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DJ-Interview: John Roberts

John Roberts ist ein lebendes Paradox: je experimenteller seine Produktionen, desto begeisterter seine Anhängerschaft; um so ausgefallener seine Plattenauswahl, um so größer die Euphorie. Tobias Fischer sprach mit Roberts über komplexes DJing, die Bedeutung von gebrochenen Regeln sowie sein neues Album „Fences“.Beat / Wie hat es bei dir mit dem DJing angefangen?

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John Roberts / Ich war fünfzehn und spielte auf zwei riemengetriebenen Numark-Turntables und einem Mixer. Als ich dann anfing, in einem Laden in Cleveland Platten zu kaufen, wählte ich frei aus Jungle, Breaks und Garage aus. Erst später entdecke ich meine Liebe zu dem Dancemania-Label und seinen Künstlern. Das waren die ersten Scheiben, die ich leidenschaftlich mixte und in meinem Kopf auseinanderzunehmen begann.

Beat / Wie wichtig ist es dir, deine eigenen Wurzeln und die von Techno und House im Allgemeinen im Club offen zu legen?

John Roberts / Es ist auf jeden Fall wichtig, sich dessen bewusst zu sein, was vor einem kam. Man sollte Tradition aber nicht überbewerten und guten Gewissens Regeln brechen und mit neuen kreativen Methoden experimentieren. Denn das ist einer der besten Wege, die Kultur vorwärts zu bringen, statt jeder Nacht denselben Ritualen zu verfallen.

Beat / Wie baust du eine Beziehung zu deinen Platten auf?

John Roberts / Das ist für mich sehr wichtig, gerade wenn man mit physischen Medien wie Vinyl oder CD auflegt. Beide Formate verändern sich im Laufe der Zeit durch den Gebrauch – dadurch, dass man sie ins Flugzeug mitnimmt, sie verstauben, fleckig werden oder verkratzen. Ich erkenne viele meine Lieblingsplatten anhand ihrer Wunden. Für mich ist diese Art der Identifikation sehr persönlich mit der eigenen Kollektion verbunden.

Beat / Macht es Sinn, Tracks am Rechner auseinanderzunehmen und komplex umzubauen, wenn das Publikum es gar nicht erkennen kann?

John Roberts / Grundsätzlich finde ich es großartig, dass man Tracks bis in das kleinste Detail hinein verändern, dass man sie editieren und verlängern, störende oder kitschige Stellen aus ihnen heraus schneiden kann. Aber aus meiner Sicht macht das alleine noch lange kein komplexes DJing aus. Vielleicht ist sogar eher das Gegenteil der Fall. Man sollte auch einmal darüber nachdenken, warum der ursprüngliche Produzent sich dafür entschieden hat, eine bestimmte Sequenz auf genau diese Länge festzulegen. Für mich ist jemand, der kreative Möglichkeiten findet, mit den Beschränkungen eines physischen Mediums in einer Live-Umgebung umzugehen, viel spannender als ein DJ, der Edits seiner Lieblingstitel macht.

Beat / Wie siehst du den Zusammenhang zwischen deinem DJing und einem Album wie „Fences“?

John Roberts / Ich habe meine Jugend vor allem auf Raves und Partys verbracht und weniger auf Rock-Shows. Deswegen ist es mein natürlicher Instinkt, in einer solchen Umgebung die elektronischen Platten aufzulegen, die mich irgendwie an diese Welt erinnern. Man könnte sagen, dass mein DJing diese Einflüsse explizit offen legt – Platte für Platte – während meine Produktionen ein Amalgam, ein Schmelztiegel diese Einflüsse darstellen.

Beat / Wie hast du dich als Produzent seit deinem Debüt verbessert?

John Roberts / Ich habe mir Zeit genommen, mich über Studio- und Mixing-Techniken für verschiedene Genres zu informieren. Ein Freund hat mir ein Abo von „Sound on Sound“ (UK-Producermagazin, Red.) geschenkt und ich habe mich dann eine Weile in das Thema Pop-Produktion vertieft. Das, was mich daran interessiert hat, habe ich auf mein eigenes Werk angewandt.

Beat / Welches Equipment hast du für das Album verwendet?

John Roberts / Ich habe auf meinem Tascam Vierspur-Rekorder Geigen, Synthesizer, Celli und Klaviere aufgenommen. Mit meinem tragbaren Kassettenrekorder und meinem Handy habe ich dann nach atmosphärischen Stellen gesucht. Ich habe die Mischung auf einer alten Tracker-Software vorgenommen und dabei einige Outboad-Effekte wie das Roland Space Echo und einige Pedale von Boss und Jomox verwendet.

Beat / Gab es ein Konzept für das Album?

John Roberts / Ursprünglich sollte „Fences“ wie ein Spiegel funktionieren: Die erste Hälfte sollte aus der Stille heraus richtig laut werden und dann nach dem Überschreiten des mittleren Tracks über das reflektieren, was vorangekommen war und die umgekehrte Richtung beschreiten. Ganz so habe ich es dann doch nicht umgesetzt, aber ich glaube, das Grundgefühl ist zum Glück noch spürbar geblieben.

Beat / Wie geht es mit dem DJing weiter?

John Roberts / Ich habe mich schon immer darauf konzentriert, mein Mixing interessanter zu machen, mein EQing abstrakter. Obwohl ich schon seit zehn Jahren auflege, habe ich immer noch das Gefühl, als hätte ich es noch nicht gemeistert. Ich glaube, das werde ich auch nie. Es gibt immer etwas, was man noch ausprobieren kann, so viele subtile Veränderungen, die die Wirkung der Musik auf den Kopf stellen können.

www.johnrobert.net

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