Test

Legendär und aufgefrischt: Roland VP-03 Vocoder im Test-Labor

Mit dem VP-03 ergänzt Roland seine Boutique-Serie um eine Kombination aus Vocoder und String Machine, basierend auf dem Klassiker VP-330. Ist die Neuauflage des bewährten Klassikers auch hörenswert? Jan Wilking hat's herausgefunden!

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Roland eröffnete seine Boutique-Serie mit den verkleinerten Nachbauten legendärer polyphoner Synthesizer. Pünktlich zum als „909-Tag“ ausgerufenen 9. September letzten Jahres wurden drei neue Geräte präsentiert, wobei neben den Techno-Klassikern TR-909 und TB-303 vor allem die digitale Neuauflage des legendären Vocoder-Keyboards VP-330 für eine Überraschung sorgte.

Roland VP-330

Das Vorbild für den VP-03 stammt aus dem Jahre 1979. Der VP-330 war zwar nicht der erste musikalisch nutzbare Vocoder auf dem Markt, aber die zusätzliche Ausstattung mit einem analogen Synthesizer und einem Keyboard in einem relativ kompakten und vor allem bezahlbaren Format hat ihm zahlreiche Anhänger beschert. Die typischen Robotersounds als auch die charakteristischen Streicher- und Chorklängen haben viele Songs aus dieser Zeit geprägt.

Hervorzuheben sind dabei nicht nur die hohe Sprachverständlichkeit des Vocoders, sondern auch die warmen, fülligen Flächenklänge, die durch das Koppeln von Voice- und String-Sounds in Verbindung mit dem tollen Ensemble/Chorus-Effekt entstehen. Gut zu hören ist dies bei vielen Vangelis-Songs wie beispielsweise dem stilprägenden Bladerunner-Soundtrack. Es wurden schätzungsweise 2000 Modelle auf dem freien Markt verkauft, und heutzutage ist der VP-330 ein begehrtes Sammlerobjekt und erzielt Gebrauchtpreise, die weit oberhalb des damaligen Neupreises liegen.

Roland VP-03: Virtuell-analoge Neuauflage

Der VP-03 verbindet einen 6-stimmigen Synthesizer mit einem Vocoder. Er arbeitet wie seine Geschwister rein digital und bedient sich Rolands Analog Circuit Behavior-Technologie (ACB), die eine originalgetreue Nachbildung analoger Schaltkreise verspricht. Das Design ist an das Original angelehnt, ohne es direkt zu kopieren. Die Fader mit den beleuchteten Kappen entsprechen dem JU-06 und JP-08, die Taster mit eingebauter LED dagegen sind verkleinerte Nachbildungen des VP-330 Mark2 und Jupiter 8. Maße und Gewicht sind nahezu identisch mit den anderen Boutiques, der VP-03 ist daher auch kompatibel mit dem optionalen Keyboard K-25m und dem Dock DK-01. Insbesondere das Keyboard ist eine gute Ergänzung, wenn Sie einen kleinen und kompakten Synthesizer und Vocoder für die Bühne benötigen. Es bietet die Möglichkeit, das Bedienfeld in verschiedenen Winkeln schräg aufzustellen.

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Der VP-03 ist in einem solide verarbeiteten Metallgehäuse untergebracht und durchaus portabel ausgefallen, Batteriebetrieb und eingebauter Mini-Lautsprecher unterstützen dies noch. An Anschlüssen gibt es ein MIDI-Pärchen, Kopfhörer- und Line-Ausgang (jeweils Stereo-Miniklinke) sowie einen USB-Anschluss, schmerzlich vermisst haben wir aber einen Audioeingang. Es gibt zwar eine XLR-Buchse auf der Vorderseite, um das mitgelieferte Mikorofon (mit etwas zu kurz geratenem Schwanenhals) aufzustecken oder ein anderes dynamisches Mikrofon zu nutzen und Ihre Stimme als Modulator in den Vocoder einzuschleifen. Sie können aber mangels Line-Eingang keine Sounds eines anderen Synthesizers direkt als Carrier nutzen. Hierfür müssen Sie den Umweg über einen Computer gehen. Der VP-03 wird, wie seine Geschwister, vom System als Audiointerface erkannt, stellt aber neben einem Stereoeingang gleich drei Stereoausgänge zur Verfügung. Audiosignale, die über die zwei zusätzlichen Ausgänge von der DAW an den VP-03 geschickt werden, übernehmen die Funktion von Carrier und/oder Modulator. Schicken Sie einen Drumloop auf Stereoausgang 2 und einen Streicherakkord auf Stereoausgang 3 und Sie erhalten die typischen Vocoder-Rhythmen im Stile von Sonic Empire der Members of Mayday. Dies funktioniert allerdings nur, wenn Sie den VP-03 auch als Soundkarte nutzen oder das System mehrere Soundkarten kombinieren kann. (Letzteres ist unter Windows nur mit Hilfe von zusätzlicher Software wie ASIO4ALL möglich).

Vocoder plus Synthesizer

VP steht für Vocoder Plus. Vereinfacht gesagt moduliert bei einem Vocoder ein Audiosignal ein anderes, was im Ergebnis z.B. für Roboterstimmen im Stile von Kraftwerk oder für singende Streicher sorgt, aber auch jede Menge weitere Experimente erlaubt. Als Carrier, also als tragendes Signal, besitzt der VP-03 wie das Original zwei Klangfarben, Human Voice und Strings. Human Voice bietet einen männlichen und weiblichen Chor, die gelayert oder per wählbarem Splitpunkt auf der Tastatur verteilt werden können. Einen realistisch klingenden Chor dürfen Sie natürlich nicht erwarten, denn die menschliche Stimme wird hier nicht durch Samples, sondern durch Bandpassfilter mit hohen Resonanzwerten künstlich nachgebildet. Regelbar sind die Einklingzeit, ein zuschaltbarer Ensemble-Effekt sorgt für mehr Wärme, Lebendigkeit und Schwebungen. Auch die Streicher werden im VP-03 virtuell-analog erzeugt. Sie können in der Einschwingphase angepasst sowie gefiltert werden. Ein Release-Fader regelt die Ausklingzeit beider Klänge gemeinsam. Das eingehende Signal, der Modulator, wird in der Regel vom aufgesteckten Mikrofon stammen. Zwei LEDs dienen der korrekten Aussteuerung, das erzeugte Vocodersignal kann ebenfalls mit einem Ensemble-Effekt versehen werden. Für mehr Realismus oder aber abgedrehte Effekte können Sie eine Tonhöhenmodulation per LFO hinzufügen. Geschwindigkeit, Verzögerung und Intensität des Vibrato-Effekts lassen sich mit drei Fadern regeln. In der Mixer-Sektion mischen Sie Chor, Streicher und die unbearbeitete Stimme dem Vocodersignal hinzu. Roland macht keine detaillierten Angaben dazu, mit wie vielen Bändern der Vocoder im VP-03 arbeitet, wir tippen aber nach Gehör auf einen 10-bandigen Vocoder wie im Original.

Zusätzliche Features des Roland VP-03

Der VP-03 besitzt, wie die anderen Boutiques, einen 16-Step-Sequenzer, allerdings diesmal polyphon ausgelegt. Für jeden Schritt lässt sich bei Druck auf den zugehörigen Taster eine beliebige Note eingeben, sogar bis zu 6-stimmige Akkorde sind möglich. Hier können die Besitzer eines JP-08 & Co. mit lediglich monophonem Sequenzer nur neidisch gucken. Auch die Notenlänge ist für jeden Schritt anpassbar. Doch damit nicht genug: Pro Step kann auch per Mikrofon eine kurze Audio-Phrase aufgenommen werden! Im Rahmen eines Updates wurde auch eine Threshold-Funktion hinzugefügt, die die Aufnahme abhängig vom Pegel des Eingangssignals startet und beendet, was eine deutliche Erleichterung bringt. Hinzu kommen verschiedene Skalen, Tempi und Abspielrichtungen. Zusätzlich bietet der VP-03 eine Chord-Memory-Funktion, bis zu 16 Akkorde können Sie speichern. Auch eine Hold-Funktion zum Einfrieren des Vocoders ist vorhanden, aber leider nur per MIDI-Controller zu aktivieren – hierfür hätten wir uns einen Taster auf der Oberseite gewünscht. Entschädigung bietet die flexible Pitch-Sektion, die neben kurzen Attack-Sounds auch gleitende Hoover-Klänge ermöglicht. Über die beiden Touchstrips lässt sich nicht nur der Synthesizer spielen, wenn kein externes Keyboard angeschlossen ist, sondern auch das Vibrato regeln. Sogar eine Veränderung der Formanten ist möglich, um sich mit Darth Vader oder Mickey Mouse unterhalten zu können.

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Praxis: Easy

Im Praxistest haben wir zunächst ein typisches Anwendungsszenario nachgestellt. Das mitgelieferte Mikrofon wird in die XLR-Buchse gesteckt, um mit der eigenen Stimme den eingebauten Synthesizer zu modulieren. Das Mikrofon benötigt eine Spannung von 3 Volt, die per Schalter aktiviert wird. Mehr ist auch nicht drin: Kondensatormikrofone, die in der Regel eine Phantomspeisung von 48 Volt benötigen, bleiben daher außen vor. Dies war aber zu erwarten, da der VP-03 Bus-powered ist, seinen Strom also allein über die USB-Verbindung vom angeschlossenen Computer bzw. einem entsprechenden USB-Netzteil bezieht. Alternativ ist auch Stromversorgung per Batterien/Akkus möglich. Passende Batterien werden mitgeliefert, ein USB-Anschlusskabel oder Netzteil leider nicht. Wie das Original überzeugt auch der VP-03 auf Anhieb mit hoher Sprachverständlichkeit und sauberem, durchsetzungsfähigem Klang. Alle klassischen Vocodersounds meistert er ohne Probleme und ist klanglich auf dem Niveau sehr guter aktueller Software-Vocoder wie dem XILS V+. Vorteil des VP-03 ist dabei natürlich der direkte Zugriff, jede Funktion hat ihren eigenen Fader oder Schalter. Auch die Nutzung des Vocoders in Verbindung mit externen Spuren aus der DAW hat im Test problemlos funktioniert und für überzeugende klangliche Ergebnisse gesorgt, sowohl mit Gesang als Modulator für Streicher als auch mit Drumloops, die eine Sägezahnwelle modulieren.

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Roland VP-03 vs VP-330

Natürlich haben wir den VP-03 auch als reinen Synthesizer getestet und mit dem VP-330 verglichen. Grundsätzlich gilt hier Ähnliches wie bei allen Boutique-Synthesizern: Der Grundcharakter ist sehr gut getroffen und die ACB-Technik klingt hervorragend, es fehlen aber die letzten 10 Prozent zum Originalsound. Beim VP-330 ist hierfür zu einem Großteil auch der unglaublich gut klingende Ensemble-Effekt verantwortlich, der digital schwer reproduzierbar ist. Der VP-03 klingt obertonreicher und auch durchsetzungsfähiger, was im Mix durchaus von Vorteil sein kann. Wer aber den Originalklang in all seiner analogen Wärme und Fülle haben will, muss versuchen, eines der raren Originale zu ergattern und hierfür auch locker mindestens das 10-fache des VP-03-Preises hinlegen. Dabei entgehen Ihnen auch die zahlreichen Vorteile, die der VP-03 gegenüber seinem Vorbild besitzt. Chord-Memory und flexibler polyphoner Step-Sequenzer ermöglichen in Verbindung mit dem Vocoder im Handumdrehen interessante Klangstrukturen. Durch die Aufnahmemöglichkeit von Audio-Phrasen, die Formantverschiebung und die Hold-Funktion sind uns im Test auch Licks und Sequenzen gelungen, die weit über die üblichen Vocoderanwendungen hinausgehen.

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Fazit

Rolands verkleinerte Neuauflage des VP-330 aus den 70ern ist ein konsequent auf Vocodersounds zugeschnittener portabler Synthesizer, der in dieser Form derzeit nahezu konkurrenzlos ist. Zwar bieten einige Kompaktsynthesizer wie der MicroKorg auch eingebaute Vocoder, die in Bezug auf Klang und vor allem Bedienung aber nicht an den VP-03 heranreichen. Sinnvolle Zusatzfunktionen wie ein Akkordspeicher und ein polyphoner Sequenzer mit Aufnahme von Audio-Phrasen erweitern das Klangspektrum gegenüber dem Original, zudem erhalten Sie mit dem VP-03 eine kompakte String Machine.

Dieser Artikel erscheint in unserer Heft-Ausgabe 136.

Bewertung
Name
Roland VP-03
Pro
  • guter Klang
  • hohe Sprachverständlichkeit
  • einfache Bedienung
  • USB-Audiointerface
  • polyphoner Sequenzer
  • Akkordspeicher
Contra
  • kein Line-In
Preis
399 EUR
Bewertung
(83%)
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