Clubreport: 3001 Düsseldorf

Geschrieben von Beat
16.06.2011
21:33 Uhr

Wenn vom Club als Idee gesprochen wird, dann zumeist, weil sich die dort gemachten Erfahrungen selten in Worte fassen lassen. Im 3001 gilt das ebenso und nicht nur, wenn man gemeinsam feiert oder kollektiv dem Verlust eines geliebten Künstlers gedenkt. Immer wieder zeigt sich die Bedeutung einer konzeptuellen Linie, von Strukturen hinter dem Rausch. Einen eigenen Weg gehen freilich auch andere, doch wird der rote Faden dahinter selten so transparent wie hier.

Über Dance-Kultur lässt sich ganz offensichtlich schlecht schreiben. Unter anderem wohl auch deshalb, weil Realismus in der Disco nichts zu suchen hat. Die Aufgabe eines guten Clubs besteht schließlich nicht in Wahrheitsfindung, sondern in der Schaffung und Aufrechterhaltung einer perfekten Illusion. Auch das Düsseldorfer 3001 dreht sich niemals ausschließlich um Musik. Stets geht es um die Arbeit mit dem Raum, das Ausloten und Erforschen von Emotionen, der Verbindung von nacktem Beton, Technologie und menschlicher Kreativität. Trotz seiner ungewöhnlichen Architektur ist der Club „im Hellen eigentlich eine recht nackte Halle ohne Schnickschnack“, so Club-Manager Fabian Veldmann. Eben diese Nacktheit indes liefert den Betreibern eine optimale Projektionsfläche – und das nicht nur im wörtlichen Sinne – für die Visuals, mit denen man sich zur Gründung vor acht Jahren unmittelbar in die Spitzenklasse katapultierte. Sondern ebenfalls für das Spinnen eben desjenigen undefinierbaren Stoffs, aus dem hier die Träume sind.

Vage Vision

Und dennoch hat selbst der schönste Traum seinen Ursprung stets in der einen unmittelbar umgebenden Welt. Zwei für das 3001 essenzielle Handlungsstränge liefen dabei 1995 zusammen. Zum einen beginnt der Ausbau des Düsseldorfer Hafens, zunächst nicht viel mehr als eine vage Vision, allmählich konkrete Formen anzunehmen. Aus einem eher uncharmanten Gelände entspringt eines der spannendsten neuen Ausgehviertel der Stadt, in dem sich urige Gemütlichkeit mit einer dynamisch pulsierenden urbanen Kultur verbindet. Praktisch zeitgleich wird das 1848, ein Club direkt unter dem berühmten Malkasten – dem ehemaligen Haus eines international renommierten Künstlervereins – aufgrund zunehmender Nachbarschaftsproteste geschlossen. Die Koinzidenz der Ereignisse sorgte für eine Initialzündung: Trotz der durch die Pleite des Bauunternehmens Holzmann verursachten Verzögerung des Projekts eröffnen zunächst der 1848-Nachfolger MK2 und anschließend die Harpune im Medienhafen ihre Türen. Trotz ihrer Pionierleistungen stellt aber erst die Eröffnung des 3001 den wahren Triumph der Neubesiedlungsmaßnahmen dar, der konsequent ausgebaut wird. Auch wenn, wie Veldmann freimütig zugesteht, nicht alles sofort reibungslos lief: Vor allem „durch Fleiß und Akribie ist es gelungen, das 3001 mittelfristig regional, national und international zu etablieren.“

Akribie und Fleiss, …

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… das sind Begriffen, die man im Club-Geschäft eher selten hört. Doch stehen sie beim 3001 für eine Strategie, die gleichermaßen auf Wandel und Transformation fokussiert. Während man im Laufe der Jahre einige der größten DJs für sich gewinnen konnte und auf Kontinuität und Qualität setzt, hat man es genau so verstanden, die Zeichen der Zeit zu interpretieren und aus ihnen die folgerichtigen Konsequenzen zu ziehen – meistens jedenfalls: „Ich will nicht behaupten, dass wir nie einen Strom verpasst hätten“, so Veldmann, „Wir lagen sicherlich öfter daneben und werden es auch in Zukunft. Im Gros gelingt es uns aber ganz gut, Trends zu erkennen, zu verfolgen und im richtigen Moment im Clubkontext zu thematisieren.“ Mit einem einzigen musikalischen Stil ist man allein schon deswegen nicht verheiratet, weil eine solche Einseitigkeit aufgrund der allgemeinen Durchmischung von Szenen nicht mehr als zeitgemäß erscheint. Stattdessen sucht man nach künstlerischem Anspruch in aktuellen Entwicklungen, nach der Übereinstimmung von Trend und Niveau. Aus dieser Philosophie ergeben sich Freiräume, die seitens der Betreiber immer wieder neu definiert und von den Besuchern persönlich interpretiert werden. Stets aber wird dabei die Nähe zwischen den Tänzern betont, die sich in der schon sprichwörtlichen Enge des 3001 extrem nah kommen, sowie zwischen Künstlern und Gästen: Selbst ein Moby steht dann praktisch auf Tuchfühlung mit seinen Fans inmitten eines Ozeans an Körpern. Es ist die ideale Basis für Gänsehautmomente: Als Laurent Garnier, kurz nach Mark Spoons Tod, einen Song von Spoon spielte und dessen Foto über 600 Quadratmetern an den Wänden erschien, stand der brechend volle Club für zwei Minuten still.

Progressive Tendenzen

Angesichts der mit der exklusiven Lage verbundenen Mietpreise kann man trotz dieser Momente längst nicht mehr mit einem reinen Club-Konzept allein bestehen. Das 3001 hat sich in diesem Zusammenhang das Adjektiv „progressiv“ auf die Fahne geschrieben, ein Bekenntnis dazu, „anders“ zu sein. Einige der Gäste leben dieses Anderssein, indem sie in regelmäßigen Abständen eine Ananas mit auf die Partys nehmen und sie am Ende des Abends mitsamt Schale verspeisen („Den tieferen Sinn haben wir noch nicht verstanden“ lacht Veldmann). Für den Club hingegen bedeutet es vor allem, eine Strategie für prominente und finanzkräftige Gäste einerseits sowie für Firmenkunden andererseits zu entwickeln, um sich ein zweites Standbein zu schaffen. Zu Ersterem gehört dabei vornehmlich der Essential Guest Club („Wir fanden das Wort VIP doof und es war lange mit einer Strafe von fünf Euro belegt, wenn jemand aus dem Team dieses Wort benutzte“), der mit einem eigenen Eingang versehen ist. Der Eintritt ist umsonst, die Getränkepreise dafür höher, die Lounge eine Art Club im Club, was allerdings nicht als Elitenbildung missverstanden werden sollte: „Ein dickes Portemonnaie schließt Musikinteresse nicht aus. Bei uns ist es normal, dass Leute in van-Laack-Hemden zu Boys Noize die Hände in die Luft reißen.“ Die direkte Ansprache von Unternehmen wiederum ist im Laufe der Jahre so wichtig geworden, dass man diesen Bereich von spezialisierten Mitarbeitern betreuen lässt, die mit dem Tagesgeschäft des Clubs nicht unmittelbar etwas zu tun haben. Der Erfolg kann sich sehen lassen: Große Multinationals wie Sony Ericson, L’Oreal und O2 haben das 3001 bereits für eigene Events gebucht.

Doch bedeutet „progressiv“ natürlich immer auch, ein Auge auf die Zukunft zu behalten. Als man einen Aufruf zum Einsenden eigener DJ-Mixe startete, war das Ergebnis zwar eher enttäuschend: „Wer eine Minimal-CD abgibt, hat sich offensichtlich nicht mit uns auseinandergesetzt.“ Doch genau im gelenkten Experiment besteht ein Teil der eigenen Wandlungsfähigkeit. Allein schon deswegen setzt man auf den direkten Kontakt mit denen, die sich hier immer wieder einer schönen Illusionen hingeben, auch wenn im Bereich Social Media der Erfolg kaum messbar ist: „Facebook ist kein Allheilmittel, aber notwendig. Soundcloud oder Ustream derzeit eher Spielerei. Am Ende weiß man nie, was funktioniert und weshalb die Gäste kommen. Der dreitausend und erste Freund auf Facebook stand zum Beispiel einen ganzen Monat bei jedem Event auf der Gästeliste und kam nie.“ Was nicht bedeutet, man sollte darauf komplett verzichten: „Die Information muss relevant sein und durch jeden sich bietenden Kanal gestreut werden – dann klappt’s.“ Gelegentlich muss eben selbst eine Traumfabrik auf schnöden Realismus zurückgreifen.

Das visuelle Erscheinungsbild des 3001 …

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… ist ein essenzieller Bestandteil der Strategie des Clubs. Und so arbeitet man, statt ständig auf neue Züge aufzuspringen, bereits seit Jahren fest mit einer, wie Club-Manager Fabian Veldmann betont „phänomenalen Grafikerin“. Diese hört auf den Namen Denise Franke, leitet die Bottroper Agentur dfact, kennt sich bestens in verschiedenen Genres aus und ist für das Design der Düsseldorfer verantwortlich. Für ihr Arbeit „Death by Chocolate“ wurde Franke in diesem Jahr bereits mit dem iF Packaging Award 2011 ausgezeichnet.

von Tobias Fischer

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