Interview: Mandy Jordan

Geschrieben von Beat
24.10.2011
13:33 Uhr

Die Karriere von Mandy Jordan ist ein Beispiel dafür, wie porös die Membranen zwischen Creative-Commons-Szene und traditioneller Plattenindustrie inzwischen geworden sind. Als reines Netlabel gegründet, entwickelte sich das von ihr mit Daniel Madlung betriebene „Vekton“ zu einer Plattform, auf der Bookings abgewickelt und sowohl kommerzielle aus auch kostenlose Veröffentlichungen vertrieben werden. Als DJane und Produzentin mit einer Liebe für lange, treibende Sets und einen elegant-minimalen Stil zeigt Jordan dabei selbstbewusst an, wo es hingehen soll: in eine Zukunft, in der klassischer Techno auf zeitlose Gefühle trifft.

(Bild: www.mandyjordan.net)

Wenn Mandy Jordan von ihren ersten Berührungen mit elektronischer Musik spricht, klingt es manchmal so, als wenn andere vom schüchternen Händchenhalten auf der Parkbank oder ihrem ersten Kuss berichten. Auf der Suche nach neuen Erlebnissen durchforstet sie das Dresden der späten Neunziger nach Techno- und House-Partys, lässt sich von örtlichen DJs Mixtapes geben und taucht in eine Welt ungeahnter Möglichkeiten ein. Ihre Erlebnisse als Sechzehnjährige werden sie für immer prägen und ihren Lebenslauf mit geradezu hellseherischer Klarheit vorherbestimmen. Für Außenstehende stellen sich freilich dennoch einige Fragen …

Beat / Wie wurde aus deiner Leidenschaft für Techno schließlich ein eigenes Label, eine Musikerkarriere und eine Bookingagentur?

Mandy / Die Jahrtausendwende war ungefähr der Zeitpunkt, an dem ich angefangen habe, mich intensiver mit Techno auseinanderzusetzen. Ich bin verstärkt nicht mehr primär zum Tanzen in die Clubs gegangen, sondern zudem, um Eindrücke und Inspirationen für eigene Projekte zu sammeln. Das war auch die Phase, in der ich selbst mit dem Auflegen bei Freunden anfing. Irgendwann lernte ich dann meinen Freund und Koproduzenten Daniel Madlung kennen, mit dem ich 2004 das Label „Vekton Musik“ ins Leben rief. Erstmal war Vekton ein Netlabel mit ausschließlich freien Veröffentlichungen. Für mich war das extrem interessant, weil ich zu dieser Zeit angefangen habe, mein Setup neben dem herkömmlichen Vinyl um Final Scratch zu erweitern. Außerdem gab es damals auch noch nicht so viele Netlabels wie heute.

Etwas später haben wir Vekton um Shop-Releases erweitert und arbeiten seitdem mit einem Vertrieb zusammen. Die Bookingagentur ist eigentlich nur eine Ergänzung der Plattenfirma, wobei ausschließlich Künstler des Labels die Möglichkeit bekommen, ihre Bookings durch uns abzuwickeln. Seit 2009 haben wir parallel das 12-Inch-Label „Vee Recordings“ eröffnet. Dort möchten wir etwas mehr House und Deephouse veröffentlichen.

Ost vs. West

Beat / Haben Techno, Minimal und House in Ostdeutschland eine andere Bedeutung als im „Westen“?

Mandy / Ich möchte mich da nicht festlegen, aber wahrscheinlich schon. Im Westen geht es etwas „housiger“ zu. Das heißt nicht, dass man im Osten keinen House hört, aber ich glaube, im Westen hat sich der aktuelle Housesound schon einige Zeit früher wieder durchgesetzt. Hier zählt das eher zur Subkultur. Stattdessen läuft im Osten noch sehr viel Minimal.

Beat / Du wohnst derzeit etwas außerhalb von Dresden. Böte es sich eigentlich nicht an, in eine größere Stadt zu ziehen?

Mandy / Das frage ich mich manchmal auch (lacht)! Darüber denke ich schon nach, zumal ich dann viel näher an den Leuten dran bin. Aber Großstadt bedeutet für mich immer auch Ablenkung von meiner eigentlichen Arbeit an der Musik und der Label- und Studioarbeit. Man braucht eine Menge Konzentration und Ehrgeiz. Zurzeit mag ich es einfach, im Grünen zu leben. Ich brauche diesen Ausgleich momentan.

Beat / Wie ist die Elektronikszene in Dresden?

Mandy / Ich denke, in Dresden passiert momentan durchaus eine ganze Menge. Es finden viele kleine, zumeist anspruchsvolle Partys mit zwei- bis dreihundert Leuten und interessanten Künstlern statt. Es gibt mehrere nennenswerte Locations, die es sich zu besuchen lohnt. Zum Beispiel der „Club der Republik“ in Dresden Neustadt, das alte Wettbüro oder auch das Glory. Dank der Intensität des Feierns in diesen Clubs, ist es für viele Künstler – gerade von außerhalb – sehr attraktiv geworden, hier zu spielen. Ansonsten darf man auf keinen Fall die Showboxx vergessen, Dresdens bekannteste Location. Dort gibt es immer anspruchsvolle Line-ups, allerdings ist der Laden etwas größer.

Neben dem Veranstalten von Partys hat sich auch produktionstechnisch viel in der Stadt getan. Es gibt mehrere Leute, die speziell im Bereich Minimal, House und Deephouse einiges bewegen – da zählen wir uns mit Vekton Musik und Vee Recordings ebenfalls mit dazu (lacht).

Beat / Einige der Clubs, in denen du spielst, sind ja nicht riesige Electro-Höhlen, sondern eher kleine, feine Locations. Kommt das deiner eher intimen Musik entgegen?

Mandy / Ja, ich denke schon. Ich mag, es lange Sets zu spielen, das ist in kleineren Clubs auch eher möglich. Die Verbundenheit mit dem Publikum ist mir wichtig, denn je näher du bei den Leuten bist, desto mehr öffnen sie sich deinem Sound. Du kannst dann mehr ausprobieren, und ich finde, das ist oft genau das, was die Leute wollen. Es ist eine Herausforderung – nicht nur für mich, sondern auch für das Publikum!

Inspiration aus der Vergangenheit

Beat / In deiner Biografie erwähnst du, dass du gern in die Vergangenheit zurückschaust – wohin ganz konkret?

Mandy / Ich suche zum Beispiel in meiner Plattensammlung nach Inspiration. Hin und wieder digitalisiere ich auch ältere Tracks. Mir gefällt die Kombination aus Altem und Neuem. Dabei geht es mir aber weniger darum, spezielle Klassiker zu präsentieren, sondern eher, bisher unentdeckte „Schätze“ auszugraben und zu spielen. Ich denke, das macht das Ganze individueller und interessanter.

Beat / Du hast auch deine Studio-1-Sammlung als Einfluss erwähnt …

Mandy / Die Studio-1-Platten gehören mit zu meinen ersten Alben überhaupt, die ersten Minimal-Scheiben sozusagen. Dadurch habe ich damals die vielen von Kompakt vertriebenen Labels wie beispielsweise Profan, Freiland, Auftrieb, Punkt Musik, Perlon, Playhouse und viele mehr kennengelernt. Das war tatsächlich ein ganz neuer, frischer Sound für mich. Diese Zeit hat mich auch sehr geprägt, zumal Minimal hier in unserer Umgebung zu diesem Zeitpunkt als eher „exotisch“ galt.

Beat / Spiegelt sich dieses Interesse an der Vergangenheit eigentlich auch in deinem Equipment wider?

Mandy / Nicht unbedingt. Ich spiele seit 2005 mit Timecode-Vinyl und Traktor, anfangs noch mit Final Scratch. Ich mag es, meine gesamte Plattensammlung immer dabei zu haben. So kann ich auf alles zugreifen und in bestimmten Situationen genau das „eine ganz bestimmte“ Stück finden. Das ist toll, für mich macht es rein von der Handhabung her auch kaum einen Unterschied, Timecode-Vinyl oder analoges Vinyl zu spielen.

Ich habe eine riesige Plattensammlung und höre zuhause oft alte Stücke. Sie inspirieren mich sowohl für meine eigenen Produktionen als auch für die Vorbereitung meiner Sets. In diese Vorbereitung stecke ich oft eine Menge Zeit. Ich liebe es, tagelang auf die Suche nach neuer Musik zu gehen und aus alten und neuen Tracks Playlisten zusammenzustellen.

Minimalismus und Atmosphäre

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Beat / Wäre es richtig zu sagen, dass das minimale Element in deiner Musik sich oft vom Dub ableitet?

Mandy / In gewisserweise würde ich dem zustimmen. Ich bevorzuge Musik mit einer besonderen Tiefe und Einfühlsamkeit, damit sie auf mich eine Wirkung hat. Das muss überhaupt nicht kompliziert sein – ich mag Simples und klare Strukturen. Es muss aber ein „spürbares“ Fundament da sein, das dich einhüllt. Damit meine ich unter anderem den Bassbereich, darauf kommt es an. Andererseits mag ich es auch warm, während Dub ja oftmals durch Effektketten von Reverbs, Phasern und Resonatoren von einer kühlen Stimmung umgeben ist.

Beat / Das Auffällige an deiner Musik ist sicherlich, wie atmosphärisch sie trotz aller Tanzbarkeit bleibt …

Mandy / Meistens fangen Daniel und ich mit dem Groove an. NI Maschine ist auch ein ganz cooles Werkzeug, um zu jammen und Ideen aufzunehmen. Das macht viel Spaß, aber ich denke, wir arbeiten eher traditionell: Ein grober Entwurf des Stückes wird nach und nach in mehreren Sessions immer weiter ausgearbeitet. In den vergangenen Jahren hat sich auch eine große eigene Sammlung an Sample-Bounces aus alten angefangenen Stücken angesammelt. Damit kommt man schneller zum fertigen Track, denn ich bin manchmal sehr ungeduldig, wenn Daniel stundenlang Kästchen hin und her schiebt und Hi-Hats stimmt (lacht).

Beat / Gehen viele Minimal-Veröffentlichungen heutzutage zu wenige Risiken ein?

Mandy / Nicht nur bei Minimal, sondern auch bei House ist das vielmals so. Immer wieder hört man Tracks, die in der ersten Minute einfach super sind, im weiteren aber viel zu viele Elemente ins Arrangement pressen. Das ist schade, weil ich sie dann nicht spielen kann oder einen Edit anfertigen muss. Es gibt tolle Deephouse- und Minimalhouse-Titel, die einfach nur aus einem Groove bestehen, den ich mir stundenlang anhören und dazu tanzen könnte, und so muss es für mich auch sein. Das ist für mich Ästhetik.

Diskografie:

EPs:

2005 | Summer Spirit

2007 | Rolltypes

2009 | Toni Funk

Ausgewählte Remixe und Samplerbeiträge:

2007 | Marry Klein

2008 | Restart One

2008 | Intervallo Remix

2008 | Stereo Park

2008 | Kawabanga Remix

2009 | In Your Face Remix

2009 | Kryptonite Remix

2009 | Pitoo Remix

2010 | Fuel Remix

2010 | Velvet Forest Remix

Equipment:

Auflegen:

NI Traktor und Timecode-Vinyl

NI Audio 8

Effektcontroller

Redsound Sampler

Studio:

EMU1820 Soundkarte mit 2 DSP-Karten

NI Maschine

Korg MS 20

Novation Nocturn

MIDI-Keyboard

Ableton 8 Suite

NI Komplete 5

NI Massive

Korg Legacy Collection

Yamaha HS-80 Lautsprecher

Samson RoomControl

von Tobias Fischer

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