Quelle: https://www.beat.de/news/dj-interview-klaudia-gawlas-10071855.html

Autor: Tobias Fischer

Datum: 19.06.17 - 10:12 Uhr

DJ-Interview: Klaudia Gawlas

Klaudia Gawlas ist nicht zu stoppen. Nicht mit ihrem aktuellen Album „Vis/On“, mit dem sie als Produzentin zur Weltspitze aufgeschlossen hat. Und schon gar nicht als DJ. Tobias Fischer sprach mit Klaudia über ihre Leidenschaften, ihren DJ-Ansatz und die Bedeutung von Spontaneität.

Beat / Wer oder was waren deine ersten Einflüsse?
Klaudia Gawlas / Ich wollte schon immer mit Musik arbeiten. Schon bevor ich die ersten Schritte in die Richtung unternommen habe, habe ich eine Leidenschaft für Techno entwickelt. Aber ich habe ein Leben als DJ niemals als eine ernsthafte Option angesehen. Ein altes Jeff-Mills-Tape hat mich dann irgendwie hineingesogen, und als ich ein Jahr in den USA verbracht habe, habe ich dort mit dem DJing angefangen. Ich war zu der Zeit auch in der Rave-Szene aktiv und das hat die Gefühle weiter angefacht. Ein Hip-Hop-DJ aus den Staaten hat mir gezeigt, wie man auflegt und wir sind dabei zu besten Freunden geworden. Zu Anfang hat mir das Auflegen einfach nur Spaß gemacht. Später war es dann wie eine Sucht: das Ineinandermischen von zwei Tracks. Das emotionale High. Die Gänsehaut. Ich habe aber niemals versucht, andere DJs einfach nur zu kopieren. Dafür hatte ich zu sehr meine eigenen Vorstellungen zu Techno und dazu, was ich spielen möchte.

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Beat / Wie siehst du die Beziehung zwischen deinen Werkzeugen als DJ und den musikalischen Ergebnissen?
Klaudia Gawlas / Ich habe mit Turntables und Vinyl angefangen. Später bin ich dann auf CDs umgestiegen, weil sie einfacher und schneller sind. Du brauchst nicht in einen Plattenladen zu gehen oder auf den Briefträger zu warten. Stattdessen kannst du im Hotel sitzen, von dort aus einen brandneuen Track herunterladen – und ihn gleich für dein Set nutzen. Ich schätze die aktuellen Modelle der Pioneer 900 und CDJ 2000 sehr. Sie bieten schlicht eine großartige Palette an Möglichkeiten. Allgemein gesagt hat der technologische Fortschritt der letzten Jahre das DJing grundlegend verändert. Einige der Skills, wie das Syncen von Tracks, werden jetzt von Maschinen übernommen. Das bedeutet, dass du dich als DJ noch mehr auf Effekte und das Publikum konzentrieren kannst.

Beat / Würde dir, gerade aus dem Blickwinkel von Effekten, ein Laptop nicht noch mehr Möglichkeiten bieten?
Klaudia Gawlas / Doch. Aber alleine schon das Aufbauen der ganzen Hardware schreckt mich ein wenig davor ab. Für mich sind CDs und die Pioneers ein sehr guter Kompromiss.

Beat / Das radikale Verändern der Originale ist ja auch nicht jedermanns Sache.
Klaudia Gawlas / Ich weiß, dass es Leute gibt, die finden, dass starke Veränderungen an einem Track nicht in Ordnung gehen, weil sie dem Original gegenüber nicht genug Respekt bezeugen. Aber wenn diese Veränderungen Teil eines Mixes sind und die Leute es lieben, warum sollte etwas dagegen sprechen? Natürlich gefällt es dem Produzenten nicht immer. Aber es ist eben auch Musik, es ist Kunst. Und wenn wir gemeinsam daran arbeiten, inspirieren wir einander dabei auch.

Beat / Du hast von grundlegenden Veränderungen gesprochen. Wo könnte die Reise hingehen?
Klaudia Gawlas / Eines steht fest: Das DJing wird sich weiter entwickeln. Vielleicht riesige Touchscreens, auf denen wir die Musik spielen. Oder: ein Gerät, das du mit deinen Emotionen ansteuerst und welches daraus Noten generiert. Es klingt zwar ein wenig nach Science-Fiction. Aber wer hätte sich DJing mit Laptops in den 80ern vorstellen können?

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Beat / Wie bereitest du dich auf deine Gigs vor?
Klaudia Gawlas / Im Laufe der Woche höre ich mir alle Demos und Promos an, die ich bekomme, und suche parallel dazu nach neuer Musik in den Stores. Alles, was ich gebrauchen kann, lade ich dann auf einen USB-Stick und höre mir jeden Track an, manchmal sogar, während ich im Büro arbeite. Ich markiere diejenigen, die mir gefallen, und spiele sie dann am Wochenende. Aber natürlich hängt die konkrete Entscheidung darüber, was ich auflege, immer auch vom Publikum ab. Und ich kaufe auch viel Musik, die ich letzten Endes gar nicht mitnehme. In diese Fragen gehen so viele Dinge ein – und manchmal ist es einfach nur eine ganz spontane Entscheidung aus dem Augenblick heraus.

Beat / Wie würdest du dich als DJ beschreiben?
Klaudia Gawlas / Ich möchte, dass meine Sets etwas Besonderes sind und mich und meine Persönlichkeit widerspiegeln. Dazu gehört, dass keiner wirklich weiss, wo sie enden werden, nicht mal ich selbst. Ich fange üblicherweise mit einem eher langsamen Track an und baue dann allmählich Druck auf. Was die Übergänge angeht, gibt es natürlich schon gewisse objektive Faktoren, was passt und was nicht. Aber ich folge eigentlich immer meinem Gefühl. Das Wichtigste ist auch hier die Reaktion der Tänzer. Ich möchte, dass die Leute eine gute Zeit haben und gleichzeitig etwas geboten bekommen, das sie noch nicht kannten. Das Ganze ist kein Kampf. Wir alle arbeiten im Club zusammen an einer Nacht, an die man sich erinnern wird.

www.klaudiagawlas.de