Netaudio: Danny Kreutzfeldt

Geschrieben von Beat
24.02.2012
18:44 Uhr

Mit seinen Veröffentlichungen für die Netlabel thinner und stadtgruen war Danny Kreutzfeldt einer der Begründer eines dubbig-kosmischen Sounds, der die Szene über Jahre hinweg bestimmen sollte. Doch eine kreative Krise führte zu einer faszinierenden Neuorientierung: Beim Periskop-Projekt gibt es keine warmen Harmonien und Melodien mehr, keine EPs und Alben. Stattdessen geht es auf Kreutzfeldts bisher persönlichster Reise hinab in die Tiefen posthumaner Gewässer, in einen endlos wachsenden Ozean aus eiskaltem Techno, zeitlupenhaftem Echolot-Electro und stählerner U-Boot-Ästhetik.

(Bild: kreutzfeldt.dustopper.dk)

Beat / Die meisten werden das Thema „U-Boot“ mit dem U96-Track „Das Boot“ verbinden, der musikalisch weit von dem entfernt ist, was du mit Periskop machst …

Danny / „Das Boot“ ist tatsächlich der erste Techno-Track, den ich bewusst wahrgenommen habe. Als ich elf oder zwölf war, hat dieses Stück bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen. Es hat mich ganz klar beeinflusst und ich sehe eindeutig eine Verbindung mit der Ästhetik von Periskop. Die Kombination aus Sonar-Pings, wilden maschinellen Beats, ergreifend-emotionalen Streichern und Sprachsynthese erzeugt aus meiner Sicht eine bedeutend einnehmendere Symbiose aus Mensch und Maschine als die ironische und kitschige Distanz von Kraftwerk. Je mehr ich darüber nachdenke, um so kleiner erscheint mir die Distanz.

Beat / Wieso waren U-Boote und das Periskop überhaupt für dich so interessant?

Danny / Für mich ist das U-Boot ein Transportmittel für Reisen durch ein fremdes Gebiet, das eine Isolierung von der Außenwelt impliziert. Es verkörpert einen technologisch geprägten und extrem eingeschränkten Raum für menschliche Existenz. Das Periskop stellt dabei eine Beziehung zwischen der posthumanen Umgebung des U-Boots und der öffentlichen Sphäre an der Oberfläche her. Man kann solch eine Reise durchaus mit meinem kreativen Prozess vergleichen, der mit einer beträchtlichen Menge an Introversion einhergeht. Die vielen verschiedenen Programme, die ich verwende, sind ein ebenso wichtiger Faktor wie die Gedanken und spontanen Einfälle, welche ich durch sie hindurchschicke. In diesem Sinne symbolisiert das Periskop in gewisser Weise eine Ein-Richtungs-Kommunikation zwischen der alltäglichen Realität und einem Ort, an den ich gehe, um mich selbst auszudrücken.

Beat / Wie entstand aus diesen verschiedenen Ideen das Periskop-Projekt?

Danny / Alles fing im Jahr 2003, während einer Phase persönlicher Umbrüche, an. Damals war die Vorstellung eines Periskops als eines Werkzeugs, um das Licht an der Oberfläche zu sehen, sehr hilfreich für mich. In dem Jahr nahm ich mit einem befreundeten Vokalisten genug Material für ein Album voll melancholischer Dub-Tracks auf. Es blieb dann aber verschollen, bis ich 2007 an verschiedenen anderen Projekten arbeitete und fühlte, dass ich zunehmend uninspirierter wurde und dringend einige grundlegende Prämissen meiner Art, Musik zu machen, neu definieren musste. Ein Jahr später hatte ich diesen Selbstfindungsprozess abgeschlossen und kehrte nicht mehr zu meinen anderen musikalischen Solo-Projekten zurück.

Verhandlung der Menschlichkeit

Beat / Du hast eines der Themenfelder von Periskop als die Erforschung „posthumaner Umgebungen“ beschrieben. Steckt eine politische Absicht hinter deinen Aktivitäten?

Danny / Sicherlich nicht im Sinne einer klar formulierten Botschaft. Aber wir leben ganz gewiss in einer Zeit, in der die Frage, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, neu verhandelt wird. Der Begriff posthuman sollte nicht mit postapokalyptisch verwechselt werden. Es geht vielmehr um das Gefühl, das wir zunehmend in einer durch Technologie bestimmten Beziehung mit unserer Umwelt leben. Ich will weder dafür noch dagegen Partei ergreifen, sondern lieber darüber reflektieren, dass die Vorstellung eines freien, kreativen Subjekts, das Technologie nur als Werkzeug nutzt, um eine künstlerische Vision zu erzielen, inzwischen obsolet geworden ist. Und so versuche ich, wenn ich an Periskop-Tracks arbeite, mich so tief wie möglich der technologischen Vermittlung kreativer Arbeit zu unterwerfen.

Beat / Das Erste, was einem an der Entstehung dieser Tracks auffällt, sind tatsächlich ihre bewussten Restriktionen.

Danny / Ich tendiere oft zum Perfektionismus und da sind die Restriktionen ein hervorragender Weg, die scheinbar endlosen Möglichkeiten softwarebasierter Komposition und Sound-Gestaltung einzugrenzen. Ich denke, eine Menge Produzenten elektronischer Musik verwenden sie entweder unterbewusst oder ganz gezielt. Restriktionen waren für mich immer mit einer Vorstellung einer konsistenten Ästhetik verbunden. Somit stellen sie nicht etwas dar, was es zu überwinden, sondern zu nutzen gilt.

Bei Periskop habe ich es von Anfang an als extrem befriedigend empfunden, mit einem künstlerischen Vakuum zu beginnen, in dem nichts erlaubt ist, und mich dann allmählich in Richtung einer ausgewogenen Balance aus Einschränkungen zu öffnen, die es mir sowohl ermöglichen als auch fruchtbar erscheinen lassen, das gleiche Experiment verschiedene Male zu wiederholen. Dabei ist die 15-BPM-Restriktion in den acht Click-Doom-Tracks, die stark auf Drumcomputer-Sounds basiert und bei der alle 32 Takte ein neues Element eingeführt wird, sicherlich die anspruchsvollste. Aber letztlich ist es auch die lohnendste. Die Stücke, die dabei entstehen, gehören vielleicht zu den originellsten Sachen, die ich musikalisch überhaupt gemacht habe.

Beat / Wie entstehen aus den Restriktionen konkrete Tracks?

Danny/ Das gesamte Projekt kann klar in zwei verschiedene Typen von Arbeiten gegliedert werden. Da gibt es einmal die experimentellen Schöpfungen, bei denen ich Sachen ausprobiere und auf ein neues Rahmenwerk hinarbeite. Und dann gibt es die rituellen Kompositionen, in denen ich ein ganz bestimmtes Experiment wiederhole, um damit einen Track in einem der fortzuführenden Release-Reihen zu produzieren und zu veröffentlichen. Der U-Boot-Sound ist eine komplett kausale Erweiterung der Rituale. Gerade führe ich mehr Experimente durch, was zwangsläufig weniger neuen Produktionen zur Folge hat – dafür aber mehr spannende Rituale in der Zukunft.

Neue Traditionen

Beat / Ist diese Art einer freien Entwicklung von Materialien für dich eine Befreiung von den traditionellen Formaten wie Album und EP?

Danny / Ja. Auf jeden Fall. Es hat mir zumindest erlaubt, genau das zu tun, was ich möchte, wann ich es möchte. Daher stammt ja auch meine Entscheidung, meine Musik umsonst ins Netz zu stellen. Denn wenn keine finanziellen Aspekte tangiert werden, muss ich mir auch keine Gedanken um Fragen der Promotion machen. Diese Musik ist schlicht verfügbar und Leute können sie für sich entdecken – was immer noch und immer mehr passiert, immerhin dreieinhalb Jahre, nachdem ich den ersten Track hochgeladen habe. Wenn es nicht bereits eine Tradition gäbe, wie man Musik veröffentlicht, bin ich mir sicher, dass die meisten Musiker diese Methode vorziehen würden. Und genau genommen ist es doch das, was wir derzeit auch verstärkt in der Praxis beobachten: Die Dynamik des sozialen Webs transformiert die Veröffentlichungen verschiedener unabhängiger Künstler in stetig wachsende Playlists aus für sich stehenden YouTube-Clips oder Soundcloud-Tracks. Wenn man es aus dieser Perspektive betrachtet, sehe ich meine Herangehensweise nicht als etwas Besonderes.

Beat / Immerhin werden einige der Tracks demnächst in einem Album-ähnlichen Format veröffentlicht …

Danny / Es wird in der Tat irgendwann ein audiovisuelles Album geben, eine Kombination aus Vinyl-LP und DVD. Doch wird all das auch als kostenloser Download zur Verfügung stehen. Ich arbeite dafür mit einem dänischen Label zusammen, das als erste Plattform weltweit mit einer Gesellschaft für Leistungsschutzrechte an offenen Lizenzen für physische Tonträger zusammengearbeitet hat. Ich werde wahrscheinlich noch eine Weile an dem Album arbeiten. Aber wenn es einmal da ist, wird es Periskop einen erkennbaren visuellen Aspekt hinzufügen und die vielen Stunden Musik in gewisser Weise zusammenfassen.

Beat / Apropos viele Stunden Musik: Es gibt derzeit 835 Minuten Musik zum Herunterladen und es geht immer weiter. Kommt dir das manchmal nicht unheimlich vor?

Danny / Nicht wirklich, nein. Da ich jeden Schritt genau durchdacht habe, finde ich eher, dass ich noch nicht weit genug gegangen bin.

Beat / Kannst du denn überhaupt ein natürliches Ende von Periskop absehen?

Danny / Nein, es wird kein Ende geben. Vielleicht verwandelt es sich in eine Rock-Band, vielleicht in eine erfolgreiche Medien-Firma. Und möglicherweise wird es ja sogar über verschiedene Generationen hinweg vererbt.

Diskographie

Als Danny Kreutzfeldt:

2002 | Furtherspace EP

2002 | Protolith EP

2003 | Recore

2004 | Counterperipheral

2004 | Noiseworks 1

2005 | Noisejihad Live

2006 | Closelands

2006 | Disruption - The Ruptures Part 1

2006 | Corruption - The Ruptures Part 2

2006 | Noisejihad Live!

2007 | Abruption - The Ruptures Part 3

2007 | Numberground

2008 | Eruption - The Ruptures Part 4

Als sgnl_fltr:

2003 | Mikro

2004 | Vebra

2006 | Atrum

2006 | Chrono

2008 | Exhalo

2009 | Iktus

2009 | Mtnada_ep

von Tobias Fischer

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