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Kommentar: Warum sich die Musikindustrie lächerlich macht

Die Musikindustrie hat seit der Schallplatte beinahe jede neue technologische Entwicklung verschlafen. Auch bei den Musik-Streaming-Diensten sind die Plattenfirmen und die Musiker wieder einmal Jahre zu spät dran. Wie auch bei MP3s oder der Kassette haben jedoch die Anderen Schuld und nicht die Musikindustrie: Nun beschuldigen einige Vertreter dieser Industrie Apple für den unterirdisch schwachen Start des neuen, von Jay-Z gegründeten Streaming-Dienstes Tidal.

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Die US-Musikindustrie hat sich eine schöne neue Theorie überlegt, warum ihre Umsätze nicht so groß wie erwünscht sind: Angeblich ist Apple Schuld. Wie die New York Post unter Berufung auf Quellen aus der Musikindustrie berichtet, glauben Vertreter aus dieser Industrie, dass Apple den Musik-Streaming-Dienst Tidal sabotiert.

Jay-Zs Musik-Streaming-Dienst Tidal ist in den USA am 30. März gestartet. Bis Apple das Update der App geprüft und genehmigt habe, vergingen jedoch mehrere Wochen, behaupten Vertreter der Musikindustrie. In der Folge sei Tidal aufgrund mangelnder Downloads aus den Top 700 Apps des App Stores gefallen. Auf Android sei die überarbeitete Tidal App dagegen bereits nach wenigen Tagen zum Download bereit gestanden. Dass Apple legitime Gründe – zum Beispiel schlechten Code – für die Verzögerung der Freigabe des Updates haben könnte, kommt der Musikindustrie nicht in den Sinn.

Die Quellen der New York Post haben noch weitere „Beweise“: So hat Robert Kondrk, der Chef von iTunes Content, angekündigt, dass Künstler, die Songs exklusiv auf Tidal veröffentlichen, nicht im iTunes Store beworben werden. In der Musikindustrie ist das eine übliche Praxis. Außerdem beschwerten sich Vertreter der Musikindustrie gegenüber der New York Post, dass einzelne Songs dieser Künstler, die einige Lieder exklusiv auf Tidal veröffentlichten, auf iTunes nur in schlechter Qualität und manchmal gar nicht zur Verfügung stünden. Apple hat sich zu letzterem Vorwurf bereits geäußert: Es ist „nicht wahr“.

Ein kurzer Versuch unsererseits bestätigt Apples Aussage. So ist beispielsweise Rihannas Song „American Oxygen“, der zunächst exklusiv auf Tidal Premiere feierte, auch auf iTunes in hervorragender Qualität zu finden.

Der Sänger Jay-Z hatte Tidal zu Beginn des Jahres gekauft. Der Musik-Streaming-Dienst bietet Musik in sehr hoher Qualität an und will Künstler angeblich besser bezahlen als die Konkurrenz. Neben Jay-Z sind auch noch andere Musiker Partner bei Tidal. Der Dienst konnte allerdings auch nach seinem Relaunch kaum Interesse wecken: In Apples App Store erhielt Tidal im Schnitt nur eine 3-Sterne-Bewertung. Spotifys iOS-App bekommt von seinen Nutzern dagegen 4,5 Sterne. Auch bei der Android-App sieht es nicht besser aus: Tidal hat nur rund 100.000 Downloads und eine Bewertung von 3,2 Sternen. Spotify wurde dagegen mehr als 50 Millionen mal heruntergeladen und hat eine Bewertung von 4,5 Sternen.

Jay-Z versuchte den mäßigen Start von Tidal zu verteidigen: Auch Spotify und der iTunes Store hätten einige Zeit benötigt, um erfolgreich zu werden. Es gibt jedoch einen Unterschied: iTunes war der erste ernstzunehmende legale Online-Musik-Händler während Spotify den ersten nutzbaren legalen Musik-Streaming-Dienst aufbaute. Tidal ist einfach viel zu spät dran.

Wie gewohnt greifen innerhalb der Musikindustrie jedoch die üblichen Reflexe. Schuld haben immer die anderen. Völlig undenkbar wäre, dass die Musikindustrie mal wieder eine neue Entwicklung verschlafen hat.

Dieser Artikel wurde erstmals in unserer Schwesterpublikation Mac Life veröffentlicht.

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