Clubreport: Climax Stuttgart

Geschrieben von Beat
02.07.2011
09:16 Uhr

Interviews mit Club-Betreibern geraten schnell ins Stocken, sobald es um die technischen Hintergründe geht. Nicht so bei Michael Gottschalk vom Stuttgarter Climax. Für ihn ist Klang eines der grundlegenden Elemente und fügt sich nahtlos in eine an Qualität und einem eigenen Stil orientierte Strategie ein. Der Teufel steckt hier nicht nur im Detail – man kann ihn wirklich hören.

(Bild: beat.de)

Einen verzerrten und übersteuerten Sound zu dem Markenzeichen originärer Tanzkultur zu verklären hat derzeit Hochkonjunktur. Nicht jedoch für Michael Gottschalk: „Ich komme eher aus der Hi-Fi-, beziehungsweise High-End-Ecke“, lacht der Stuttgarter, der nun seit bereits fünfzehn Jahren zusammen mit Peter Reinhardt das Climax betreibt, das als einer der feinsten Locations in Sachen House und Techno sowohl in der schwäbischen Metropole als auch überregional höchsten Respekt genießt. Es ist ein stetiger Aufstieg, der weniger auf Namedropping und spektakuläre Ausnahme-Events zurückzuführen ist, als vielmehr auf eine kontinuierliche, betont faire und an einem ganz eigenen Stil orientierte Programmierung – und nicht zuletzt natürlich auf eine explizite Betonung der klanglichen Aspekte des Club-Erlebnisses. „Ich bemühe mich letztlich, einen neutralen Sound zu realisieren“, so Gottschalk, „Ein sanfter oder schneidender Hochtonbereich zum Beispiel sollte meiner Meinung nach auf die Aufnahme und nicht auf das Wiedergabesystem zurückzuführen sein. Einen guten Sound definiere ich für mich aus zwei Perspektiven. Fürs Publikum: neutral, räumlich gut auflösend und drückend im Bass. Für den DJ: stereophones Frontstaging beim Monitoring, sonst neutral und laut.“ Es war der Sache dabei sicherlich nicht abträglich, dass Gottschalk auch selbst vom Fach kommt und regelmäßig unter dem „Clash“-Pseudonym auf den eigenen Partys hinter den Turntables steht. So kann es kaum verwundern, dass er von Kollegen regelmäßig das Kompliment erhält: „Das merkt man …“

Breite Basis

In Bezug auf Stuttgart von einer Hochburg der Club-Kultur zu sprechen, wäre sicher vermessen. Und dennoch: Schon lange hat man sich hier von der einseitigen Fixierung auf Hip-Hop in Richtung einer breiten Abdeckung elektronischer Musikkultur emanzipiert, kann heute nicht nur eine höchst diversifizierte Szene-Landschaft aufweisen – Peter Reinhardt beispielsweise ist neben seiner Arbeit für das Climax auch noch als Inhaber der „Röhre“ aktiv. Es ist einer von Gottschalks Verdiensten, nicht erst zu warten, bis sich Talente wie Danilo Plessow (Motor City Drum Ensemble) oder Peter Hoff einen Ruf erspielt haben, sondern ihre Karrieren von Anfang an aktiv zu unterstützen und zu fördern: Mit Produzenten und DJs wie Jackmate und Martin Eyerer kollaboriert er nun schon seit geraumer Zeit, will dem „Booking-Overkill“ der Stadt bewusst eine stabile und sich dennoch stetig erneuernde Basis eigener Leute entgegensetzen. Der lange Atem ist Teil des Konzepts, weswegen die Geschichte des Clubs, die einst unter dem Namen „Climax Institutes“ in der Friedrichstraße, mitten im Stuttgarter Zentrum, begann und 2004 nur einen kurzen Fußmarsch entfernt an der Calwerstrasse fortgesetzt wurde, in gewissem Sinne die Geschichte von House in Stuttgart ist. Sogar die neue Location kann auf eine ruhmreiche Vergangenheit zurückblicken, schließlich handelt es sich hierbei um die Räumlichkeiten des ehemaligen „RedDog“, in dem unter anderem die heutigen Vorzeige-Minimalisten Tiefschwarz ihre Karriere begannen. So schließen sich in dem Kellerclub mehrere Kreise und jeder Act ist mit einer Erinnerung verbunden: „Jackmate kenne ich nun seit etwa siebzehn Jahren. Er hatte sich schon in einem sehr „frühen“ illegalen Projekt (4307) im Römerkastell um eine Möglichkeit bemüht, wo er dann später übrigens auch ein Studio hatte. So kreuzten sich unsere Wege immer wieder – und jedes mal hatte er sich einen Schritt weiterentwickelt. Bei Martin Eyerer wurde der Kontakt über Patrick Zigon hergestellt. Dass wir uns dann persönlich auch sehr gut verstanden, war mit der erhofften „Win-Win-Situation“ offensichtlich gut zu vereinbaren.“ Schon die stilistische Bandbreite der genannten Namen, die von Eyerers eklektischem House bis hin zu den knisternd-dubbigen Micro-Beats des Motor City Drum Ensemble reicht, zeigt, wie breit sich Gottschalk aufgestellt hat und wie wenig Sinn es macht, von einem einheitlichen „Sound of Stuttgart“ zu sprechen.

Sound of Climax

Immerhin hat der gesamte „Kessel“, wie man Kern und direkte Umgebung von Stuttgart aufgrund der geographischen Begebenheiten gerne abkürzt, dazu beigetragen, den bei aller Vielseitigkeit erkennbaren „Sound of Climax“ zu gestalten. Die vollaktive JBL/Crown-Anlage mit vier 18-Zöllern im Subbassbereich und vier Fullrange-Satelliten, welche das Herzstück bildet, wurde bei der Firma Soundland in Fellbach erworben und anschließend auch von ihr installiert. Und während die Kollegen von JBL Deutschland an der Einstellung des Controllers beteiligt waren, wurde der musikalische Feinschliff von Jürgen Scheuring von dem im unweit gelegenen Köngen situierten Unternehmen Ascendo über optimierte Controller-Einstellung mittels Einmessung vorgenommen. Dabei gab es zunächst eine architektonische Besonderheit zu bewältigen: Die vielen eingezogenen Gipswände im Gebäude drohten die Bassenergie aus den Tracks heraus zu saugen und die klanglichen Idealvorstellungen zunichte zu machen. Für Gottschalk eine Herausforderung, der er sich mit besonderer Hingabe stellte: „Wir mussten mit der Trennfrequenz zu den Subwoofern recht tief runter, um einen druckvollen Sound zu realisieren. Außerdem klang es etwas entfernt von der Tanzfläche an einer Bar mulmig und bassig, was wir durch zwei über Delay angesteuerte Satelliten kompensieren konnten. Letztere leisteten auch gute Arbeit, damit man sich weiterhin gut unterhalten kann: Durch die Satelliten wurde dort die Wiedergabe linearisiert und durch die entsprechende Aufhängung der vier Mainspeaker auf die Tanzfläche fokussiert.“

Es ist eine Feinabstimmung, die sich ausgezahlt hat. Wie nur wenige Clubs kann das Climax auf ein fanatisches Stammpublikum vertrauen, welches auch dann den Weg in die Calwerstrasse findet, wenn junge, unbekannte Acts auflegen oder man sich aus der House-Ecke in experimentellere Gewässer der elektronischen Musiklandschaft wagt. Diese Offenheit resultiert nicht nur in zufriedenen Gesichtern bei den Besuchern, sondern ebenfalls in Dankeshymnen der gastierenden DJs, was es den Betreibern bedeutend einfacher macht, aus gegebenem Anlass auch mal bekanntere Acts wie Westbam oder Toni Rios einzuladen.

Gekonnt hat man es verstanden, den eigenen Geschmack und die persönlichen Ansprüche als Schlüssel zu nutzen, um sich von den angeblichen Verpflichtungen des Marktes abzunabeln: „Dieser Anspruch beziehungsweise unsere Freiheit ist es, eben nicht unbedingt Gäste im vierstelligen Bereich anzusprechen oder dieses zu müssen, auch wenn einige unserer Veranstalter und Residents dies durchaus vermögen. Bei uns wird Musik gespielt, die uns gefällt und uns spielenswert erscheint. Das darf schon durchaus auch mal massenkompatibel sein, muss es aber eben nicht zwingend. Denn nur weil gerade XY das Thema bei den großen Sendern ist, ist es bei uns nicht zwangsläufig auf der Agenda.“ Dort stehen in der Tat ganz andere Faktoren – wie zum Beispiel, sich dem verzerrten Bild übersteuerter Sounds jedes Wochenende mit wuchtiger Klarheit entgegen zu stemmen.

von Tobias Fischer

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