Interview: Groove Armada

Geschrieben von Beat
28.07.2011
21:39 Uhr

Das sechste Album, fünf unterschiedliche Stimmen und der kreative Höhepunkt in der zwölfjährigen Geschichte des britischen Dance-Duos: Das sind kurz zusammengefasst die Fakten zu „Black Light“, dem neuen Album der Groove Armada. Doch dieser Longplayer bedeutet nicht nur musikalisch einen Wendepunkt in der Karriere von Andy Cato und Tom Findlay: Von Dancefloor bis Folkrock sind die unterschiedlichsten Stile auf dem aktuellen Werk vertreten – das noch abwechslungsreicher wird durch die Liste der Gaststimmen: Saint Saviour, Bryan Ferry oder Nick Littlemore sind vertreten. Das Ergebnis ist ein außergewöhnliches, unerwartetes Album – gleichzeitig ist „Black Light“ das letzte Werk des Duos.

(Bild: www.beat.de)

Andy Cato und Tom Findlay haben die vergangenen Jahre hinter Turntables, Keyboards und Laptops verbracht. Gemeinsam mit ihrer Band ging es aber auch auf die Bühnen der großen internationalen Festivals. Die Erfahrung dieser Auftritte hat das aktuelle Album Black Light mehr geprägt als alles andere: Die Hälfte der Songs entstand im Proberaum, viele Stücke sind jedoch seit den ersten Liveperformances überarbeitet worden. Bei Black Light steht der Song im Mittelpunkt, die klassischen Dance-Elemente rücken dezent in den Hintergrund. Warum dieser kreative Höhepunkt gleichzeitig ein Schlusspunkt sein soll, haben Andy Cato und Tom Findlay der Beat in Berlin verraten.

Beat / Das neue Album zeigt die Abkehr von Klicks und Bleeps hin zu mehr songorientierten Strukturen. Habt ihr diesen Schritt vorher diskutiert oder ist der Stilwechsel eher zufällig entstanden?

Andy / Wir haben das vorher durchgesprochen, uns zusammengesetzt und jede Menge Musik gehört, eben aktuelle Musik wie Passion Pit und Friendly Fires. Zum ersten Mal waren das Bands, die auch wirklich viel live spielen. Diese neue Welle von Musikern war genau die richtige Vorlage für unsere Ideen. Gleichzeitig haben wir viel Roxy Music, David Bowie und Gary Numan gehört – Musik also, die ganz offensichtlich klassischer, gleichzeitig aber immer noch modern klingt. Wir haben diese Einflüsse, genauso wie unsere eigenen Liveerfahrungen, mit ins Studio genommen, denn wir haben auf der Bühne schon lange mit Gitarre und Schlagzeug zusammengespielt, dort war Groove Armada schon immer etwas mehr Rock ‚n‘ Roll.

Beat / Hat sich dadurch auch der Prozess des Songwritings verändert?

Tom / Zunächst waren natürlich nur Andy und ich im Studio, wie gewohnt mit all den Bleeps und Klicks und so weiter. Aber wir sind dann ziemlich schnell in Andys Haus nach Frankreich umgezogen. Dort haben wir uns mit unserer Band getroffen. Wir wollten sehen, wie sich unser Material live anhört und ob es überhaupt funktioniert. Ich würde sagen, die Hälfte des Albums entstammt diesen Sessions in den ersten paar Wochen. Es brauchte dann noch viele Schritte bis zum fertigen Album, aber ich denke, die Proben sind die Ursache dafür, dass wir dieses Livegefühl in die Songs einbringen konnten – auch wenn wir nach wie vor auch Samples nutzen.

Live im Studio

Beat / Waren die Musiker im Studio eure reguläre Liveband?

Andy / Ja, aber es sind ja nicht wirklich viele Leute. Zur Liveband gehören noch ein Schlagzeuger und ein Gitarrist. Wir haben also die ersten Sessions mit der Band und die eigentlichen Aufnahmen dann in verschiedenen Studios gemacht. Da ging es dann zum Beispiel um den Gesang. So etwa in der Mitte des Entstehungsprozesses ging es jedoch wieder zurück zum Liveaspekt: Wir sollten ein Konzert beim Lovebox-Festival spielen. Den Gig konnten wir einfach nicht absagen, es ist immerhin unser eigenes Festival. Deshalb haben wir die leicht verrückte Entscheidung getroffen, alle neuen Stücke dort zu spielen, um zu sehen, wie sie ankommen. Wir hatten also vier Tage, um acht komplett neue Songs einzustudieren, die wir dann mit einem Sänger, mit dem wir noch nie zuvor gearbeitet hatten, vor zwanzigtausend Leuten spielen sollten. Das war ein bisschen gewagt, aber auch ausschlaggebend für das neue Album. Die neuen Songs kamen überwältigend gut an – und dabei hatten die Leute gar nicht mit ihnen gerechnet. Die Single „I Won't Kneel“ ist eine echte Sensation auf der Bühne. Und während dieser kurzen Proben haben wir einen Großteil des Arrangements festgelegt. Vor so vielen Leuten spielen zu müssen, fokussiert deine Arbeit sehr.

Beat / Welches Equipment ist bei euch im Einsatz?

Tom / Während der Proben nutzen wie ausschließlich Logic, so können wir Änderungen quasi nebenbei ins Arrangement übernehmen. Wenn es aber auf die Bühne geht, nutzen wir keine Laptops, sondern zum Beispiel ADATs. Du drückst einfach „Play“ für die kleinen Hintergrundtracks. Ansonsten sind wir aber schon ziemlich live – ich würde sagen, dass etwa neunzig Prozent dessen, was man hört, live gespielt wird. Die Beats und Ähnliches triggern wir auf der Bühne mit Pads. Die Laptops haben wir aber unterwegs im Tourbus dabei, wir sind halt Bastler. Wir wollen immer und überall unsere neuen Ideen in die Songs einbauen können. Und so klingt dann die erste Show auch anders als die zweite.

Von Oberheim bis UAD

Beat / Lasst uns über eure Sounds auf dem neuen Album sprechen. Der Beginn des Songs „Fall Silent“ erinnert mich an alte Juno-Klänge …

Andy / Tatsächlich ist es ein Oberheim, den du da hörst. Wir waren in einem Studio in London und fanden ihn in einer Ecke herumstehen. Es ist das fantastischste Keyboard der Welt. Einer der ersten Klänge, den wir auf dem Oberheim spielten, ist der zu Beginn dieses Stückes.

Beat / Wie sieht es mit den restlichen Klangerzeugern aus?

Tom / Wir benutzen einige Keyboards, zum Beispiel einen Korg MS2000, der sehr praktisch ist, weil er einen Vocoder besitzt und man damit ziemlich verrückte Sounds realisieren kann. Außerdem nutzen wir noch einen Novation-Synth auf der Bühne, allerdings nicht im Studio …

Andy / … und ein Roland-Keyboard mit gewichteter Tastatur, guten Piano- und Streichersounds. Alle unsere Pianoklänge stammen aus dem Roland.

Beat / Welche Plug-ins habt ihr für das Album eingesetzt?

Tom / Wir nutzen die Plug-ins für die UAD-Karte. Die sind immer dabei. Außerdem haben wir die Ohm-Force-Plug-ins im Einsatz, zum Beispiel den Ohmicide und den Verzerrer. Das sind die wichtigsten Plug-ins für uns. Hinzu kommt noch jede Menge Outboard-Equipment aus Andys Studio. Andy hat viele alte Kompressoren und Vintage-Geräte. Wir nehmen zum Beispiel Klänge mit dem Mikrofon auf, lassen sie nochmals durch einen Verstärker laufen und nehmen sie dann nochmals auf, um ihnen mehr Luft zu geben. Wir nutzen also nicht nur Plug-ins.

Beat / Auch das Klangbild des neuen Albums hat sich geändert. Da gibt es vielleicht noch ein oder zwei Tracks mit dem typisch pumpenden Bass, der Rest klingt aber natürlicher, „echter“. Warum habt ihr euch dazu entschlossen, das typische Groove-Armada-Sounddesign zu durchbrechen?

Andy / Der Sound spiegelt jetzt einfach mehr das wider, was wir auf der Bühne machen. Die Idee war, das Feeling so menschlich wie möglich zu halten. Wir nutzen zum Beispiel eine Live-Schlagzeugspur, tauschen aber Kick- und Snaresounds gegen elektronische Klänge aus. Das Feeling bleibt, nur der Klang an sich ändert sich – menschliche Performance mit Maschinenklängen also! Wir wollten dem Album dadurch so einen „21st Century“-Anstrich geben …

Beat / Insgesamt fünf Sänger tummeln sich auf Black Light – einige bekannter, andere etwas unbekannter. Wie seid ihr an die Leute rangekommen?

Tom / Nick Littlemore ist die Stimme von Pnau und Empire of the Sun, den kannten wir schon vorher. Wir waren mit ihm schon vor dem großen Durchbruch von Empire of the Sun im Studio und fanden ihn schon bei Pnau richtig gut. Also haben wir sein Management kontaktiert und er hatte sofort Lust zur Zusammenarbeit. Australien scheint ohnehin ein gutes Pflaster für uns zu sein. Deshalb war es auch ein großes Ding für ihn, mit uns zusammenzuarbeiten. Er singt auf immerhin vier Stücken, ist also ein wichtiger Bestandteil des Albums. Jess Larrabee hat Andy auf MySpace entdeckt. Und Saint Saviour ist so etwas wie die Frontfrau unserer Band, und ich kann mir dieses Album gar nicht ohne sie vorstellen. Will Young ist ein Kumpel von Andy. Wir hatten bei von Anfang an Roxy Music im Hinterkopf, als wir über dieses Album nachdachten, somit war der Kontakt zu Bryan Ferry nur ein natürlicher Schritt. Wir haben „Love Is A Drug“ ganz oft im Tourbus gehört. Und nun ist Bryan tatsächlich auf dem Album – unglaublich!

Finale!

Beat / Ihr habt euch mit Black Light musikalisch weiterentwickelt. Gibt es schon Ideen für das nächste Album? Wird es minimal oder darf womöglich ein Orchester ran?

Andy / Wir haben erst gestern entscheiden, dass dies das letzte vollständige Album war, das wir gemacht haben! Wir wollen uns nun auf die Liveshows mit dem neuen Material und den überarbeiteten Versionen der alten Stücke konzentrieren. Vielleicht wird es noch den einen oder anderen neuen Track geben, aber mehr nach der Grateful-Dead-Methode: Wenn Du etwas Neues von uns hören willst, musst Du zum Konzert kommen. Gleichzeitig werden wir aber noch einige EPs im House-Stil veröffentlichen; Musik, die wir seit langem immer wieder für unsere eigenen DJ-Sets gemacht haben. Das wird dann eventuell unter einem anderen Namen oder unter „Groove Armada Presents“ erscheinen.

Beat / Ihr beide werdet aber weiter zusammenarbeiten?

Tom / Ja, wir leben jedoch in zwei verschiedenen Ländern derzeit. Es dauert fünf bis sechs Stunden, um vom einen zum anderen zu reisen. Und dieses Album war für uns beide einfach zu viel Herumreiserei. Es graut uns einfach davor, noch eine LP unter diesen Vorzeichen zu machen. Wir wollen lieber weiter auf Tour gehen und es wird auch neue Stücke geben, um die Sets frisch zu halten, aber wir müssen nicht mehr vor jeder Tour ein neues Album machen. Ich finde es sehr reizvoll, wieder sehr geradlinige Tanzmusik zu machen, also Techno und House. Das wird Spaß machen, und das sind Dinge, die wir bei einem Majorlabel nicht veröffentlichen können. Wir werden unsere Unabhängigkeit also ein wenig auskosten.

Von Dr. Frank Lechtenberg

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