Digitale Kultur: Tracks & Fields

Geschrieben von Beat
03.11.2011
14:25 Uhr

Synchronisationsrechte sind das neue Zauberwort der Branche. Schließlich winken bei der Lizenzierung der eigenen Musik für Hollywood-Produktionen und Werbespots Einkünfte, die über traditionelle CD-Verkäufe kaum noch zu realisieren sind. Bislang stand einem fairen Wettbewerb aller Teilnehmer allerdings ein kompliziertes Geflecht aus Gesetzen und Interessenpolitik im Weg. Das könnte sich durch neue Anbieter bald ändern – und den Weg für neue Einnahmequellen ebnen.

(Bild: www.tracksandfields.com)

Darüber, ob „Kill Bill“ nun einer von Quentin Tarantinos ewigen Klassikern ist oder eher eine vierstündige Demonstration von Größenwahn und Selbstüberschätzung, werden Kino-Fans wohl noch in Jahren streiten. Doch hat der Film unbestreitbar den Bezugsrahmen von Bild und Ton auf ein neues Level gehoben, den großen Back-Katalog der Musikgeschichte geplündert, um ihn mit Chuzpe und Kreativität zum Soundtrack umzufunktionieren – man denke nur an den krachenden Hip-Hop-Beat und die wahnwitzigen Soul-Bläser von Tomoyasu Hoteis „Battle Without Honor Or Humanity“, die den großen Showdown zwischen der Schlägertruppe Crazy 88s und Rachengel Beatrix Kiddo ankündigen. Nicht nur Tarantino jedoch profitierte von dieser kongenialen klanglichen Untermalung. Für viele der auf den beiden Samplern vertretenen Komponisten und Bands öffnete ihre Beteiligung die Tür zu internationalen Märkten und neuen Hörerschichten, bot Einnahmen, die weit über das hinaus gingen, was ihnen schnöde CD-Verkäufe jemals hätten bieten können. Dass Musik für Kino und Fernsehen sich zu einem lukrativen Geschäft entwickelt hat, steht schon seit den frühen Neunzigern fest und stellt einen gewichtigen Grund dafür dar, dass sich immer mehr Musiker in diese Richtung orientieren. Doch verbirgt sich dahinter eines der komplexesten rechtlichen Rahmenwerke der Branche überhaupt.

Umkämpfter Kuchen

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Dass Synchronisationsrechte, welche den Einsatz von Musik in Filmwerken regeln, derart kompliziert sind, liegt vor allem darin begründet, dass unzählige Parteien ihren Anteil vom Kuchen verlangen. Da sind zum einen die Autoren, die – zumeist durch einen Verlag oder ihre Interessenvertreter bei der GEMA – für ihren künstlerischen Beitrag entlohnt werden wollen. Handelt es sich bei dem zu verwendenden Track um ein bereits veröffentlichtes Stück Musik, so muss zudem die Plattenfirma kompensiert werden, bei welcher der Song erschienen ist. Schließlich gibt es noch die Künstler, die den Titel interpretiert, oder um es auf Neudeutsch auszudrücken, „performt“, aber nicht geschrieben haben – sagen wir einmal jemanden wie Britney Spears. Sie nehmen ihre Rechte meistens über die GVL wahr, eine weitere Organisation, mit der sich ein Filmproduzent notgedrungen auseinandersetzen muss. Mit allen diesen Beteiligten gilt es nun, Einzelabkommen zu schließen, was teuer, gegebenenfalls langwierig und unter Umständen sogar unmöglich sein kann. Im Gegensatz zu der Gesetzeslage bei der Auswertung von bestehenden Aufnahmen in Radio und Rundfunk müssen nämlich weder Künstler noch Label der Verwendung ihrer Titel zustimmen. Was als Schutz vor der Vereinnahmung durch politisch unliebsame Ziele geplant war – davor beispielsweise, dass die eigene Musik ungewollt in einem Werbespot für die Linke oder die NPD Verwendung findet – ist dabei zu einem ökonomischen Druckmittel geraten – vor allem dann, wenn der Film bereits abgedreht ist, sich die Produzenten aber um die Synchronisationsrechte eines essenziellen Songs nicht gekümmert haben. Dass in einem solchen Fall die gezahlten Summen gelegentlich astronomische Höhen erreichen, kann man sich leicht ausmalen. Um die Sache noch „einfacher“ zu machen, sind Trailer und Werbung für einen Streifen nicht zwangsläufig Teil des Pakets, wodurch sich die Kompensationsleistungen unter Umständen weiter erhöhen. All das bedeutet einerseits einen gehörigen Aufwand für die Kreativen und andererseits stolze Einnahmen für Anwälte – eine Situation, die an das derzeitige Sample-Clearing erinnert.

Trotz dieser Unannehmlichkeiten muss sich für so machen Leser die Sachlage dennoch geradezu paradiesisch ausnehmen. Wo sonst auf der Welt wird man als Musiker geradezu darum angefleht, dass die eigene Musik genutzt und bezahlt werden darf? Wie so oft allerdings wird der Zugang zu diesem ungemein lukrativen Markt, zu dem man generell auch die musikalische Begleitung von Computerspielen und Werbespot zählt, von verschiedenen Hindernissen erschwert. Es ist in der Praxis allein schon unmöglich, sich kontinuierlich bei Produktionsbüros und Fernsehanstalten nach Möglichkeiten zu erkundigen, wie eigene Kompositionen in geplanten Filmen Verwendung finden könnten. Im Fernsehen wiederum gilt gnadenlos das Gebot „der frühe Vogel fängt den Wurm“, da Realisationsrahmen von wenigen Stunden hier keine Seltenheit sind. Aus diesem Grund haben sich spezialisierte Agenturen herausgebildet, welche die bei ihnen eingetragenen Labels und Künstler vertreten und dank riesiger Datenbanken in den meisten Fällen den Regisseuren auch tatsächlich innerhalb von Minuten ein passendes Angebot unterbreiten können. Gute Nachricht immerhin für kleine Künstler: Indies werden sowohl von der Werbe- als auch Filmbranche lieber gesehen als große Acts, und das nicht nur aus Kostengründen. Je unbekannter der Song zunächst ist, desto eher wird ein zukünftiger Kunde ihn mit dem Firmennamen und -image verbinden. Trotzdem sind auch hier die Chancen auf einen Erfolg gering: Laut Ilias Dahmiene, Chef des österreichischen Labels „Seayou“, war alles, ob Auftritte seiner Künstler in TV-Serien oder Spots, im Endeffekt „Glück“.

Direkte Kommunikation

Dabei muss es aber nicht bleiben. Ebenso, wie es das Internet einigen Künstlern erlaubt hat, ihre Musik ohne Umwege über die fußlahmen Netzwerke der Majors zu distribuieren, ermöglichen es neue Plattformen sowohl Film-Regisseuren als auch interessierten Musikern, direkt miteinander zu kommunizieren und ohne teure und letztlich auch ineffektive Sync-Agenturen miteinander in Kontakt zu treten. Eine der wohl erfolgreichsten dieser Plattformen ist das in Berlin ansässige Tracks & Fields. Das von Christian Mix-Linzer betriebene Projekt sieht auf den ersten Blick wie eine konventionelle Musik-Community aus, auf der Nutzer ihre Tracks hochladen, gegenseitig bewerten und schließlich auswerten können. Doch steckt eine Menge mehr dahinter: Wie keine andere Firma im Netz derzeit sucht man aktiv den Austausch zwischen Industrie und Kreativen, die einander hier auf Augenhöhe begegnen und gegenseitig voneinander profitieren: „Auf der einen Seite gibt es Unternehmen die Musik suchen. Die treffen bei uns auf eines der weltweit größten Netzwerke für professionelle Musikproduktionen, über das in kürzester Zeit alle Musikanfragen in höchster Qualität und Authentizität erfüllt werden können“, erklärt Mix-Linzer, „Musiker und Produzenten auf der anderen Seite haben Zugang zu aktuellen und zeitkritischen Lizenzierungsanfragen und können sich für ein Projekt entscheiden, bevor sie ihre Musik dazu einreichen.“ Wer am Ball bleibt und sich auf der Seite über aktuelle Ausschreibungen und Geschäftsmöglichkeiten informiert, so die Kernaussage, kann hier den ersten Schritt in das große Geschäft mit den Synchronisationsrechten machen.

Weil die Belohnung im Erfolgsfall so verlockend erscheint, hat Tracks & Fields schon recht schnell eine kritische Größe erreicht und wird heute von einer Basis genutzt, „die sich im deutlich fünfstelligen Bereich auf der Musiker- und Produzentenseite“ bewegt. Und während man am Anfang vor allem Remix-Projekte betreute, bei denen die Deadlines mehrere Wochen in der Zukunft lagen, will man sich nun verstärkt zeitkritischen Anfragen widmen. Dass gerade über die letzten Wochen konkrete Projektvorschläge aus Hollywood kamen, wertet Mix-Linzer dabei als einen Erfolg und kann sogar einen waschechten Coup vermelden: Gerade hat einer der User den Zuschlag für den Titeltrack zum Online-Spiel „Farmerama“ erhalten, einem Game, das weltweit von knapp zehn Millionen Menschen gespielt wird.

In der Praxis

Wie genau funktioniert nun Tracks & Fields? Mix-Linzer: „Unser Kerntool sind die Requests. Dort werden Anfragen gestellt und unsere Anwender reagieren darauf. Das können zum Beispiel Sync-Requests sein, aber auch viele Remixkampagnen von Labels. Der Prozess im Synchronisationsbereich sieht immer relativ ähnlich aus. Ein Lizenznehmer hat im Rohschnitt ein Musikstück verwendet, das stilistisch passend ist. Anhand dieser Referenz sucht er nun die Musik, die er dafür lizenzieren möchte, beispielsweise weil er die Rechte am Original nicht bekommt oder das Original nicht gut genug passt. Das wird bei uns mit einem mehr oder weniger genauen Briefing, Deadline und ungefährem Budget eingestellt und unsere Nutzer reagieren darauf. Die Art von Einreichungen hängt von den Teilnehmern ab, die Bandbreite reicht von bereits veröffentlichten Songs über Unveröffentlichtes bis hin zu gezielten Produktionen. Das System wird durch einige zusätzliche Tools im Collaboration-Bereich gestützt. Das heißt, Benutzer können in unserem Netzwerk gezielt nach Partnern für eine solche Ausschreibung suchen und gemeinsam online an Sessions arbeiten.“ Ein kurzer Blick auf die Seite beweist, wie interessant dieses Modell bereits für Vertreter der Musikindustrie ist: So bietet die progressive Indie-Band „Coheed & Cambria“ einen Remix-Wettbewerb an, dessen Gewinner eine digitale Veröffentlichung winkt und auch Cross-Over-Urgesteine wie „Die Happy“ locken mit ähnlich gestrickten Projekten.

Als einen Beitrag zur Arbeitserleichterung und als Chance, das Spielfeld zu ebnen sieht man die eigene Leistung bei Tracks & Fields durchaus. Doch geht es ihnen noch viel mehr darum, dass Musiker eine Chance auf ein ansprechendes Entgelt für ihre Leistung bekommen. Die Lösung geschäftlicher Probleme und Hürden kann aber niemals ein Ersatz für musikalisches Talent sein, betont Mix-Linzer: „Es hat sich auch die Qualität der Produktionen und die Rolle, die Musik spielt, extrem verbessert. Wenn man sich TV-Serien ansieht, ist es schon ein Unterschied, ob man früher seine Musik an Emergency Room lizenziert hat oder das heute bei House MD oder Grey’s Anatomy tut.“ Dass die Auseinandersetzung nun aber wieder auf der kreativen Seite ausgetragen wird, darf man durchaus als positive Botschaft werten.

von Tobias Fischer

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