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Techno: Magda

Techno liegt ihr im Blut: Magda verbrachte ihre Jugend in Detroit und stand an der Wiege der Minimal-Bewegung. Heute ist die Künstlerin nach einem freundschaftlichen Split mit Richie Hawtins M_Nus so unabhängig wie nie zuvor, genießt das Multitasking als Produzentin, DJane und Label-Inhaberin. Und auch wenn nur selten neue Musik nach außen dringt – das Studio ist für sie wichtiger denn je. 

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Beat / Dein Vater war ein Ingenieur. Hat Technologie schon früh in deiner Kindheit eine wichtige Rolle gespielt?

Magda / Ich habe eher das Gefühl, dass die Gene meines Vaters erst jetzt zum Tragen kommen. Als ich angefangen habe, ging es mir vornehmlich darum, die Tracks zu finden, die ich auf Partys hörte. Damals konnte man sie nur auf Vinyl kaufen und so hat alles angefangen: Ich habe mich am Mixen versucht und es hat einfach Spaß gemacht. Es war nie meine Absicht, dass mehr daraus wird. Vielmehr war ich mir damals sicher, dass ich in die Fußstapfen meiner Mutter treten und bildende Künstlerin werden würde. Erst später habe ich mich voll der Musik gewidmet. Mir hat die Ausdrucksfreiheit gefallen, die einem Klang bietet, die Möglichkeit, konträre Dinge zusammenzufügen. Technologie ist erst später, in den späten Neunzigern, zu einem Teil meines Lebens geworden, als ich angefangen habe, mich für Equipment und DJ-Tools zu interessieren. Heute spielt dieser Aspekt eine sehr wichtige Rolle. Ich liebe analoges Equipment sowohl im Studio als auch in meinen DJ-Sets, aber ich bin keine Puristin. Du musst alles nutzen, was sich dir anbietet, jedes Tool hat eine eigene Persönlichkeit. Ich bin beispielsweise ein großer Eventide- Fan und nutze den H9 und Time-Factor in meinen DJ-Sets. Das ist ein Gerät, das deine Art, eine Platte zu hören, grundlegend verändert.

Beat / Die Neunziger scheinen eine prägende Phase für dich gewesen zu sein …

Magda / Genauer gesagt war es die Zeit zwischen 1994 und 1998, als ich in Detroit gelebt habe. In diesen vier Jahren bin ich tief in die Underground-Szene eingetaucht und habe spannende Sounds und Genres entdeckt: experimentellen House und obskuren Funk, alten Electro und total reduzierten Techno. Die Gemeinschaft war klein, aber unglaublich stark, und obwohl die unterschiedlichen Stilrichtungen sich voneinander unterschieden, bestand dennoch eine Verbindung zwischen ihnen. Detroit, diese Stadt und ihre gnadenlose rohe Energie, hat uns damals alle definiert. Um an der Zukunft zu arbeiten, ist es wichtiger denn je, zu diesen Ursprüngen zurückzukehren.

Rembrandt an den Wänden

Beat / Du hast im Studio deines heutigen Label-Partners Marc Houle deine ersten Erfahrungen sammeln können. Wie war diese Zeit?

Magda / Sie war unglaublich lustig. Marcs Haus sah ziemlich verrückt aus. Sein Wohnzimmer hatte er mit lauter unterschiedlich großen Versionen von Rembrandts Gemälde „Der Mann mit dem Goldhelm“ ausgekleidet und die Wände in seinem Studio waren knallrot mit weißen Wölkchen. Überall standen Vintage-Synthesizer herum und allerhand Plunder. Es war lo-fi und chaotisch. Marc hat einfach an den Synths herumgespielt oder Beats gebastelt und mir danach Anweisungen gegeben: „Füge dies hinzu“. Oder „Nimm das weg“. Das war sehr hilfreich für mich, da ich damals noch keine Ahnung von dem Equipment hatte. Dann habe ich mich hingesetzt und alle Arrangements „psychologisch“ editiert. Ich habe unglaublich viel von Marc gelernt. Er ist ein toller Lehrer und hat mir viel über Oszillatoren, Filter, Hüllkurven und MIDI beigebracht. Gleichzeitig stand er total auf romantischen New Wave und ich habe diese Pad-Sounds gehaßt! Gerade gestern noch haben wir uns über den ersten Track amüsiert, den wir damals auf Vinyl gepresst haben. Es ist ein wahrer Alptraum aus Frequenzen! Als ich kurz danach nach New York gezogen bin, habe ich zunächst mit digitalem Equipment meine ersten Tracks produziert. Danach fing ich immer mehr an, mich für analoge Geräte zu interessieren.

Beat / Dein Debüt-Album „From the Fallen Page“ aus 2010 ist nicht nur wohlwollend empfangen worden.

Magda / Nein, aber ich bin trotzdem zufrieden mit dem Album. Ich habe einfach mein Bestes gegeben und hatte keine Erwartungen. Die gemischten Reaktionen haben mich keineswegs überrascht, sie gehen für mich auch in Ordnung. Ich kann von keinem erwarten, dass er meinen Geschmack teilt oder dass ihm die Musik gefällt. Für mich war das Album etwas sehr persönliches und ist eng mit einer ganz bestimmten Zeit in meinem Leben verbunden. Ich habe damals hunderte kleine Clips aufgenommen und diese als die Basis für die Tracks genutzt. Es war mir sehr wichtig, alles alleine zu machen. Deswegen hat die Arbeit an der Scheibe auch recht lange gedauert. Aber es gibt nichts Tolleres, als zu wissen, dass du wirklich all das selbst auf die Beine gestellt hast.

Beat / Du scheinst nicht das Bedürfnis zu haben, ständig etwas zu veröffentlichen. Ist es dir nicht wichtig, dass die Studioarbeit konkrete Ergebnisse hat?

Magda / Ich habe ehrlich gesagt nach „From the Fallen Page“ eine Zeit lang nicht mehr viel produziert. Ich bin umgezogen und es hat mich ein Jahr gekostet, ehe ich mein Studio wieder am Start hatte. Eine Weile habe ich mich ganz auf das DJing konzentriert. Ich habe dabei erkannt, dass ich mich beim Produzieren sehr unter Druck gesetzt habe. Heute sehe ich das als einen Fehler und liebe es, ins Studio zu gehen, bin für alles offen. In dem Augenblick, in dem ich komplett entspannt bin, beginnen die Dinge zu fließen. Die Ideen kommen und alles entsteht ganz natürlich. Es gibt inzwischen eine Menge unveröffentlichtes Material und so langsam mache ich mich auch daran, es der Öffentlichkeit zu präsentieren. Aber ich möchte nichts überstürzen. Jedes Stück braucht seine Zeit.

Die Bedeutung des Raums

Beat / Wie sieht dein heutiges, neues Studio aus?

Magda / Ich habe viel über das Setup nachgedacht und es ist jetzt endlich so, wie ich es haben möchte. Der Raum selbst ist mir sehr wichtig, einfach weil ich dort viel Zeit verbringe. Ich habe mir zunächst große akustische Panele anfertigen lassen und dafür gesorgt, dass die Stimmung passt und die Akustik voll genutzt wird. Ergonomie und Haptik spielen eine maßgebliche Rolle: Wenn ich eine Idee habe, möchte ich das Studio betreten und sie sofort umsetzen, ohne dass mich etwas davon abhält. Deswegen muss alles logisch und organisiert sein, muss ich eventuelle Fehler schnell erkennen können. All mein Equipment ist synchronisiert und durch ein Mischpult geroutet und ich kann jederzeit aufnehmen. Ich bin so glücklich darüber, nicht mehr hinter einem Rechner sitzen zu müssen. Es macht mehr Spaß, ist schneller und hat einen besseren Flow.

Beat / Es scheint, als hättest du ein wenig abgespeckt, was die Tools angeht.

Magda / Vor einigen Jahren war ich in einer Art Rausch und hatte viel zu viele Plug-ins und wollte viel zu viele Geräte. Ich habe mir dabei nie die Zeit genommen, wirklich zu verstehen, wozu jedes davon überhaupt in der Lage ist. Deswegen habe ich mein Setup über die Jahre auf das beschränkt, was ich wirklich liebe. Die Produkte von Vermona oder Dave Smith sind zum Beispiel toll. Unter den neusten Geräten sind meine Favoriten der Prophet 12 – er klingt wirklich wahnsinnig gut – und die Simmons SD-800 Drum Machine. Mit diesen beiden Geräten alleine könnte ich wahrscheinlich hundert Tracks aufnehmen. In einem anderen Zimmer habe ich eine modulare Experimental-Station aufgebaut, die aus einigen Eventide Stompboxes und einem Mikrofon besteht. Es fühlt sich gut an, diesen Teil auszulagern – das Modularsystem verdient seine eigene Aufmerksamkeit.

Beat / Du arbeitest gerade an einem eigenen Controller. Wie kam es zu dem Projekt?

Magda / Aus meiner Sicht wird der Markt zu sehr von einigen wenigen großen Marken bestimmt. Diese bedienen vornehmlich die Massen und jeder verwendet letztendlich dasselbe oder ein sehr ähnliches Setup. Für mich ist es wichtig, auch kleinere Firmen zu unterstützen, die leidenschaftlich sind und etwas wirklich Einzigartiges beitragen können. Mit diesem Projekt wollte ich einen „Traumcontroller“ ohne jegliche Einschränkungen bauen. Es ist ein sehr stabiles und vielseitiges Produkt mit einigen interessanten Funktionen. Allgemein gesagt sehe ich diese personalisierten Lösungen als sehr wichtig an – es sollte mehr davon geben, ganz besonders angesichts der Technologien, die einem heutzutage offen stehen.

Beat / Wie siehst du heute die jeweilige Bedeutung von Klang versus Komposition?

Magda / Klang und Komposition sind gleich wichtig. In der Vergangenheit habe ich mich gelegentlich zu sehr auf die Komposition eingeschossen. Jetzt, wo ich mich aber einfach hinsetzen und improvisieren kann, hat dieser spontane Ansatz meinen Produktionen neues Leben eingehaucht. Es fühlt sich einfach lebendiger und dynamischer an. Wenn der Sound stimmt und du die richtigen Effekte nutzt, bilden sich ganz eigene, einzigartige Rhythmen. Die Komposition entsteht dann nahezu von selbst.

Beat / Hast du nicht manchmal das Gefühl, dass sich die Magie von Sound irgendwann einmal aufbraucht?

Magda / Musik kann niemals ihre Faszination verlieren. Es gibt eine unendlich tiefe Quelle an Sounds auf der Welt, in die du eintauchen kannst. Ich möchte schon verstehen, wie die Dinge funktionieren. Aber dabei entdecke ich immer nur noch verrücktere und interessantere Musik. Dieses Wachstum, diese Entwicklung inspiriert mein gesamtes Leben. Kein Stück klingt jemals gleich. Du hörst Musik immer wieder anders, abhängig von deiner Stimmung oder anderen Faktoren. Inspiration kommt und geht, wie sie möchte. Es ist gut, sie jeden Tag aufs Neue einzufangen.  

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