Quelle: https://www.beat.de/news/dj-interview-deetron-10073537.html

Autor: Tobias Fischer

Datum: 25.05.18 - 09:50 Uhr

DJ-Interview mit Deetron

Auf dem Deetron-Album “Re-Creation” zelebrierte Samuel Geiser die Kunst des Remixens. Auf seinem aktuellen Mix für DJ Kicks frönt er seiner Leidenschaft für das DJing. Tobias Fischer traf sich mit Geiser, um sich über die Überschneidungen zwischen den beiden Bereichen zu unterhalten – und darüber, wie er zu seinem analog-digitalen Set-Up mit 3 Decks gefunden hat.

Beat / Deine DJ-Kicks ist ein Liebesbekenntnis zum klassischen Sound aus Detroit und Chicago. Was hat dich zum Fan gemacht?
Deetron / Meine erste Begegnung mit Detroit-Techno fand vor zwanzig Jahren statt, als ich Jeff Mills in Bern auflegen sah. Mein Vater war ein professioneller Klassikmusiker und ein leidenschaftlicher Jazz-Performer. Er hatte eine riesige Plattensammlung und so war ich bereits meinen frühsten Kindertagen immer von Musik umgeben. Schon schnell war ich von Hip-Hop fasziniert – von der Kultur, von den Skills, vom MCing, DJing und Graffiti. Dass Hip-Hop-DJs ihre Turntables als Instrumente nutzten und so aus Beats und Klängen etwas Neues schufen, hat mich zunächst sehr beeindruckt. Als ich dann aber sah, wie Jeff sein ganz eigenes Ding durchzog, hat mich das komplett umgehauen. Ich habe angefangen, mich immer tiefer mit der Musik aus Detroit und Chicago auseinanderzusetzen. Sie hat etwas ganz Eigenes, das sich nur sehr schwer beschreiben lässt. Es ist roh und echt, voller Soul. Wie eine futuristische Vision von Techno und House. Diese Magie lebt bis heute weiter.

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Beat / Der DJ-Kicks-Mix klingt extrem ausgeklügelt. Wie bist du ihn angegangen?
Deetron / Ich habe in den vielen Jahren hinter den Decks versucht, die Kunst der spontanen Neuinterpretation von Songs zu perfektionieren. Die Erfahrungen, die ich dabei gemacht habe, haben mir bei der DJ Kicks sicher enorm geholfen. Ich möchte, dass man dieses Album sowohl als eine Hörerfahrung als einen Dancefloor-Mix wahrnimmt. Den Anfang bin ich wie eine Produktion angegangen, habe die Stücke bearbeitet, zusätzliches Schlagzeug und Effekte hinzugefügt. Danach mündet die Musik in eine Passage, in der ich mit meinen drei Decks ähnlich arbeite, wie ich es in einer Live-Situation tun würde. Ganz zum Schluss wechsele ich dann wieder zurück in den digitalen Bereich. Ich habe sehr viel Arbeit in das Endergebnis investiert, alleine der Anfangsabschnitt hat mich ein halbes Jahr gekostet. Auch danach habe ich die Mixe immer wieder noch verändert und umgeformt.

Beat / Worin siehst du die Vorteile von drei Decks und einer Mischung aus analogen und digitalen Elementen?
Deetron / Sie geben mir mehr Möglichkeiten. Ursprünglich hatte ich lediglich einen CD-Spieler und einen riemengetriebenen Plattenspieler ohne Pitch-Control. Damit habe ich meine ersten Schritte in die Welt des DJings genommen, so gut es eben ging. Mein erster 1200er war eine Offenbarung und seitdem haben sich die Dinge ständig weiterentwickelt. Meine frühen Idole waren die DMC-Meister und ich habe mich bemüht, mich in die gleiche Richtung zu bewegen – wobei ich in technischer Hinsicht nicht an ihr Niveau herangekommen bin. Trotzdem versuche ich noch immer, diesen Ansatz und diese Ideologie in meinen Sets einzubauen. Ich liebe es einfach, Edits von bestimmten Tracks zu erstellen und weil die ganzen Promos heutzutage ohnehin digital sind, hat sich der Umstieg hin zu einer digitalen Arbeitsumgebung sehr natürlich angefühlt. Das Beatmatching an sich ist für mich kein Problem, sogar mit drei Decks. Die eigentliche Herausforderung besteht darin, Platten zu finden, die harmonisch zusammenpassen – oder dir miteinander verbunden einen neuen Blick auf die Originale bieten.

Beat / Da sind wir dann schon ganz nahe am Live-Remixen dran. Heisst das, dass du sogenannte „Tools“-Tracks vorziehst, die komplett durchproduziert sind?
Deetron / Ich würde eher sagen, dass es eine ganz besonders schwierige Aufgabe ist, durchkomponierte Tracks zu spielen und sie dennoch frisch klingen zu lassen, so dass sie Teil deines persönlichen Sounds werden. Um das zu erreichen, verwende ich tatsächlich sogenannte Tools. Das sind dann typischerweise Stücke, die einen sehr ausgeprägten Rhythmus oder auffällige Vocals haben. Manchmal setze ich auch beatlose Platten ein.

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Beat / Wenn du selbst produzierst oder Edits erstellst, welche Rolle spielt das Equipment dabei?
Deetron / Meine Synths unterstützen auf jeden Fall meine Kreativität. Mir gefällt das Haptische echter Synths, diese Phase des Ausprobierens und Scheiterns, wenn du eigene Sounds bastelst. Auch Jammen kann sehr inspirierend sein und zu einem neuen Track oder zumindest einer Hook führen. Maschinen können dabei behilflich sein, Ideen zu generieren. Aber sie können Kreativität oder Ideen nicht ersetzen. Um sie weiter zu entwickeln, brauchst du immer noch einen menschlichen Geist.

Beat / Dein perfektes DJ-Set?
Deetron / Es ist für mich ein Traum, wenn ich ganz frei an einem Set arbeiten kann. Wenn die Crowd mir in verschiedene Richtungen folgt, wenn eine Verbindung mit der Musik zustande kommt. Wenn du dich gar nicht so sehr auf das DJing an sich konzentrieren musst, sondern nur auf das, was aus den Boxen kommt. Ich versuche mich voll auf die Musik zu konzentrieren und zu spüren, wohin mich die Tänzer gehen lassen. Wenn ich mich in diesem Zustand befinde, gibt es kaum Ablenkungen mehr – außer vielleicht die Nadel verspringt oder ein paar Leute, wollen mit dir lange Gespräche führen. Und dann ist es toll, wenn du am Ende einen Track spielen kannst, den du besonders schätzt und zu dem eine persönliche Beziehung aufgebaut hast. Ich ziehe es immer vor, auf dem Höhepunkt zu enden. Das ist besser, als wenn sich die Dinge ewig ziehen und irgendwann einfach zerfasern.

www.deetron.com | www.dj-kicks.com

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