Interview: Audiomatic

Geschrieben von Beat
23.07.2011
13:29 Uhr

Seit über zehn Jahren steht der Name Audiomatic für stilistisch aufgeschlossenen Psytrance und dunkel glänzenden Goa. Mit drei begeistert aufgenommenen Alben ist Benjamin Halfmann damit nicht nur zu einem angesehenen Musiker, sondern auch zu einem gern gesehenen DJ aufgestiegen, dessen elektrisch aufgeladene Sets von Flensburg bis Passau für Aufsehen bei Festivals und gefüllte Clubs sorgen. Nebenbei hat Halfmann auch ein Nebenprojekt gegründet, mit dem er sich verstärkt minimalen Beat-Tendenzen widmet. Ein Leben für Trance und Techno, sollte man meinen – doch sind seine ersten Idole ganz anderer Natur.

(Bild: www.myspace.com/benniaudiomatic)

Während das vergangene Jahr bei Benjamin Halfmann vor allem im Zeichen von zahlreichen Auftritten und dem Auflegen stand, tritt er nun auch wieder mit zwei neuen Veröffentlichungen auf den Plan: Da ist zum einen die zweite Folge seiner „Audiophile“-Reihe, in der er sowohl eigene Tracks, Kollaborationen mit befreundeten Musikern sowie Ausgewähltes aus seiner privaten Plattenkiste zu einem nahtlos fließenden Mix zusammenmischt. Zum anderen neigen sich die Vorbereitungen für das dritte Audiomatic-Werk dem Ende entgegen. Angesichts dieser zukunftsorientierten Entwicklungen macht es durchaus Sinn, zunächst nach den Wurzeln des Erfolgs zu fragen.

Beat / Wie kommt man von AC/DC zu Psytrance?

Benjamin / Als ich im Alter von 15 Jahren nur AC/DC und andere Rock- und Metal-Bands hörte, bekam ich eine Single von „The Prodigy“ geschenkt, die mir so gut gefiel, dass ich daraufhin alle CDs von ihnen kaufte. Auf einer Maxi war das Lied „Goa“ enthalten, das ich besonders gut fand, und in einem Plattenladen hatte ich Alben mit dem Aufkleber „Goa – Psychedelic Trance“ gesehen. Nachdem ich mir diese vor Ort einige Stunden angehört hatte, war ich infiziert.

Beat / Wie wichtig war für dich, gerade zu Anfang, der bei Goa und Trance sehr herzliche Community-Aspekt der Szene?

Benjamin / Die familiäre Atmosphäre kannte ich aus der Metal-Szene so nicht, was mich natürlich sofort begeistert hat. Schon nach den ersten Events kannte ich eine Menge Leute, die ich danach immer irgendwo in Deutschland wieder traf. Man hatte direkt das Gefühl, dass man „dazu“ gehört. Auch heute noch ist mir dieser Community-Aspekt wichtig. Es ist schon toll, dass man überall auf der Welt bei einem Auftritt jemandem über den Weg läuft, den man kennt.

Progressive Entwicklungen

Beat / Als Audiomatic hast du dich einem „progressiven“ Trance verschrieben. Wie definierst du den Begriff?

Benjamin / Mit der Offenheit gegenüber anderen elektronischen Musikrichtungen; man muss nicht immer dem klassischen Trance-Schema folgen. In vielen aktuellen Veröffentlichungen kann man Einflüsse von Techno, House, Minimal und anderem hören, ohne dass dabei der Psytrance-Gedanke verloren geht. Weiterentwicklung kann nur stattfinden, wenn man über den eigenen Tellerrand hinaus schaut.

Beat / Was für Entwicklungen beobachtest du derzeit?

Benjamin / In den vergangenen Jahren hat sich die Musik sehr verändert, es entwickelten sich mehrere Subgenres wie zum Beispiel Progressive, Fullon oder Darkpsy. In Deutschland hat sich eine starke Progressive-Szene etabliert, was mich natürlich sehr in meiner Entwicklung beeinflusst hat. Ich lernte schnell andere Produzenten kennen, mit denen ich interessante Studiosessions hatte, und so entwickelten sich enge Freundschaften. Aber auch global gesehen ist die Szene immer weiter gewachsen, sodass ich bis jetzt bereits in dreizehn Ländern Auftritte hatte.

Der lange Weg zum ersten Album

Beat / Du hast vier Jahre bis zur ersten Studioscheibe gebraucht. Woran hast du so lange geschraubt und gefeilt?

Benjamin / Als ich mit dem Produzieren anfing, hatte ich nie zuvor ein Instrument gespielt und keine Ahnung von Musiktheorie. Ein Freund hatte mir auf dem PC meiner Mutter Fruity Loops installiert – aber meine ersten Versuche einen Track zu produzieren, waren von wenig Erfolg gekrönt. So musste ich erst einmal viel lernen, bis ich mit meinem Sound zufrieden war, und veröffentlichte die ersten Tracks auf Kompilationen. Schnell folgte ein Albumvertrag, und mit dem Vorschuss kaufte ich mir einen schnelleren Computer, der mir bessere Produktionen ermöglichte. Als ich nach einem Jahr das Album fast fertig hatte, teilte mir das Label mit, dass man keine Alben mehr veröffentlichen, sondern sich ganz auf den Compilation-Markt konzentrieren wolle. Ich fand zwar schnell ein neues Label, aber so dauerte es bis zum März 2004, bis „Multiplayer“ schließlich veröffentlicht wurde.

Beat / Ich hatte eigentlich den Eindruck, dass du Compilations und Studioalben recht ähnlich angehst …

Benjamin / Nein, wenn ich eine CD-Kompilation mache, gehe ich das ganz anders an als ein Studioalbum. Ich lasse mir von befreundeten Produzenten Tracks zuschicken, und wenn mir dann ein Stück so gut gefällt, dass ich es im DJ-Set spiele, nehme ich es für die Compilation. Erst wenn ich alle Tracks ausgesucht habe, denke ich über die Reihenfolge, also über Faktoren wie Spannungsaufbau und Abwechslung, nach. Bei einem Studioalbum mache ich mir hingegen von Anfang an Gedanken, was für Tracks ich produziere, um einen guten Spannungsaufbau zu kreieren.

Beat / Aber du denkst du beim Produzieren schon in gewisser Weise wie ein DJ, oder?

Benjamin / In der Tat! Ich arrangiere die Titel am Anfang und Ende immer so, dass man sie gut mixen kann. Und ich versuche natürlich, alle Kriterien zu erfüllen, die ich selbst von anderen Tracks erwarte, um sie im DJ-Set zu spielen.

Beat / Inwieweit nutzt du die Livesituation, um konkret bestimmte Tracks zu testen?

Benjamin / Ich teste jedes Stück, sobald das erste Arrangement steht und der Mix in Ordnung ist. Das hilft mir, was das Arrangement angeht, einen Track weiter zu optimieren. Weil ich sehr selbstkritisch und nur selten zufrieden bin, ist es auch immer eine Bestätigung, wenn neue Titel gut im Club funktionieren. Nach dem ersten Test folgen meist ungefähr fünf neue Versionen, bis der finale Mix steht.

Persönliches Nebenprojekt

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Beat / Du hast angefangen, neben Audiomatic auch unter deinem eigenem Namen zu veröffentlichen – als Reaktion auf „aktuelle Entwicklungen in der Trance-Szene“. Welche Entwicklungen waren das?

Benjamin / Viele Künstler aus der Trance-Szene haben angefangen, mit einem Sideproject Techno, House, Minimal und ähnliches zu produzieren, weil es sie langweilte, immer den gleichen Sound zu machen. Nachdem mein letztes Audiomatic-Album im Juni 2008 veröffentlicht wurde, ging es mir genauso, aber ich wollte den Style des Projekts nicht ändern. So war es für mich eine logische Schlussfolgerung, ebenfalls ein Nebenprojekt ins Leben zu rufen, das aber eher zu meinem persönlichen Ausgleich, als auf kommerzielle Erfolge ausgerichtet ist. Nachdem ich aber einige Monate nur „Benjamin Halfmann“-Tracks machte, habe ich wieder richtig Lust bekommen, ein neues Audiomatic-Album zu produzieren. Wenn das fertig ist, werde ich mich aber bestimmt wieder mehr um mein Nebenprojekt kümmern.

Beat / Deine beiden Projekte haben jeweils einen ganz eigenen Klang – was sind dennoch gemeinsame Qualitätsmerkmale einer Produktion für dich?

Benjamin / Mir ist bei beiden Projekten sehr wichtig, dass jeder Track individuell klingt. Ich benutze nie dieselben Samples mehrmals. Bei beiden Projekten ist mir ein warmer Klang wichtig, den ich beispielsweise durch die Nutzung des Korg Polysix und der UAD-Plug-ins erreiche.

Beat / In welche Richtung entwickelt sich das neue Audiomatic-Werk?

Benjamin / Ich habe bis jetzt vier Tracks fertig, von denen einer in die Chillout-Richtung geht. Der Rest des Albums wird aber Progressive-Psytrance sein. Bei meinem letzten Album waren ein paar Tracks dabei, die mehr fürs Hören zu Hause gedacht waren als für den Dancefloor – das wird beim neuen Album anders sein. Ich versuche alle Tracks so zu produzieren, dass sie möglichst gut auf dem Floor funktionieren.

von Tobias Fischer

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