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Label-Porträt: Denovali

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Das Bochumer Denovali-Label konterkariert die gängigen Praktiken der Branche und veröffentlicht neben düsteren, Metal-angehauchten Produktionen auch einige der derzeit ambitioniertesten Elektronik-Projekte. Doch lohnt sich der Idealismus auch?

von Tobias Fischer

 

Im Jahr 2006 hatten Timo Alterauge und Thomas Hack eine „idiotische Idee“. Die beiden hatten erste Kontakte zu Bands aufgenommen, eine 7-Inch-Vinyl-Split gepresst und die Cover eigenhändig zusammengeklebt. Jetzt wollten sie ein Festival organisieren. Und so fanden sich schließlich sechzig zahlende Besucher zum ersten „Swingfest“ ein, dazu eine Handvoll Gäste, die eigentlich zu dem in einem weitaus größeren, benachbarten Saal stattfindenden Konzert der ungarischen Metal-Formation „Ektomorf“ wollten. Als Erfolg konnte man den Abend eher nicht gerade bezeichnen und Alterauge und Hack konzentrierten sich in der Folge stattdessen darauf, ihr Label, dessen Name eine bis heute geheim gehaltene Anspielung auf den romantischen Dichter Novalis beinhaltet, voranzubringen: Man veröffentlichte Alben der ambitionierten Post-Hardcore-Formation „Celeste“, gewann die bei der EMI-Tochter „Perfect Storm“ gesignten „Blueneck“ für sich und verfeinerte den eigenen Anspruch in Bezug auf die Gestaltung der LPs. 2009 entschloss man sich dann, ein zweites Swingfest auf die Beine zu stellen und kalkulierte vorsichtig mit 100-150 Besuchern. Bereits nach zwei Wochen hatte man mehr als doppelt so viele Karten verkauft – und jeder, der an dem Abend dabei war, erzählte den eigenen Freunden mit leuchtenden Augen davon.

Geld spielt keine Rolle

Eine der Besonderheiten der Denovali Swingfeste – und auch der generellen Politik des Labels – ist ihr stilübergreifender Ansatz. Alterauge und Hack veröffentlichen einfach, was ihnen gefällt, egal, ob sich damit Geld machen lässt und unabhängig davon, ob die Musik in das Image des Labels passt oder nicht. Und so steht Denovali heute ebenso für schleppend-trägen Avantgarde-Metal wie für die apokalyptischen Elektronik-Landschaften des französischen Produzenten Marc Euvrien (The Eye of Time), gleichermaßen für den kosmischen Post-Post-Rock von „thisquietarmy“ wie für die bulligen Analog-Synthie-Hymnen des Duos „Sankt Otten“, sowohl für die neoklassischen Arrangements von „Field Rotation“ und „Les Fragments de la Nuit“ als auch die brachialen Lärmwände des „Omega Massif“. Gemein ist den vertretenen Gruppen und Solo-Künstlern dabei weniger eine bestimmte Szenen- oder Genrezugehörigkeit, sondern vielmehr der geteilte Anspruch, eine bestimmte, leicht unwirkliche Stimmung zu erzeugen und ganz tief in sie einzutauchen. Vor allem für die experimentellen elektronischen Projekte ergeben sich daraus ganz neue Zuhörerschaften. So konnte der Ambient-Künstler Hellmut Neidhardt alias „N“ bei dem Swingfest 2010 von seiner neuen Doppel-LP „Gager“ so viele Exemplare absetzen, wie er es sonst vielleicht über mehrere Monate hinweg getan hätte.

Wer sich derart überzeugend der angeblichen Abwärtstendenz des Geschäfts entgegenstemmt, wird selbstredend gerne nach einem Erfolgsrezept abgeklopft. Und so finden sich derzeit in den Medien über wenige Labels mehr Porträts und Analysen als über Denovali. Die Gründer hingegen bekennen sich offen dazu, sich wenig für die Meinung der Medien zu interessieren, das gesamte Promo-System zu verachten und haben keinerlei Pläne oder Ambitionen, zu wachsen oder etwas „zu erreichen“. Das, was ihre Arbeit auszeichnet, ist stattdessen eine bedingungslose Liebe für die von ihnen herausgebrachte Musik, dem physischen Produkt als einer künstlerischen Einheit zwischen Klang, Bild und Haptik sowie einem respektvollen Umgang mit den Künstlern. Letzterer beinhaltet, dass man schriftliche Verträge meidet, nach Lösungen sucht, die alle Beteiligten vertreten können und den Acts bei der digitalen Distribution alle Freiheit lässt, statt sie für immer und ewig an sich zu binden.

Aufforderung zum Trittbrettfahren

Es gehört eine gehörige Portion Idealismus dazu, diese Arbeitslast auf sich zu nehmen, denn trotz des Ausnahmestatus, den Denovali inzwischen international genießt, macht sich die harte Arbeit eher wenig auf dem Konto bemerkbar. Was auch daran liegt, dass genau dieser Idealismus gerne als Aufforderung zum Trittbrettfahren missverstanden wird: Die „Nihiliste[s]“-LP von Celeste bot man auf der Homepage zum kostenlosen Download mit einer Spendenfunktion an. Achttausend Mal wurde die Scheibe inzwischen gezogen, eingenommen hat man damit knapp fünfzig Euro. Entmutigen lassen wollen sich die Betreiber davon jedoch nicht und haben auch für 2012 eine Neuauflage ihres Swingfests geplant. Erwartet werden dafür knapp 600 Besucher, das Zehnfache der ersten Ausgabe und genau die Größe, die das Führungs-Duo für ideal hält. Idiotisch mag das Projekt einer eigenen Plattenfirma noch heute erscheinen, doch macht es das aus ihrer Sicht kein bisschen weniger attraktiv.

Unter www.denovali.com/downloads/Beat.de_Sampler.zip gibt es exklusiv für Beat-Leser einen kostenlosen Denovali-Label-Sampler.

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