Quelle: https://www.beat.de/news/dj-interview-ingo-boss-10052784.html

Autor: Beat

Datum: 14.06.11 - 15:32 Uhr

DJ-Interview: Ingo Boss

Der in Frankfurt residierende Ingo Boss entdeckte seine Leidenschaft für elektronische Musik bereits in jungen Jahren. Neben seiner DJ- und Produzententätigkeit arbeitete er im Frankfurter Szeneplattenladen „Delirium“ und seit 2004 für Sven Väths Firma Cocoon. Den bislang größten musikalischen Erfolg feierte Ingo im Jahr 2003 mit der Produktion „Little Eternity“, die auf Cocoon-Recordings erschienen ist. Boris Pipiorke-Arndt sprach mit dem musikbegeisterten Hessen über seinen musikalischen Werdegang, die Produktion seines Debütalbums und die Arbeit als DJ.

Beat / Erzähl’ uns, wie und wann dich die Begeisterung für elektronische Musik erwischt hat!

Ingo / Bereits als kleiner Junge hörte ich immer viel Radio zuhause. Besonders Kraftwerk und die ganzen Achtziger-Synthie-Pop-Produktionen klangen irgendwie neu und interessant. Dann kam Anfang der Neunziger Techno hinzu. Da war ich gleich sehr hellhörig. Meinen ersten Gig hatte ich mit dreizehn Jahren auf der Party meiner älteren Schwester und mir wurde sofort klar: „Das ist mein Ding, ich will DJ werden!“

Beat / Hast du musikalische Vorbilder?

Ingo / Als Musiker würde ich vor allem Kraftwerk nennen. Unglaublich, was die Jungs bewegt haben. Mein Album ist sicher auch von Kraftwerk inspiriert. Ich habe sechs Jahre im „Delirium“-Plattenladen gearbeitet und viele Eindrücke aus dieser Zeit mitgenommen. Sehr beeindruckt bin ich nach wie vor von den Produktionen auf WARP Records. Als DJ habe ich nur ein großes Vorbild: Sven Väth. Ich war schon immer fasziniert von der Musik, die er als DJ spielt, sowie von seinen Produktionen und von seiner Art, Musik zu zelebrieren. Rein technisch bin ich schon sehr lange ein Fan von Richie Hawtin. Der hat einfach das Roboter-Gen. Das, was er im Moment mit vier Decks, Effekten und selbst erstellten Loops in Traktor macht, reizt mich sehr.

Beat / Was hat der Albumtitel „3.652 Tage“ zu bedeuten und mit wem hast du daran gearbeitet?

Ingo / Der Titel bedeutet, dass das Album 3.652 Tage, also genau eine Dekade nach meinem ersten Club-DJ-Gig entstanden ist. Als im Jahr 2003 mein bis jetzt größter Hit „Little Eternity“ auf Cocoon Recordings veröffentlicht wurde, wollte ich ein Album in diesem Sound machen. Ich denke, es ist ein spezieller Sound, der mich auszeichnet. Das Album sollte zeitlos, poetisch und schön sein, und eher als Konzeptalbum verstanden werden. Es ist sehr Electro-lastig und melodisch, ebenso wie es meine „Little Eternity“ auch war. Zwei Tracks des Albums sind mit Denis Engemann entstanden und schon knapp acht Jahre alt. „Arctic Island“ habe ich 2004 mit Jörg Henze aufgenommen und „Zeitfenster“ 2007 mit Miguel aka Electric Gloss, der mich zwei Tage aus Portugal besuchte. Die restlichen elf Lieder habe ich ganz eigenständig produziert.

Beat / Wie dürfen wir uns dein Studio vorstellen?

Ingo / Früher habe ich ausschließlich mit analogem Equipment produziert und bin dann mithilfe meiner Produzentenkollegen Johannes Heil und Reboot auf ein digitales Studio umgestiegen. Mittlerweile komme ich mit meiner DAW sehr gut zurecht und liebe meine UAD-Karten. Ich benutze aktuell Cubase 5 und überlege den Umstieg auf Ableton Live, da diese Software einen sehr innovativen Ansatz bietet. Wenn ich mit Johannes Heil an unserem Projekt „High Com“ arbeite, nutzen wir Ableton Live und ich muss sagen, ich bin ganz schön angetan von diesem Programm. Viele meiner Sounds sind samplebasiert und ich frickle zusätzlich sehr gerne mit kostenlosen VSTIs herum, die in eurem Magazin und bei KVR jeden Monat neu vorgestellt werden. Sehr gerne verwende ich den „Jupiter-8“ von Arturia und die „String Machine“ von M-Audio. Des Weiteren habe ich mir gerade Komplete 7 mit fast allen Libraries bestellt und werde mich nach der Installation direkt an ein neues Album setzen. Am Wichtigsten ist für mich im Studio jedoch eine gute Abhöre und ein ergonomischer Arbeitsplatz. Als Masterkeyboard verwende ich einen Novation SL-61 samt Automap-Funktion und als Controller den Steinberg CC121.

Beat / Du bist vom Vinylauflegen auf das digitale DJing umgestiegen. Wie kam es dazu?

Ingo / Ich habe 17 Jahre ausschließlich Platten aufgelegt. Sicher war ich speziell zu der Zeit, als ich im Plattenladen gearbeitet habe, gegen das digitale Auflegen. Die Entwicklung bleibt aber nicht stehen und die vielen Möglichkeiten, die sich mit der neuen Technik ergeben, wollte ich irgendwann nicht mehr missen. Ich setze jetzt Traktor Scratch Pro mit zwei Traktor-Kontrol-X-1-Controllern ein.

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Ingo Boss liefert mit „3.652 Tage“ ein Debütalbum ab, das 15 Songs unterschiedlicher Couleur trägt. Gemeinsam ist ihnen zwar ein atmosphärischer Grundcharakter, sie unterscheiden sich aber dann in Listening-, Club- oder Chillout-Tracks. Ingos Intention, ein eher zeitloses, poetisches Werk zu erschaffen, ist dabei gut gelungen und sollte bei Ihrem nächsten digitalen Songeinkauf durchaus Berücksichtigung finden.