Interview: Dinky

Geschrieben von Alexander Bota-Weber
25.03.2011
12:08 Uhr

Tänzerin, Produzentin, Instrumentalistin oder DJane? Die Frage nach der hauptberuflichen Tätigkeit von Alejandra Iglesias alias Dinky bleibt selbst nach unserem freundlichen Gespräch unbeantwortet: Zuhause steht eine Telecaster direkt neben den Turntables, ein Fender Rhodes inmitten aktuell angesagter Studiotechnik. Schubladendenken bitte direkt am Eingang ablegen!

(Bild: Dinky)

Schon die ersten Dinky-Platten setzten sich durch ihre pulsierende Wärme von dem unterkühlten elektronischen Sound der Neunzigerjahre ab – da war die Chilenin gerade erst in das Techno-Mekka Berlin gezogen, und ihre Karriere stand noch in den Startlöchern. Iglesias dachte in ambitionierten Konzepten und entwickelte ihren Klang über Jahre hinweg konsequent weiter. Heute sind Dinky-Sets für ihr aufreibendes Feuerwerk an Beats und minimalen Melodien bekannt, ihr aktuelles drittes Album „May Be Later" gilt als eine der gelungensten Gratwanderungen zwischen Tanzflur und Kopfkino in diesem Jahr. Für Dinky kein Grund sich auszuruhen: Sie peilt bereits den Nachfolger an, der gern auch experimenteller ausfallen darf und dabei trotzdem von der Schönheit des Unfertigen erfüllt sein soll.

Beat / Wie kam es, dass du dich so plötzlich in die Techno-Bewegung der frühen 1990er verliebt hast?

Dinky / In den Neunzigern war ich ein Teenager, und natürlich habe ich viel Zeit und Energie in das Clubleben investiert. Mitte der Dekade traf ich Ricardo, Atomheart, Tobi Freud und andere Musiker aus Deutschland. Sie spielten Konzerte in Chile, machten dort Urlaub – und ich war dabei! 1994 besuchte ich schließlich Europa und erlebte die Szene vor Ort. Ich kaufte meine ersten Platten bei Hardwax, ging in den Tresor und ins E-Werk, traf tolle Leute. Dadurch wurde ich schon sehr jung zu einem Teil des Ganzen. Das war eine magische Zeit!

Beat / Du bist ständig unterwegs. Wann, wo und wie produzierst du deine Stücke?

Dinky / Für mein aktuelles Album habe ich sie 2007 in meinem Berliner Studio aufgenommen. Während meiner Reisen habe ich Aufnahmen gesammelt. Eine Menge Samples kamen dabei aus dem Blues- und Jazz-Bereich. Die letzten drei Jahre waren unglaublich hektisch, manchmal habe ich drei oder vier Mal die Woche gespielt, dieses Ibiza-Ding mit Sven Väths Cocoon durchgezogen, war auf dem „Circo Loco“ und anderen Festivals. Diesen Tourstress musste ich für meine Karriere auf mich nehmen – und um mir bestimmte Geräte zum Aufbau meines Studios kaufen zu können. Das war zwar okay für mich, aber ich habe festgestellt, dass ich das Album ohne eine Auszeit nicht fertigstellen konnte.

Das eigentliche Schreiben der Musik war nicht das Problem; vielmehr hat das Engineering Zeit gekostet. Ich wollte, dass das Album warm und analog klingt und musste mich erst lange einlesen, um zu dem von mir gewünschten Ergebnis zu gelangen. Manchmal braucht man einen ganzen Tag oder mehr, um die Kick gut auf den Bass abzustimmen.

Analog favorisiert

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Beat / Für Reisende bieten sich ja eher Software-Synths an …

Dinky / Ich mag Software-Synthesizer nicht, und es gefällt mir auch nicht, meine Musik unterwegs mit Kopfhörern zu produzieren. Zuhause klingt alles anders, und wenn ich etwas im Flugzeug komponiert habe, fehlen nachher die kompletten Bassfrequenzen. Das ist reine Zeitverschwendung – vor allem, weil ich gern um den Bass herum komponiere. Ich habe großartige Monitorboxen, die „Meyersound Hd1“ und „HM“, und wenn man einmal mit denen gearbeitet hat, will man sich nicht mehr mit weniger begnügen. Auch wenn manche mich deswegen für einen Snob halten, fehlt mir bei VST-Sounds einfach die Kraft und Lebendigkeit.

Stattdessen verwende ich hauptsächlich Hardwareinstrumente; Synthesizer wie den Prophet 8, Virus Polar, Poly Evolver und den se1x für den Bass. Als Drummachines die Vermona 808 und Machine Drum Elektron. In Sachen Effektgeräte Eventides h800 und dsp4000, als Mixkonsolen die Studer 169. In diesem Jahr habe ich auch viele analoge Step-Sequenzer wie den SAM 16 sowie den Latronic Notron benutzt. Ich habe sogar ein Fender-Rhodes-Piano und eine Fender-Telecaster-Gitarre! Die einzigen Plugs, die ich benutze, sind die auf meiner UAD-1-Karte und etwas „Sound-Spielzeug“, das ich zum Mixen und Equalizen verwende. Ich bin eine Musikerin und möchte gern meine ganzen Hände verwenden – vielleicht mag ich auch deswegen Hardware-Synths und akustische Instrumente so gern.

Beat / Wie sieht dein aktuelles Live-Setup aus?

Dinky / Es hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Gerade plane ich, den Laptop für Auftritte mit internen Effekten aufzurüsten. Den Dave Smith Mopho, den Eventide Modfactor und die Timefactor-Pedalen, die MFD-Drummachine und einen analogen Step-Sequenzer will ich außerdem integrieren. Aber das ist alles noch Zukunftsmusik.

Beat / Wie hast du diesen außergewöhnlichen Cello-Klang für den Track „Mars Cello“ auf deinem neuen Album hinbekommen?

Dinky / Es handelt sich dabei um einen Patch aus dem Prophet 8, den ich selbst erstellt und live eingespielt habe. Danach habe ich ihn mit dem Eventide 8000 bearbeitet. Ich habe ihn direkt in dessen Audioeingang eingespeist und ihm im Gerät weiterverarbeitet, um ihm dieses 3D-Gefühl zu verleihen. Die Dissonanz habe ich durch das Verstimmen der Oszillatoren erreicht. Diese Dissonanz ist es auch, die dem Hörer genau diese verhexte Spannung vermittelt, die ich für den Song im Sinn hatte.

Beat / Du hast gesagt, dass du gern die Schwachstellen von „May Be Later“ für zukünftige Produktionen ausmerzen möchtest. Auf was genau beziehst du dich da?

Dinky / Ich habe die Arbeit an „May Be Later“ im März beendet und danach vieles hinzugelernt. In technischer Hinsicht kann ich jetzt Aspekte wie die Wucht der Drums, die Kompression und sogar das Programmieren besser gestalten. Konzeptuell gefällt mir das Album, aber irgendwie hätte ich es gern noch experimenteller gemacht, es also nicht immer auf 4/4-Takte und dem üblichen Dance-Tempo aufgebaut. Andererseits hätte es auch keinen Sinn gemacht, auf Vakant ein Album zu veröffentlichen, das kein Dance-Album ist. Ich bin eher für dieses Genre bekannt, also war es schon in Ordnung, diesmal in dieser Ecke zu bleiben.

Es gibt aber immer etwas zu verbessern, und für mich ist es wichtiger, überhaupt etwas zu veröffentlichen, auch wenn es vielleicht nicht ganz perfekt ist. Musik hat eine gewisse Triebkraft, und diese hat viel mit der Zeit, in der wir leben, zu tun. Wenn manches Material unfertig und sogar zufällig klingt, ist das doch gerade ein Aspekt der Schönheit. Für mich bedeutet Verbesserung Freiheit und nicht mehr so sehr an die Regeln und Trends der heutigen Szene gebunden zu sein. Es bedeutet, innovativer zu sein. Und auszuflippen, wenn es sein muss.

Während ihrer Studienzeit in New York widmete sich Dinky vor allem dem modernen Tanz und der zeitgenössischen Komposition. Das sollte sich schlagartig ändern, als die gebürtige Chilenin nach Berlin zog, es ihren Idolen Carl Craig und Richie Hawtin gleichtat und sich zugleich als DJ und Musikerin profilierte. Es folgten Auftritte bei renommierten Festivals, unzählige 12-Inch-Veröffentlichungen auf Labels wie Traum und Cocoon (darunter der Hit „Acid In My Fridge”), eine bunt gemischte Mix-CD und drei stilistisch vielseitige Alben.

von Tobias Fischer

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