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Interview: Siegmar Fricke – Pharmakustik

„Klinisch“ ist in der Musik ein eher negativ besetzter Begriff. Trotzdem hat sich die Medizin als eine äußerst fruchtbare Metapher für Siegmar Frickes Produktionen erwiesen. Mit der Pharmakustik stellt er eine ganz eigene Herangehensweise vor, bei der das Studio zum Forschungslabor, Sounds zu Untersuchungsobjekten und die Klangsynthese zu einem scharfen Skalpell werden. Dabei spielt seine Leidenschaft, allzu Bekanntem aus dem Weg zu gehen, eine ebenso große Rolle wie der anhaltende Einfluss der Krautrock- und Avantgarde-Pioniere.

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Obwohl für Fricke traditionelle Begriffe wie Harmonie, Rhythmus und Melodie bei der Produktion zunächst einmal tabu sind, haben seine Tracks nichts von der oft weltabgewandten, esoterischen Kunstmusik vieler Kollegen aus dem Experimentalbereich. Vielmehr sollen sich diese grundlegenden Parameter geradezu von selbst aus dem Kompositionsprozess herausschälen. „Essentiell bei der Entwicklung eines Tracks ist immer die Realisation eines idiosynkratischen (im Sinne von eigentümlichen, Red.) Klangs. Die einzelnen verwendeten Soundpartikel müssen von vornherein in ein klinisch-ästhetisches Gesamtbild passen und interessant, spannend und ungewöhnlich sein“, sagt Fricke über den Anspruch an das eigene Schaffen, das er ganz bewusst von der derzeitigen Tendenz zu mehr Eingängigkeit und akustischen Sounds abgrenzt: „Elektronische Musik sollte auch elektronisch klingen und sich nicht auf die Simulation natürlicher Instrumente und Klangfarben beschränken“. Diesen Anspruch hat er in nun beinahe dreißigjährigem Schaffen, in dem er sich mit grobkörnigem Industrial, futuristischem Elektro, betörendem Ambient und schwebenden Drones der gesamten Bandbreite elektronischer Musik gewidmet hat, und vor allem auf dem aktuellen Werk „Neurochemie“ klanglich auf den Punkt gebracht.

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