Quelle: https://www.beat.de/news/amazonade-tyrell-gespraech-peter-grandl-10052787.html

Autor: Beat

Datum: 14.06.11 - 22:14 Uhr

Der amazona.de Tyrell: Im Gespräch mit Peter Grandl

Basierend auf den Leserwünschen des Online-Magazins amazona.de entwickelten der Website-Gründer Peter Grandl und Synth-Guru Mic Irmer das Konzept eines modernen analogen Polysynthesizers. Die Wunschausstattung des achtstimmigen Trauminstruments umfasst zwei Oszillatoren mit Oszillatorsynchronisation, Frequenz-, Ring- und Pulsweitenmodulation, ein Multimode-Filter, einen Arpeggiator, zwei ADSR-Hüllkurven, drei LFOs und einen Ribbon-Controller. Mit Spannung wartet nun die Synthesizer-Szene darauf, ob sich ein Hersteller von der innovativen Idee mitreißen lässt und sie in Form eines gleichermaßen erschwinglichen wie leistungsfähigen Produkts umsetzt.

Beat / Wie entstand die Idee zu der Aktion?

Peter / Ich habe Uli Behringer in China besucht und mich davon überzeugen können, dass man auch dort hochwertig und menschenwürdig produzieren kann. Bei der Gelegenheit habe ich Uli erzählt, dass es eigentlich schade ist, dass es kaum mehr vollanaloge Synthesizer gibt. Da hat er mir von seinem ersten analogen Synthesizer vorgeschwärmt, einem Juno-60. Zu diesem Zeitpunkt war das zwischen uns nur so ein Reservisten-Plausch. Als ich wieder in Deutschland war, habe ich über Amazona die erste Umfrage gestartet, ob es denn für Repliken überhaupt einen Markt geben würde. Und siehe da: Die Resonanz war gewaltig.

Kaum war die Auswertung veröffentlicht, klopfte Uli wieder an die Tür und präsentierte uns die Kopie eines vollständigen Roland Juno-60 mit MIDI für einen geplanten Verkaufspreis von 500 Euro. Er hatte Feuer gefangen und sein Team hat das Ding zerlegt und zu kalkulieren begonnen. Das Problem war nur, dass er dem Markt nicht die gewünschten Stückzahlen zutraute. Und so zog er sich wieder zurück. Ich hingegen hatte nun erst recht Lust bekommen, weiter zu machen. In der nächsten Amazona-Umfragerunde erweiterten wir das Thema: „Wie würdest du einen Juno-60 ergänzen, damit daraus dein Traum-Synth werden würde?“ Aus einer ewig langen Liste an Features konnte man aber nur fünf Ausstattungsmerkmale auswählen. Aus dieser Leser-Expertise und dem Grundaufbau eines Juno-60 entwickelte Mic Irmer dann den Tyrell. Ich kümmerte mich um das Layout, den Namen und engagierte Stephan Gries, um das Ganze in 3D umzusetzen. Und da steht er nun. Zumindest virtuell.

Beat / Wie hat sich aus der Umfrage der Entschluss entwickelt, ein eigenes Synthesizer-Konzept zu erarbeiten?

Peter / Schon nach der ersten Umfrage wurde klar, dass die alten Klassiker ihren Reiz haben. Aber von einem modernen Synthesizer erwartet man eben doch Einiges mehr. Fast jeder zweite Teilnehmer äußerte sofort Sonderwünsche. Nach wie vor bin ich mir aber sicher, dass ein voll analoger Juno-60 für unter 500 Euro ein Kracher werden würde. Hoffentlich liest Uli das! (lacht)

Beat / Ihr visiert einen Preis von unter 1500 Euro für die Tasten- und unter 1000 Euro für die Rack-Version an. Haltet ihr diese Preise für einen achtstimmigen analogen Synthesizer für realistisch?

Peter / Wenn hier in Kleinauflagen kalkuliert wird, so wie das etwa bei Dave Smith Instruments der Fall ist, keine Chance. Wenn das Teil aber durch CASIO oder Behringer zum Volks-Synth wird – man möge mir diesen Begriff verzeihen (lacht) – dann ist der Preis machbar.

Beat / Wie geht es nun mit dem Projekt weiter?

Peter / Wenn alles gutgeht, und davon gehe ich nach den letzten Gesprächen aus, können wir bei Erscheinen dieser Ausgabe ein erstes Ergebnis präsentieren. Klar ist, dass dann keine vollanaloge Hardware fertig sein wird, aber es sieht nach einem spannenden Anfang aus. Danach wird man sehen, was passiert. Da das weltweite Interesse der Synthesizerszene geweckt wurde, hoffe ich schwer darauf, dass auch irgendein Hersteller diese Marketingpower erkennt und sich ermutigt fühlt, den Tyrell zu bauen.

Tyrell wird Realität!

Wie uns Peter Grandl nach der Fertigstellung des Interviews mitteilte, hat sich Urs Heckmann alias u-he bereiterklärt, eine kostenlose Software-Umsetzung von Tyrell zu entwickeln. Bereits dies ist eine kleine Sensation, denn schließlich konnten die beiden u-he-Synthesizer Zebra 2 und ACE in puncto Klangqualität und Flexibilität Maßstäbe setzen. Des Weiteren haben drei Hersteller aus Europa und China ihr Interesse an einer Hardware-Umsetzung von Tyrell bekundet. Es bleibt also weiterhin spannend!

von Vera Schumacher