Quelle: https://www.beat.de/news/clubreport-butan-wuppertal-10054815.html

Autor: Beat

Datum: 09.02.12 - 11:09 Uhr

Clubreport: Butan Wuppertal

Während sich Puristen noch stets darüber streiten, ob ein Club nun ein Ort oder ein Konzept ist, steht für Tobias Wicht vom Wuppertaler Butan fest: Im Idealfall ist er immer beides. Was Ende der Neunziger als eine Reihe illegaler Partys auf einem ehemaligen Fleischfabrikgelände begann, entwickelte sich zunehmend zu einer der spannendsten und eigensinnigsten Locations des Landes. Heute treten sogar Superstars der Szene wie Sven Väth gerne die Reise in die eher unauffällige westfälische Metropole an, magisch angezogen von der praktischen Umsetzung einer ebenso einfachen wie philosophischen Erkenntnis: dass nichts auf ewig so bleiben kann, wie es ist.

Wuppertal ist nicht eine dieser Metropolen, die einen Besucher unmittelbar auf den ersten Blick in ihren Bann ziehen. Man könnte sogar sagen, dass Wuppertal eine, zumindest für Außenstehende, eher unattraktive Stadt ist: Ein trostloser Bahnhofstunnel führt in die recht unauffällige Altstadt, in der die berühmte Schwebebahn wegen Reparaturarbeiten gerade nicht schwebt. Die Besucherschlange vor der Bonnard-Ausstellung hat sich inzwischen aufgelöst, was den Blick auf wenig charmante Straßen und die ewig gleichen Geschäfte freigibt. Etwas grau ist es hier, leicht verschlafen und irgendwie auch ein wenig traurig. Kurz gesagt: Es ist der ideale Nährboden für einen der großartigsten Techno-Clubs der Republik.

Genau wie in Berlin nämlich nutzen die Wuppertaler Kreativen die klaffenden Wunden in der Struktur der Stadt für ihre Ideen. 1999 beginnt Tobias Wicht mit ein paar Freunden, in der ehemaligen Fleischfabrik Tielmann Underground-Events zu organisieren. Die offizielle Lizenz zum Feiern fehlt, doch vielleicht gerade deswegen werden die Baustellenpartys zur Legende. Knapp zwei Jahre lang kehrt der wilde Geist der frühen Techno-Bewegung zurück, manifestiert sich die Raving Society jeden Abend aufs Neue, ohne sich um gesellschaftliche Konventionen zu kümmern. Die Events sind chaotisch, unorganisiert aber, wie Wicht betont, „sehr lustig“. Die Legalisierung der Aktivitäten seitens der Stadt markiert einen ersten Meilenstein, doch bildet noch heute vornehmlich die anarchistische Energie der Gründungszeit die Hauptinspirationsquelle für eine endlose Reihe kreativer Permutationen: „Die Bindung mit diesem Gelände ist schon sehr eng“, so Wicht, „Der Geist von früher steckt nach wie vor in der Location, in den Menschen, welche die lange Strecke unseres Weges mit uns gemeinsam gegangen sind – und weiter gehen. Und natürlich auch in uns.“ Das Prinzip Veränderung ist längst zur Maxime geworden: „Wir wollen immer noch unberechenbar bleiben. Das ist schwer – aber wir tun unser Bestes. Kein Schubladendenken – alles, was für uns cool ist, realisieren wir auch.“

Genau so geht das Butan bereits seit nunmehr zwölf Jahren vor und hat es damit geschafft, sich international als eine der angesehensten Locations Deutschlands zu profilieren. Für Wicht war die Verpflichtung von Elektronik-Legende Sven Väth vor drei Jahren einer der absoluten Höhepunkte seiner Arbeit, doch liest sich die gesamte Liste der in seinem Club vertretenen DJs wie ein Who-is-Who der Techno-Szene: Chris Liebing, Carl Cox, Ritchie Hawtin, Mauro Picotto, DJ Hell, Jeff Mills und Ricardo Villalobos gaben sich hier die Klinke in die Hand und auch die Residents haben sich, in ihren jeweiligen Genres, über die Stadtgrenzen hinaus einen hervorragenden Ruf erspielt. Thomas Ruschinzik und Stefan Waldschmidt, die von Anfang an mit dabei waren und inzwischen für den Club zu einem unschätzbaren Berater geworden sind, sind im Butan für die House-Fraktion zuständig, Sia-Mac und Frank Sonik bedienen die Techno-Community. Und auch wenn das Geschäft aus Wichts Sicht über die Jahre schwieriger geworden ist, will er sich nicht wirklich beklagen: „Die wirklich angesagten DJs sind viel internationaler unterwegs und fordern sehr oft zu hohe Gagen. Andere spielen gar nicht mehr in Clubs sondern nur noch auf Festivals. So etwas finde ich total undankbar – man sollte nie vergessen, woher man kommt. Jedoch klage ich gerade aus Butan-Sicht hier auf hohem Niveau.“

Dass es jemandem wie Wicht überhaupt möglich ist, einen Super-Star wir Väth nach Wuppertal zu locken, liegt nicht nur daran, dass sich seine Sicht der Stadt wohl grundlegend von der oben geschilderten unterscheidet oder dass die Club-Szene hier generell unterschätzt wird. Vielmehr ist der Stellenwert des Butan auf ein extrem hohes Qualitätsbewusstsein zurückzuführen, bei dem die Skills der Musiker und die Audiotechnik einen ebenso große Rolle einnehmen wie das Ambiente: „Wir haben direkt große DJs gebucht und uns damals eine gute Anlage geliehen. Das Design sowie das Licht kamen später“, so Wicht. Von Anfang an hatte er in Bezug auf den Sound des Clubs eine extrem genaue Vorstellung, woraus sich auch architektonisch spezielle Herausforderungen ergaben: „Wir haben für das Butan einen drückenden, klaren Klang vorgesehen, also einen guten Sound im Bereich des Wirkungsgrades unseres Vierpunkt-Systems, mit einem kraftvollen, etwas basslastigen Klang. Alles andere als eine Vierpunkt-Beschallung ergibt bei uns keinen Sinn. Ich habe aber, um eine optimale Hängeposition zu erreichen und die Deckenlast nicht zu überschreiten, zusätzliche Stahlträger montiert und daran meine Anlage befestigt. Wegen der Architektur des Mainfloors haben wir auch das DJ-Pult an einem anderen Ort gebaut.“

Ebenso konsequent hat jeder der vier Floors im Butan eine auf die Besonderheiten der Örtlichkeit ausgelegte PA. Von maßgeblichem Interesse ist an dieser Stelle natürlich vor allem die Anlage der Haupthalle, in der die angesehenen Gäste auflegen und um die herum sich die Club-Abende entfalten. Die Basis des wuchtigen Sounds bilden hier sechs Electro-Voice DML1152, die direkt durch einen elektronischen Controller angesteuert werden können, sowie ein Quartett aus DML2181-Speakern, die für den so essenziellen Bass-Bumms sorgen. Bei den Verstärkern setzt Wicht mit der 6290- und 6260-Reihe von Urei auf Vintage-Equipment, und auch in der DJ-Kanzel können die Künstler für ihr Vinyl aus Klassikern wie einem Rodec MX240 MK III oder zwei Technics SL1210 MKII/Ortofon CC wählen. Das Ergebnis spricht für sich: „Die Anlage wird oft gewartet und im Abspiel- und Mixerbereich verändern wir immer sehr viel. Das Monitoring des DJs wird bestimmt noch einmal ausgetauscht. Jedoch bin ich momentan mit dem Sound für die Gäste sehr zufrieden.“

Eine gewisse Flexibilität ist dabei von ganz besonderer Bedeutung, denn das Butan versteht sich trotz seines auf diesem Gebiet so starken Rufes keineswegs als reiner Techno-Club und hat seine Türen schon recht früh auch für Rock und Anverwandtes geöffnet. Was als Experiment begann, ist heute zu einem Eckpfeiler der Club-Philosophie geworden: Fünfzig Prozent der Events sind elektronisch, der Rest speist sich aus anderen Quellen. Auch kennt Wicht keine Berührungsängste mit den kommerzielleren Spielarten des Genres. So wird die beliebte Trance-Reihe fortgesetzt, bei der kürzlich sogar DJ Tiësto im Butan auflegte. Das Butan, so wird einem schon recht bald klar, ist ganz eindeutig für alle angelegt und der erste Eindruck täuscht: Es lohnt sich ganz eindeutig, auch in Wuppertal ein wenig genauer hinzusehen.

von Tobias Fischer