem Obengenannten eine Genehmigung erforderlich ist, diese aber nicht eingeholt wurde, stehen nämlich nicht nur allen Rechteinhabern insbesondere Beseitigungs-, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche zu, sondern man macht sich auch strafbar, wobei die §§ 106 und 108 UrhG eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsehen! Zudem kann man für den Fall, dass der Track tatsächlich ein kommerzieller Erfolg wird, mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich die Rechteinhaber nicht mehr nur mit einem Stück vom Kuchen zufrieden geben, sondern die ganze Tortenplatte nebst Sahne nehmen. Bekanntes Beispiel: „Bittersweet Symphony“ von „The Verve“, das im Endeffekt zu einhundert Prozent den Herren Jagger und Richards zugeschrieben wurde, da das prägnante Streichersample aus einem Rolling-Stones-Stück stammte. Ein vorheriges vollständiges Sample-Clearing (es wurde zwar vor Veröffentlichung eine Erlaubnis eingeholt, allerdings nicht von den richtigen Rechteinhabern) hätte hier zu einer deutlich besseren Quote geführt!

Sampling-Libraries

Auch bei der ausschließlichen Nutzung von Sampling-Libraries ist man nicht automatisch auf der sicheren Seite. Wenn der Ersteller der Library sich selbst ohne Genehmigung aus fremden Werken bedient hat, können die Rechteinhaber auch gegen den Nutzer selbst vorgehen, auch wenn dieser aufgrund des Kaufes im guten Glauben war, dass alles rechtlich geklärt sei. Denn die meisten Ansprüche aus dem UrhG setzen kein schuldhaftes Handeln voraus. Leser älteren Semesters werden sich vielleicht noch an eine der ersten kommerziellen Sampling-CDs erinnern, die eine wahre „Goldmine“ an Samples aus anderen Musikstücken enthielt, deren rechtliche Absicherung aber wohl etwas vernachlässigt wurde.

Doch selbst wenn die Library nur vom Hersteller selbst erstelltes oder lizenziertes Material enthält, muss stets Augenmerk auf die Lizenzbedingungen (EULA) gelegt werden. Dort wird insbesondere die kommerzielle Nutzung teilweise gar nicht oder nur unter Quellenangabe oder Zahlung einer zusätzlichen Lizenzgebühr gestattet. Weitere Einschränkungen können sich daraus ergeben, dass das Sample nicht freistehend im musikalischen Kontext auftauchen darf, was zum Beispiel bei einem klassischen Drumbreak problematisch werden kann.

Praxistipp

Der einfachste und zugleich kreativste Weg, die zahlreichen juristischen Fallstricke des Samplings zu umgehen, liegt auf der Hand: Einfach versuchen, das Sample mit eigenen Mitteln nachzuspielen! Oftmals entstehen hierbei freiwillig oder unfreiwillig eigenständige Loops, die so weit vom Original entfernt sind, dass Rechte Dritter nicht mehr berührt werden. Und vielleicht wird dieser kreative Erguss später selbst von anderen Musikern gesampelt. Ob man sich in diesem Fall über die Würdigung freut, oder ob man sich auch ein Stück vom Kuchen abschneiden möchte, kann man dann selbst entscheiden.

von RA Jan Wilking

Cookies helfen uns, bei der Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden. Verstanden