DJ-Interview: iPad-DJane Rana Sobhany

Geschrieben von Beat
02.11.2011
19:25 Uhr

Was hat man dem iPad nicht alles angedichtet! Doch nicht selten erwies sich der Hype als Finte. Und nun ergänzt auch noch Produzentin Rana Sobhany die Liste der Heilsversprechen. Für sie steht das neuste Mitglied des Apple-Clans am Anfang einer Revolution, die sowohl DJing als auch Produzieren radikal verändern wird. Ihre Vision besteht lediglich aus zwei iPads und einem DJ-Mixer und klingt zu gut, um wahr zu sein. Aber nach einem Gespräch steht fest: An diesem Hype ist etwas dran!

(Bild: Derek Leuth)

In gewisser Weise ist die quirlige Amerikanerin Rana Sobhany überhaupt erst durch das iPad zum DJing gekommen. Sobhany studierte zunächst Blues- und Jazzgitarre, bevor sie als Expertin für iPhone-Apps bekannt wurde. In dieser Phase stand für sie die traditionelle Studioproduktion im Laptop im Vordergrund. Doch als sie von den Möglichkeiten und der organischen Touchpad-Bedienung des iPad erfuhr, wurde ihr Weltbild auf den Kopf gestellt. Zusammen mit Hunderten anderer Verrückter stand sie vor dem Apple-Store und hatte nur wenige Tage später ein Projekt namens „Destroy the Silence“ am Start, bei dem sie sich mit Haut und Haar ihren neuen Touchscreen-Babys verschrieben hatte. Kurz darauf gab sie ihr erstes iPad-DJ-Set. Wir sprachen mit Rana über das iPad in Live-Situationen und die Zukunft von Steve Jobs’ neuer Wunderwaffe.

Beat / Rana, warum ist der gleiche Aufbau, den du jetzt für das iPad verwendest, nicht auch mit zwei iPhones realisierbar?

Rana / Weil das iPad ein Fullscreen-Touch-Interface besitzt. Der Bildschirm des iPhones ist einfach zu klein, als dass man etwas Bedeutendes damit machen könnte. Die Bedienung ist schlicht nicht genau genug. Die Firma Oblong in Boulder, Colorado, ist derzeit führend in Sachen Design und Entwicklung von Modellen zur Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Nachdem viele Leute deren Arbeit im Film „Minority Report“ gesehen haben, hat sich unsere Vorstellung von Touch-Interfaces radikal erweitert. Die Maus wird bald überflüssig werden und es wird Fortschritte in Bezug auf das haptische Feedback dieser Oberflächen geben. Schon jetzt kann ich den Bass physisch fühlen, wenn ich einige der Drumcomputer-Apps verwende und das entsprechende Pad auf dem Bildschirm berühre. Ich fände es toll, wenn man das erweitern könnte, um das gleiche Gefühl zu erreichen, dass man beim Berühren einer Keyboardtaste oder dem Drehen eines Reglers erhält.

Beat / Du scheinst großen Wert darauf zu legen, dass die beiden iPads vergleichsweise kostengünstig und einfach einzusetzen sind …

Rana / Stimmt genau. Mein Ideal bestand buchstäblich darin, die iPads aus meiner Tasche zu ziehen, sie einzustöpseln und loszulegen. Dafür verwende ich genau drei Kabel. Zwei davon leiten das Audiosignal der iPads in meinen Numark-M3-DJ-Mixer. Durch das letzte findet die Musik den Weg in das Soundsystem. In meinem Setup verwende ich keinen Computer und steuere mit den iPads auch kein einziges Instrument an.

Beat / Sind die beiden iPads in ihrer Bedienung intuitiver als traditionellere Laptop- oder Turntablesysteme?

Rana / Auf jeden Fall. Es fühlt sich eindeutig danach an, als spiele man ein richtiges Instrument. Das iPad wird zwar nicht unmittelbar den Plattenspieler ersetzen, aber es ist ein Anfang. Ich bin sehr von dem neuen iPad-Kamera-Adapter angetan, weil ich damit imstande bin, USB-Hardware wie beispielsweise das Blue-Yeti-Mikrophon an das Gerät anzuschließen. Bald wird jede Band auf der Welt in irgendeiner Form ein iPad verwenden.

Beat / Begünstigt das iPad mutigere DJ-Entscheidungen?

Rana / Unbedingt. Ich war als Musikerin noch nie kreativer als mit dem iPad. Es gibt so viele Möglichkeiten, Risiken einzugehen, und das iPad bietet zudem eine unglaubliche Plattform für Kreativität, weil es nahtlose Übergänge zwischen verschiedenen Genres erleichtert. Innerhalb von zehn Minuten kann ich von House und Trance zu Hip-Hop, Breaks und Ambient wechseln.

Beat / Die beiden iPads können nicht miteinander synchronisiert werden. Macht das einen Reiz aus oder siehst du eher hier künftigen Optimierungsbedarf?

Rana / Es kommt darauf an, wen du fragst. Vielen ist nicht bewusst, wieviel Arbeit in die Beats geht, die ich mit dem iPad erstelle. Es ist anstrengend genug, Beats zusammen zu mischen, wenn ich mit Laptops arbeite. Aber weil im iPad-OS kein Multitasking vorgesehen ist, ist es wirklich schwierig, zwischen verschiedenen Apps hin und her zu schalten. Es gibt keinerlei Spielraum für Fehler. Es passieren so viele Dinge gleichzeitig, dass einem ganz schwindelig werden kann, wenn man Timing und die rhythmischen Elemente berücksichtigt. Andererseits übernimmt das iPad einen großen Teil der Routinearbeit in Bezug auf das Beatmatching. Weil man die Sounds mithilfe des Mixers überprüfen kann, ist es gar nicht so schwierig, spontan mit klanglichen Ideen zu experimentieren und sie individuell anzupassen. Meiner Ansicht nach zwingt die fehlende Synchronisierung zu Innovation und Kreativität. Aber wenn du auch nur eine Millisekunde daneben liegst, kann deine musikalische Idee ruiniert werden.

Beat / Verschwimmen beim iPad-Setup die Grenzen zwischen Musikmachen und Auflegen noch stärker?

Rana / Man könnte die Arbeit mit dem iPads als Echtzeit-Musikproduktion mit Samples, Loops und der Musik anderer Leute bezeichnen. Was ich mit diesen Geräten mache, ist neu, denn das Publikum wird in die Lage versetzt, mir in genau dem Augenblick nahe zu kommen, in dem ich die Beats erstelle. Diese audiovisuelle Verbindung macht die Erfahrung deutlich interaktiver als mit Laptops.

Beat / Dein derzeitiges Set ist nur eine Stunde lang. Was sind die Voraussetzungen dafür, einen ganzen Abend mit iPad-Apps zu bestreiten?

Rana / Zunächst müssen die Apps besser werden, wobei ich aber auch darauf hinweisen möchte, dass das iPad gerade erst veröffentlicht wurde. Ich habe das Gerät vor einem Monat zum ersten Mal überhaupt berührt. Meine Fähigkeiten werden sich im Laufe der Zeit verbessern und einen vier bis fünf Stunden langen Set möglich machen. Aber die wichtigste Entwicklung wird darin bestehen, dass Entwickler die Möglichkeiten des iPads im Performancebereich berücksichtigen und sich mit entsprechenden Produkten darauf einstellen.

Beat / In wieweit wird das iPad auch einen Einfluss auf Studioproduktionen haben?

Rana / Ich versuche aufzuzeigen, dass man diese Geräte direkt aus der Verpackung nehmen und damit ansprechende Musik machen kann. Wenn ich ausschließlich mit Standard-Apps eine Stunde lang gute Musik erstellen kann, stell dir einmal vor, was passieren würde, wenn ich meine eigene Soundbibliothek einladen und sie dann spontan loopen könnte.

Wir wissen alle, welchen Einfluss Multitrack-Rekorder auf die Musikproduktion hatten. Sobald nun die Möglichkeit dazukommt, Musik über ein einziges Gerät aufzunehmen, zu mixen, zu mastern und zu vertreiben, eröffnen sich dem Musiker außergewöhnliche Potenziale. Ich würde liebend gerne einen Gitarrentrack in New York aufnehmen, ihn meinem Freund in den Niederlanden schicken, damit er Synths dazu spielt und ihn dann für den Endmix in mein Logic importieren. Die kommenden zwölf Monate werden für das Thema Musikproduktion auf mobilen Plattformen wie dem iPad ungemein wichtig werden. Wir leben gerade in einer unglaublich spannenden Zeit.

Beat / Sind Kenntnis und Wahl der richtigen Apps inzwischen genau so wichtig wie Turntableskills?

Rana / Auf jeden Fall. Meine Apps sind mein Arsenal. Wenn ich nicht jedes kleinste Detail über diese Apps kenne, bin ich als Produzentin und DJane eingeschränkt. Es sind meine Werkzeuge, und es ist meine Aufgabe als Künstlerin, sie besser zu kennen als jeder andere sonst.

von Tobias Fischer

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